Aufzeichnung , Vortrag von Harald Lesch : Video : hier
May 17, 2018
http://www.tele-akademie.de – Seit 4,5 Milliarden Jahren gibt es die Erde, den Menschen erst seit 160.000 Jahren. Aber er hinterließ tiefere Spuren als alle anderen Lebewesen. Seit der Industrialisierung haben Wissenschaft und Technik die Erde fest im Griff. Und dabei werden wir immer mehr …
Abstract
Die Lebensbedingungen auf der Erde verändern sich. Viele Arten sterben aus – und auch der Lebensraum des Menschen ist zunehmend in Gefahr. Immer tiefere Spuren hinterlässt das Anthropozän, das Menschenzeitalter, in den letzten 2000 Jahren. Wissenschaft und Technik nehmen seit der Industrialisierung die Erde in den Griff. Sei es die Ausbeutung der Bodenschätze, Luft- und Wasserverschmutzung, die Klimaveränderung und Erderwärmung, Kernspaltung oder die Verschwendungssucht der Wohlstandgesellschaft – wir beuten unseren Planeten aus wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Energiehunger und globaler Konsum treiben einen zerstörerischen Kreislauf an.
Harald Lesch, Astrophysiker und Philosoph, ist aus den Weiten des Weltalls zurück. Es geht ihm jetzt um die Erde, die Heimat des Menschen, der in einer bisher nie gekannten Hybris den Ast, auf dem er sitzt, absägt.
Kommentare
Es fällt mir immer wieder ein, der Spruch aus den 70ger Jahren: Erst wenn der letzte Baum gefällt und der letzte Fuß vergiftet ist wird man feststellen daß man Geld nicht essen kann
reffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: Ich hab´ Menschen! Sagt der andere: Das gibt sich!
„Das Universum ist nicht nur komischer als wir denken, es ist komischer als wir denken können” ~Werner Heisenberg 64
Am Ende liegen König und Bauer in derselben Kiste. 11
Also immer wenn ich höre, dass die Welt nur durch schnelles Handeln in der Politik gerettet werden kann, denke ich mir: Tschüss Menschheit.
Artensterben, Klimakrise, Pandemien – der Potsdamer Forscher Johan Rockström zeigt in „Breaking Boundaries“, wie der Mensch sein eigenes Überleben gefährdet.
Berlin – Ein Februartag im Süden Australiens auf Kangaroo Island: Wissenschaftlerin Daniella Teixeira beobachtet hier seit vier Jahren in einem Waldgebiet die Braunkopfkakadus. „Normalerweise ist zu dieser Zeit richtig was los, denn die Küken wären auf der Welt“, sagt die Wissenschaftlerin. Doch an diesem Tag ist es still. Kilometerweit sieht man nur eine karge Landschaft, verkohlte Bäume: die Folgen der verheerenden Waldbrände in Australien von 2020. Fast 20 Millionen Hektar Land verbrannten.
Drei Milliarden Tiere sollen laut Wissenschaftlern bei den Waldbränden in Australien getötet oder vertrieben worden sein. „Es bricht mir das Herz. Es ist ein Albtraum, es so zu sehen,“ sagt Teixeira, während sie fassungslos auf die verkohlte Landschaft blickt. Das Schicksal der Braunkopfkakadus auf Kangaroo Island ist eine von vielen Szenen aus der neuen Netflix-Dokumentation „Breaking Boundaries: The Science of our Planet“, die am 4. Juni Premiere auf der Streaming-Plattform hat.
Welche planetaren Grenzen existieren?
Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor für Erdsystemforschung an der Universität Potsdam, nimmt die Zuschauer in der Dokumentation mit auf eine wissenschaftliche Reise. Sein Ziel ist es, die planetaren Belastungsgrenzen zu definieren. Dabei handelt es sich um ökologische Grenzen der Erde, deren Überschreitung die Stabilität des Ökosystems und die Lebensgrundlagen der Menschheit gefährden. Rockström hat diese Grenzen selbst mitentwickelt. Im Film lässt der PIK-Direktor auch zahlreiche internationale Wissenschaftler wie Teixeira zu Wort kommen. Erzählt wird die 75-minütige Dokumentation von dem britischen Tierfilmer und Naturforscher Sir David Attenborough.
Gut zehntausend Jahre haben die Menschen die planetaren Grenzen nicht überschritten. Die Erde war stabil, erklärt Attenborough gleich zu Beginn des Films. Temperatur, Meeresspiegel und CO2-Konzentrationen waren weitestgehend konstant. Diese beständige Ära, das sogenannte Holozän, ermöglichte überhaupt die Zivilisation der Menschen. Doch eben diese Stabilität des Planeten sei nun gefährdet. Der von den Menschen verursachte Druck auf die Erde sei so groß, dass sie bereits ihr eigenes Erdzeitalter geschaffen haben:
„In nur 50 Jahren haben wir uns um einen Zustand gebracht, der uns zehntausend Jahre lang gut getan hat“, so Rockström. „Zum ersten Mal sind wir in der Situation, dass wir den Planeten ins Wanken bringen könnten.“
Die Belastungsgrenze des Erdklimas
Doch wie viele planetare Grenzen gibt es überhaupt? Und welche haben wir bereits überschritten? Die erste Grenze, die im Film angeführt wird, ist wahrscheinlich auch die derzeit bekannteste: die Belastungsgrenze des Erdklimas. Die Grenze der Erderwärmung liege bei 1,5 Grad Celsius, so Rockström. Überschreite man diese 1,5 Grad, gehe man ein großes Risiko ein. Bereits heute sieht man die : die zunehmenden Hitzeperioden, verheerende Waldbrände, wie sie in Australien 2020 auftraten, das Tauen der Permafrostböden – und das
Einer der internationalen Wissenschaftler, die in der Doku zu Wort kommen, ist Jason Box, US-amerikanischer Klimaforscher, der für den Geologischen Dienst Dänemarks und Grönlands arbeitet. In einer Szene des Films steht Box in Grönland, im Hintergrund sieht man Eismassen.
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Grönland verliere pro Sekunde durchschnittlich zehn Millionen Liter Eis, erzählt Box. Und dieser Verlust werde zunehmen, wenn sich das Klima weiter erwärme. Denn durch das Abtauen verringere sich die Höhe des bis zu 3000 Meter hohen Eisschildes. Das Eis sinke in tiefere, wärmere Luftschichten ab, wo es noch schneller schmelze. Gebe es weniger Meereis, werde zudem mehr Sonnenenergie aufgenommen, da das dunkle Wasser diese stärker absorbiere. Das führe zu einer noch stärkeren Eisschmelze.
Das Abschmelzen des Eisschildes in Grönland sei daher nicht mehr aufzuhalten, außer es gelinge, das Erdklima deutlich zu verändern – und zwar so schnell wir möglich. Ist Grönland also verloren? „Offenbar schon“, antwortet Box.
Kipppunkte entfernen Planeten von stabilem Zustand
Mit dem Abschmelzen des Eises in Grönland gelingt es den Filmmachern, den Zuschauern deutlich die Dramatik der sogenannten Kipppunkte innerhalb der planetaren Grenzen zu verdeutlichen. Schmilzt Grönlands Eisschild, überschreitet man einen Kipppunkt, also den Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Der Planet entfernt sich so unumkehrbar von seinem stabilen Zustand, der für uns Menschen wichtig ist. Eine Folge: Wenn das gesamte Grönlandeis schmelze, so Box, steige der Meeresspiegel weltweit um sieben Meter. Hunderte von Küstenstädten seien von steigenden Meeren bedroht.
Forscher warnen: Der Erde droht verhängnisvolle Klima-Kettenreaktion
Noch dramatischer sei das Schmelzen der Eismassen in der Antarktis. Wenn das komplette Eis der Westantarktis schmelze, würde der Meeresspiegel mehr als fünf Meter steigen, bei der Ostantarktis seien es mehr als 50 Meter, erklärt Klimaforscherin Ricarda Winkelmann vom PIK.
Rockström unterteilt in der Dokumentation die jeweiligen planetaren Grenzen in drei Zonen: der sicheren Zone, der Gefahrenzone und der Hochrisikozone. Bei der Belastungsgrenze des Erdklimas haben die Menschen bereits die erste Grenze überschritten: Sie befinden sich in der Gefahrenzone. Zwar bestehe in der Gefahrenzone noch die Möglichkeit, wieder in die sichere Zone zurückzukehren. In diesem Fall würde das bedeuten: das Abbremsen der Erderwärmung durch ein radikales Absenken der Treibhausgasemissionen. Gelinge das nicht, würden wir Menschen auf die Hochrisikozone zusteuern. Große Waldbrände wie in Australien wären dann weltweit keine Seltenheit mehr.
Die Klima-Belastungsgrenze ist nur eine von insgesamt neun planetaren Grenzen, die in „Breaking Boundaries“ von Attenborough und Rockström aufgezeigt werden. Weitere planetare Grenzen sind die Biodiversität, der Aerosolgehalt in der Atmosphäre, die Süßwassernutzung, der Landnutzungswandel, die Ozonschicht, die Zufuhr von Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff, die Versauerung der Ozeane und menschengemachte Schadstoffe wie Atommüll, Schwermetalle, Mikroplastik.
68 Prozent der Wildtierpopulation ist ausgerottet
Bei der planetaren Grenze der Biodiversität kommt Anne Larigauderie zu Wort, Chefin des Weltbiodiversitätsrats. In nur 50 Jahren habe die Menschheit 68 Prozent der globalen Wildtierpopulation ausgerottet, erklärt sie.
bedrohe letztendlich auch das Leben der Menschen.
Es sei schwierig, die planetare Belastungsgrenze der Biodiversität genau zu bestimmen, da man noch längst nicht alle Tier- und Pflanzenarten kenne. „Eines ist aber sicher. Wir haben die planetare Grenze der Biodiversität bereits weit überschritten“, so Rockström. Was den Artenverlust und die Zerstörung der Ökosysteme betreffe, sei man schon längst nicht mehr nur in der Gefahrenzone, sondern bereits im Hochrisikobereich. Das Fazit: Das Artensterben müsse sofort gestoppt werden.
Internationaler Tag der ArtenvielfaltExperte: „Das Artensterben wird auch unseren eigenen Wohlstand gefährden“
Insgesamt haben die Menschen nach Aussagen der Wissenschaftler bereits vier der neun planetaren Grenzen überschritten: die Grenze der Erderwärmung, die des Waldverlustes, die Zufuhr von Stickstoff und Phosphor und die Biodiversität. Mit der Überschreitung der Grenzen werden weitere Kipppunkte aktiviert, mit irreversiblen Folgen.
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Rockström gelingt es in „Breaking Boundaries“, die einzelnen planetaren Grenzen nicht nur mit vielen Fakten und Studienergebnissen zu erklären. Mithilfe von Grafiken und anschaulichen Beispielen werden die Grenzen und die Dramatik der Überschreitung der Grenzen den Zuschauern verständlich gemacht. Die zentrale Botschaft des Films: Nur ein stabiler Planet kann die Zukunft der Menschheit sichern.
Im Mittelpunkt der Dokumentation steht Rockström mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Immer wieder werden dabei Ereignisse aus seinem Leben erzählt, die ihn privat und als Wissenschaftler geprägt haben. So berichtet er etwa, dass er als Kind viel Zeit mit seinen Freunden auf einer Ostseeinsel verbrachte und angeln war. Sie konnten Dorsche sogar mit der Hand fangen, da es so viele Fische in der Ostsee gab. Heute gebe es kaum noch Dorsche. Das liege zum einen an der Überfischung, aber auch an Düngemitteln, die in die Flüsse und damit auch in die Ostsee gelangen. Kein Meer sei so stark verschmutzt wie die Ostsee, so Rockström. „Wenn das in allen Meeren passiert, verliert der Planet immer mehr seine Resilienz.“
Covid-19 ist nur ein Vorbote für weitere Pandemien
Der PIK-Direktor geht in dem Film auch auf die Corona-Pandemie ein. Diese zeige, wie schnell ein Virus nicht nur das Leben der Menschen, sondern die gesamte Weltwirtschaft gefährden kann. Dabei ist Covid-19 nur ein Vorbote für weitere Pandemien.
Grund ist in erster Linie die fortschreitende Zerstörung der Lebensräume von Wildtieren. Ein Überspringen der Krankheitserreger von Tier auf Mensch wird so immer wahrscheinlicher. Würden die Menschen die Lebensräume hingegen schützen, könnten auch Pandemien verhindert werden. „Pandemien entstehen nicht in einer gesunden Natur“, erklärt Rockström.
Covid-19 sei eine klare Warnung, dass es dem Planeten nicht gut gehe. „Vielleicht lernen wir aber daraus, eine neue Richtung einzuschlagen. Es ist machbar“, so Naturforscher Attenborough. Noch gebe es die Möglichkeit in die sichere Zone zurückzukehren und die Erde in den grünen Bereich zu bringen. Man müsse dafür das gesamte Wachstumsmodell auf Nachhaltigkeit ausrichten, sagt Rockström. Das bedeute unter anderem, dass der CO2-Ausstoß auf Null gebracht werden müsse, um eine möglichst niedrige globale Temperatur zu erreichen.
Globale ErwärmungKlimawandel: So werden wir im Jahr 2050 leben
Stoßen wir weiter jedes Jahr 40 Milliarden Tonnen CO2 aus, werde unser CO2-Kredit in sieben Jahren erschöpft sein. Würde man in den kommenden 30 Jahren keine fossilen Brennstoffe mehr nutzen, würde uns das in den sicheren Bereich von mehreren planetaren Grenzen bringen: Die Luftverschmutzung ginge zurück, die Versauerung der Ozeane würde sich verlangsamen, auch die Artenvielfalt würde nicht mehr so unter Druck stehen. Ein weiterer Vorschlag Rockströms: die Aufforstung. Denn Bäume binden Kohlenstoff und verhindern zudem Bodenerosionen. Auch eine Kreislaufwirtschaft müsse etabliert werden. Das heißt: Produkte sollen so gestaltet werden, dass alle Materialien wiederverwendet werden können. Der PIK-Direktor adressiert in der Dokumentation ganz klar die politischen Entscheidungsträger, aber auch jeden einzelnen Verbraucher.
„Breaking Boundaries“ stellt so nicht nur die Dramatik der aktuellen Lage dar, sondern zeigt auch Lösungen auf und gibt Hoffnung, dass wir das Überschreiten einiger Kipppunkte noch verhindern können. „Unser Handeln in diesem Jahrzehnt wird über die Zukunft der Menschheit entscheiden“, so Rockström. „Das Zeitfenster ist offen. Noch hat die Menschheit eine Zukunft. Das ist das großartige an unserer Zeit.“
Breaking Boundaries: Die Wissenschaft hinter “Unser Planet”
Der Dokumentarfilm zeigt, welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen, um die Erde zu bewahren.
Das passiert in “Breaking Boundaries: Die Wissenschaft hinter “Unser Planet””
David Attenborough und die Filmemacher von “Unser Planet” und “David Attenborough: Mein Leben auf unserem Planeten” haben sich erneut zusammengetan. In dieser Dokumentation werden die wissenschaftlichen Hintergründe der Serien erläutert. “Breaking Boundaries” berichtet über die Erkenntnisse von Professor Johan Rockström. Es wird der Frage nachgegangen, wie es dazu kam, dass der Mensch die Erde über ihre Grenzen hinaus belastet.
So kannst du “Breaking Boundaries: Die Wissenschaft hinter “Unser Planet”” streamen:
In unserem Film und Seriendetails erfährst du, bei welchem Streamingdienst du “Breaking Boundaries: Die Wissenschaft hinter “Unser Planet”” streamen bzw. online anschauen kannst. Mit einem Klick kommst du direkt zum Anbieter. Jetzt streamen
Verschickt: So, 13. Jun. 2021 13:01 Betreff: Leserbrief Haus des Wissens
Hallo ich bitte um Veröffentlichung. Leserbrief zu WAZ+ vom 10.06.21:
Haus des Wissens: Benötigt Bochums ‘Leuchtturm’ neuen Namen
Kennen Herr Sporer und Frau Freis das Gebäude und den Unterschied zwischen Klimaschutz – also der Minderung des Ausstoßes von Treibhausgasen – und Maßnahmen zur Anpassung an die negativen Folgen des Klimawandels nicht?
Wie kommen sie zu der Aussage: der „Garten auf dem Dach leistet mehr als eine Photovoltaikanlage“? Die Bäume reduzieren nicht die CO2-Emissionen, da das CO2, welches sie während der Wachstumsphase aufnehmen in der Absterbephase wieder freisetzen.
Da weltweit – und das gilt leider auch für Bochum – die Biomasse der Bäume stark abnimmt, setzen Bäume in der Summe zur Zeit sogar CO2 frei. Die Bäume leisten wohl kaum einen wichtigen, sondern nur einen kleinen Beitrag zur Kühlung der Innenstadt, wohl aber zur Kühlung der Dachterrasse – vorausgesetzt sie werden entsprechend gepflegt.
Das dies nicht per se vorausgesetzt werden kann zeigt der Baumbestand auf dem Husemannplatz.
Ein Verzicht auf Photovoltaik ist ein Unding. Diesen Verzicht können wir uns nicht leisten, nur weil das Geschmacksempfinden des Architekten durch Photovoltaikmodule an dieser Stelle gestört würde.
Wenn die Platinplakette der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen angestrebt wird muss man schon konsequent alle Möglichkeiten des Klimaschutzes nutzen und Angesichts des vor zwei Jahren vom Rat der Stadt beschlossenen Klimanotstandes erst recht.
Das Bochumer Klimaschutzbündnis bemüht sich seit mehr als zwei Wochen vergeblich um nähere Informationen zur Vorentwurfsplanung.
Mögliche Impressionen vom Haus des Wissens aus der Sicht , “So sieht der Vorentwurf der Architekten Cross Architecture Aachen/Köln aus” auf der Waz online, hier
(11.06.21 , von taz.de , Original : hier , interessanter Artikel der Wissenschaftsseite der taz zur Bedeutung von Bäumen für das Stadtklima)
Begrünung kann eine Landschaft um bis zu 20 Grad runterkühlen, sagt eine Studie. Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem Wald zu.
Wasser kühlt – das wissen wir alle. Und dennoch wird dieser Umstand in der Klimadebatte massiv unterschätzt. Viele glauben, es reiche, den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu reduzieren. Dabei sind die Dinge viel komplexer, denn es gibt weitere, biophysikalisch sehr unterschiedlich wirkende Treibhausgase, wozu auch Wasserdampf gehört.
Der Übergang von flüssigem Wasser zu Wasserdampf sorgt erdnah für Verdunstungskühlung
Bis vor Kurzem war Wasserknappheit in Deutschland undenkbar. Doch mehrere Dürresommer in Folge ließen Unterböden in der Tiefe von 1,80 Metern so austrocknen, dass im Harz und anderswo der Wald stirbt. … Angesichts sinkender Grundwasserpegel warnte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sogar schon vor längerfristig drohender Knappheit von Trinkwasser.
Wie erklärt sich der Wassermangel im regenreichen Deutschland? Meteorolog:innen sagen, die früher beginnende Vegetationsperiode verbrauche das Wasser im Boden schneller, so dass es im Sommer fehlt. Aber neue Studien liefern wichtige Hinweise darauf, dass auch Abholzungen und Versiegelungen enorm zur Zerstörung der großen und kleinen Wasserkreisläufe beitragen.
Wenn die Sonne auf eine begrünte Fläche scheint, nutzen die Pflanzen über 70 Prozent der Sonnenenergie für die Verdunstung („Transpiration“). Ist die Fläche nackt, spricht man von „Evaporation“. Pflanzen nehmen Wasser als Transportmittel für Nährstoffe und Kühlmittel über ihre Wurzeln auf und geben es über die Spaltöffnungen ihrer Blätter an ihre Umgebung ab. Der Übergang von flüssigem Wasser zu Wasserdampf sorgt erdnah für Verdunstungskühlung, während die dabei „verbrauchte“ Energie als „latente Wärme“ in die Atmosphäre hochsteigt. Pflanzen leisten also einen entscheidenden Beitrag zum Transfer von bodennaher Wärme und zur Kühlung des Planeten.
Städte werden im Sommer zu Hitzeinseln
An einem Sonnentag kann ein einziger Baum mehrere 100 Liter Wasser transpirieren und seine Umgebung mit 70 Kilowattstunden pro 100 Liter kühlen, was der Leistung von zwei 24 Stunden lang laufenden Klimaanlagen entspricht. In Tschechien wurden laut einer Studie in Ecological Engineering an einem Sommertag in einem Wald 28 Grad gemessen, während die Temperaturen auf einem abgeernteten Feld 42 Grad und über Asphalt 49 Grad betrugen. Da Städte meist viel Asphalt und wenig Grün haben, werden sie im Sommer zu Hitzeinseln. Auch nackte Erde erhitzt sich schnell.
Stefan Schwarzer ist Mitarbeiter der UN-Umweltorganisation UNEP und hat dort einen wissenschaftlichen Artikel mit ähnlichem Tenor veröffentlicht. Zusammen mit Ute Scheub schrieb er 2017 „Die Humusrevolution – wie wir den Boden retten, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen“.
Fast die Hälfte der Niederschläge über den Kontinenten entsteht durch Verdunstungsprozesse über dem Land, davon 60 bis 80 Prozent aus der Transpiration von Pflanzen. Das bedeutet, dass globale Landnutzungsänderungen Wasser- und Energieströme verändern und somit enormen Einfluss auf das Klima haben. Schwindende Wälder und nackte Böden führen zu höheren Bodentemperaturen, weniger Niederschlag und längeren Trockenzeiten. Eine Studie in Nature fand heraus: Luftmassen, die über kahle Gebiete ziehen, produzieren um die Hälfte weniger Regen als Luftmassen über stark bewachsenen Flächen.
Vermehrt ab 1950 wurden weltweit Wälder in Äcker und versiegelte Flächen umgewandelt. In Indien veränderte sich das Muster des Monsuns parallel zur Entwaldung. Auf Borneo führen die Abholzungen des Urwalds für Palmölplantagen zu signifikant weniger Regen. Global reduziert sich die Verdunstung seit 1950 jährlich um etwa 5 Prozent, was die Durchschnitts-Temperatur um 0,3 Grad erhöhte. Allein die jetzige Abholzungsrate der Tropenwälder könnte bis 2100 für eine Klimaerhitzung um 1,5 Grad sorgen.
Wälder produzieren ihren Regen selbst
Zudem scheinen große Wälder biochemische Reaktoren zu sein: Sie lassen Bakterien, Pilzsporen und Pollen in die Luft steigen, wo diese als Kondensationskerne für Wolken und Niederschläge dienen. Und sie senken die Gefriertemperatur von Eiskernen, was Wolkenbildung und lokalen Regen begünstigt. Wälder produzieren somit ihren Regen selbst. Sie dienen womöglich auch als Wind- und Wettermacher, als „biotische Pumpe“, die das Nass rund um die Erde transportiert, sagt die russische Klimaforscherin Anastassia Makarieva.
Millionen von Bäumen erzeugen in Form von Wolken riesige Wasserflüsse in der Luft, die „fliegenden Flüsse“. Der von Bäumen erzeugte Wasserdampf kann dabei in 8 bis 10 Tagen etwa 500 bis 5.000 Kilometer zurücklegen. Die über Eurasien aufsteigende Feuchtigkeit beeinflusst wesentlich das Wetter und die Wasserressourcen in China. Die Feuchte über Ostafrika ist Miterzeuger der Niederschläge im Kongobecken. Der westafrikanische Regenwald sorgt für Wasser im Nil. Und das Amazonasgebiet lässt Regen über dem Nordwesten der USA und Südamerika entstehen. Entwaldung führt auch zu stärkeren Aufwinden und höheren Wolken, die Niederschläge geringerer Menge, aber stärkerer Intensität produzieren.
Wenn Pflanzen und Bäume so existenziell wichtig sind für das lokale, regionale und globale Klima, dann beinhaltet das aber auch positive Nachrichten. Erstens: Klimaschutz durch Wiederbegrünung ist hochwirksam. Konkret bedeutet das, Entwaldung auf allen Ebenen zu stoppen und Wiederaufforstung zu erhöhen.
Hecken und Blühstreifen als Pflicht
Auch die Landwirtschaft sollte auf regenerative Praktiken umgestellt werden: Der Boden sollte mit Mulch, Zwischenfrüchten und Untersaaten immer bedeckt und begrünt werden. Ausgeräumte Agrarlandschaften wie in den jetzt von Wasserknappheit bedrohten östlichen Bundesländern sollte es nicht länger geben. Hecken, Baum- und Blühstreifen sollten zur Pflicht gemacht werden, damit die Feuchte im Boden erhalten, von den Pflanzen transpiriert und damit wieder zu Niederschlag umgewandelt werden kann.
Waldumbau und Wasserrückhaltung sollten gefördert werden. Ebenso Agroforstsysteme, wie es jetzt auch ein Bundestagsbeschluss vom Januar 2021 vorsieht. All diese Maßnahmen sorgen für mehr Wasser im kleinen Verdunstungskreislauf und sind deshalb weit wirksamer als Wassersparen.
Zweitens: Stadtregierungen und zivilgesellschaftliche Gruppen können sehr viel tun. Berlin, Hamburg und andere Metropolen haben begonnen, sich in „Schwammstädte“ zu verwandeln, auch wenn das Umsetzungstempo noch zu wünschen übrig lässt. Das Konzept beinhaltet, kostbaren Regen nicht länger in die Kanalisation zu leiten, sondern aufzufangen – mittels Flächenentsiegelungen, Regenspeichern, Ausweitung von Parks und Grünflächen, flutbaren Plätzen oder Mulden unter jedem einzelnen Stadtbaum.
Häuser könnten mit Gründächern und Grünfassaden ausgestattet, Terrassen mit Pergolas gekühlt werden. Urbane Gärtner:innen könnten auf jeder Brache dafür sorgen, dass sie begrünt und begärtnert wird. Kleine Gruppen können zwar nicht für eine messbare CO2-Absenkung sorgen, aber für eine deutliche Abkühlung des lokalen Klimas. Das heißt: weniger Hitzetote, mehr Gesundheit, mehr Wohlbefinden. Jede einzelne Pflanze und jeder einzelne Baum zählt!
Drittens: Wenn die „fliegenden Flüsse“ Eurasiens etwa das Wetter von China mitbestimmen, bedeutet das eine ganz neue Perspektive für die Weltgesellschaft: Internationale Klimakooperation wird zum Muss. Jeder Staat ist von jedem anderen abhängig, jeder wird zum Sender und Empfänger von Feuchte und Kühle.
(09.06.21 , Wissenschaftliches Institut der AOK , Original : hier )
Der Report geht der Frage nach, welche Auswirkungen der Klimawandel auf unsere Gesundheit hat und welche Konsequenzen sich daraus für die medizinische Versorgung in Deutschland ergeben. Dabei bringt er die unterschiedlichen Perspektiven von Umweltepidemiologen, Medizinern und Gesundheitspolitikern zusammen. Expertinnen und Experten analysieren in insgesamt 16 Fachbeiträgen den Einfluss des Klimawandels auf Erkrankungshäufigkeiten, gefährdete Bevölkerungsgruppen und Infrastrukturen der Gesundheitsversorgung.
Der Report verfolgt das Ziel, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse für die Versorgungspraxis aufzubereiten und so zu einer stärkeren Sensibilisierung für die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels in der Gesellschaft beizutragen. Dargelegt werden:
klimawissenschaftliche Grundlagen und Gesundheitsfolgen der Klimaveränderungen
versorgungsbezogene Analysen zu bedeutsamen Gesundheitsrisiken und Präventionsempfehlungen
Verhalten der Bevölkerung auf Basis einer aktuellen deutschlandweiten Befragung
Anpassungsbedarf auf infrastrukturell-organisatorischer Ebene
Der Teil „Daten und Analysen“ informiert umfassend über die Häufigkeit von Erkrankungen und Behandlungen in Deutschland.
Klimawandel und gesundheit: wissenschaftliche Erkenntnisse und Prognosen
Handlungsbedarfe für die Gesundheitsversorgung
Präventionsverhalten und gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Teil I Grundlagen und die globale Bedeutung des Klimawandels für die Gesundheit
1
Der anthropogene Klimawandel und seine Folgen: Wie sich Umwelt- und Lebensbedingungen in Deutschland verändern
Veronika Huber2
Klimawandel und Gesundheit aus globaler Perspektive – eine Übersicht über Risiken und Nebenwirkungen
Alina Herrmann und Ina Danquah
Teil II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen für die medizinische Versorgung in Deutschland
3
Der Einfluss von Temperatur auf die Mortalität
Elke Hertig und Alexandra Schneider4
Der Einfluss des Klimawandels auf das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Handlungsansätze und die besonderen Herausforderungen durch Arzneimittelwechselwirkungen
Bernhard Kuch5
Individuelle und regionale Risikofaktoren für hitzebedingte Hospitalisierungen der über 65-Jährigen in Deutschland
Hannah Klauber und Nicolas Koch6
Hitzewellen: neue Herausforderungen für die medizinische Versorgung von älteren Menschen
Clemens Becker, Jochen Klenk, Julia Frankenhauser-Mannuß, Ulrich Lindemann und Kilian Rapp7
Hitzebelastungen im Arbeitssetting: die Sicht der Arbeitsmedizin
Julia Schoierer, Hanna Mertes, Katharina Deering, Stephan Böse-O’Reilly und Caroline Quartucci8
Interaktion von Temperatur und Luftschadstoffen: Einfluss auf Morbidität und Mortalität
Susanne Breitner, Regina Pickford und Alexandra Schneider9
Klimawandelbedingte Veränderungen in der UV-Exposition: Herausforderungen für die Prävention UV-bedingter Hauterkrankungen
Jobst Augustin, Brigitte Stephan und Matthias Augustin10
Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen
Alika Ludwig, Daniela Bayr, Melanie Pawlitzki und Claudia Traidl-Hoffmann11
Der Einfluss des Klimawandels auf die Ausbreitung von Infektionskrankheiten – am Beispiel der Lyme-Borreliose
Martín Lotto-Batista, Christiane Behrens und Stefanie Castell12
Klimawandel und Gesundheit: Welche Rolle spielt der Klimawandel im Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung? Ergebnisse einer deutschlandweiten Bevölkerungsbefragung
Caroline Schmuker, Bernt-Peter Robra, Kai Kolpatzik, Klaus Zok und Jürgen Klauber13
Gut für das Klima, gut für die Gesundheit: Perspektiven für individuelle Verhaltensänderungen
Timothy McCall, Tatjana P. Liedtke, Claudia Hornberg und Michaela Liebig-Gonglach
Teil III Strukturelle und organisatorische Anpassungen an den Klimawandel
14
Notwendige Anpassungen in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung aufgrund hitzebedingter Dehydrationsrisiken
Stephanie Krebs, Anna Larina Lietz und Martina Hasseler15
Klimasensible Stadtplanung und Stadtentwicklung
Judith Schröder und Susanne Moebus16
Den Klimawandel bewältigen: Herausforderungen an die institutionelle Organisation des Gesundheitswesens
Ingo Bode
Teil IV Daten und Analysen
17
Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme des Gesundheitswesens
Caroline Schmuker, Ghassan Beydoun und Christian Günster
(07.06.21, WAZ.de , Tobias Blasius , Original : hier — Leserbrief s. unten)
Düsseldorf Aktivisten können immer wieder gesicherte Gebäude im Düsseldorfer Regierungsviertel besetzen, so auch am Montag. Das hat jetzt ein Nachspiel.
… Am Montag konnten erneut mehrere Aktivisten auf das Hauptportal des eigentlich besonders geschützten NRW-Innenministeriums klettern und dort ein Transparent enthüllen mit der Aufschrift: ‟Stoppt die Klimakrise, nicht den Protest.”
Erst ein Großaufgebaut der Polizei zeigte sich in der Lage, den Protest nach mehr als einer halben Stunde zu beenden. ….
Eigentlich sollte der Objektschutz verdoppelt werden
Es ist nicht der erste Einsatz dieser Art. Immer wieder war es Extinction Rebellion zuletzt gelungen, mit der bloßen Ankündigung von Aktionen in den Sozialen Netzwerken die Polizei in Düsseldorf auf Trab zu halten. Im Landtag ist bereits von einem ‟peinlichen Katz- und Maus-Spiel” die Rede. Es könne nicht sein, dass die Landesregierung allerorten ihre ‟Null-Toleranz-Strategie” rühme, aber im Zentrum der NRW-Demokratie permanent von ein paar jungen Leuten vorgeführt werde.
… Damals war es einer größeren Formation von Extinction Rebellion gelungen, ungehindert einen bunten Wohnwagen bis direkt vor das Hauptportal des Parlaments zu schieben. Einige Umweltaktivisten kletterten mühelos die Landtagsfassade hoch und befestigten ein Banner. Andere ketteten sich an eine mitgebrachte Windrad-Attrappe.
Landtagspräsident sieht eine gefährliche Entwicklung
Wie aus einem in den Sozialen Netzwerken veröffentlichten Video von Extinction Rebellion hervorgeht, waren die Objektschützer offenbar nicht durchgehend auf dem Posten. Die Aktivisten konnten in Ruhe vor dem Parlamentsgebäude mit Fotografen-Begleitung Position beziehen. Erst nach Stunden war die Ordnung auf dem Landtagsvorplatz wieder hergestellt.
…
(Tip von Petra)
Leserbrief :
Betreff: Führen Umweltaktivisten NRW vor? – Ist das wirklich die Frage?
Die Fragen, die hier meiner Meinung nach zu stellen sind, WARUM? und WOZU?
Fangen wir mit dem “Warum” an: Nachdem 1984 der Club of Rome erstmals auf die Auswirkungen des ungebremsten Ressourcenverbrauchs hingewiesen hat, haben seitdem viele tausend Wissenschaftler den Klimawandel bestätigt. Jahrzehntelang wurde friedlich demonstriert und Petitionen unterschrieben, und wo stehen wir heute?
2018 hat der Weltklimarat in einem Sonderbericht erklärt, dass wir noch 420 Gigatonnen CO2 emittieren können, um das 1,5°C Ziel zu erreichen. Im gleichen Jahr wurden 42 Gigatonnen verbrannt. Bei gleichbleibenden Emissionen haben wir das vorgegebene Kontingent 2028 verbraucht!!!Haben wir seitdem irgendwas unternommen, um den CO2 Ausstoß einzudämmen? Ach ja wir hatten CORONA, und damit den Lockdown!
Jetzt zur Frage “Wozu“: Es brennt, die Zeit läuft uns davon! Es ist der verzweifelte Versuch von FFF und auch von Extinction Rebellion, u.a. Klimagerechtigkeitsbewegungen, -in gewaltfreien und friedlichen Protesten und/oder Aktionen des zivilen Ungehorsams die Politik und die Medien wachzurütteln! z.B. waren Deutschlands CO2 Emissionen pro Kopf höher als in China!
Die pro Kopf Emissionen waren in Deuschland mit 9,6t ( China 7,6t ) pro Jahr doppelt so hoch wie der internationale Durchschnitt mit 4,8t CO2. Wann wird die Politik und die Medien endlich aufwachen und den drohenden Klimakollaps und das massive Artensterben endlich ernst nehmen, angesichts der ungebremsten Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und der existenziellen Zerstörung allen Lebens auf unserem Planeten.
Wann nehmen sie Ihren Autrag zur journalistischen Aufklärung endlich ernst und berichten zum Wohl und Erhalt der Menschen und ihrer Lebensgrundlagen anstatt dagegen zu polemisieren, oder von den entscheidenden zukunftsfördernden Inhalten und Fragen abzulenken, indem sie die Empörung auf Nebenschauplätze lenken.
Hipster-Bashing, das Aufräumen mit Nachhaltigkeitsmythen und ganz viel Pragmatik stehen im Vordergrund bei drei Buchveröffentlichungen zum Thema Ernährung und ökologischer Fußabdruck. Konsens herrscht mittlerweile in der Frage, ob nun Konsumierende, Wirtschaft oder Politik die Verantwortung fürs Klima tragen.
Mike Berners-Lee ist britischer Ökologieprofessor, dabei Experte für den ökologischen Fußabdruck – und nicht zu verwechseln mit seinem Bruder, dem HTML-Erfinder Tim Berners-Lee. Sein Buch heißt „Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem“. David Höner ist ein Schweizer Koch, Entwicklungshelfer und Ernährungsaktivist. Er lebt in Ecuador, wo er unter anderem Avocados im privaten Garten anbaut, und hat nun mit „Köche, hört die Signale“ ein „kulinarisches Manifest“ verfasst. Und Cornelia Diesenreiter hat das Buch „Nachhaltigkeit gibt’s nicht“ geschrieben und führt ein Geschäft auf dem Wiener Schwendermarkt, wo gerettete Lebensmittel zu allerlei möglichst nachhaltigen Produkten weiterverarbeitet werden.
„Möglichst nachhaltig“ – das führt bereits zum Kern der Problematik. Diesenreiter erklärt das anhand einer Marmelade. Damit die ökobewusste Käuferschaft zugreift, muss die Unternehmerin den Sechserpack in einer Schachtel aus recyceltem Karton verkaufen. Als studierte Expertin für Umwelt- und Bioressourcenmanagement weiß sie: Der Karton hat einen sechsmal größeren ökologischen Fußabdruck als eine dünne Plastikfolie. Bei Nachhaltigkeit geht es allzu oft nur ums Image – das von Produkten, aber auch das eigene.
Hipster vs. Klimawandelleugner
Berners-Lee, Höner und Diesenreiter haben einen gemeinsamen Feind: Das Mittelklasse-Hipstertum in seiner Bobo-Variante. Da wird in den Urlaub geflogen, mit dem SUV zum Zweitwohnsitz gefahren, aber das Ökoimage richten Jutesackerln und fair gehandelter Biokaffee aus der Rösterei ums Eck genauso wie das vor sich hergetragene Angeekelt-Sein von den Klimawandelleugnern in den billigen Vorstadtbezirken. Dabei sind es gerade ärmere Menschen, die einen viel kleineren ökologischen Fußabdruck haben, erklärt Diesenreiter im Interview – eben mangels SUV und weil sie nicht mit dem Flugzeug regelmäßig ans andere Ende der Welt fliegen.
Ums Image geht es auch den Unternehmen, und allzu oft nicht um Nachhaltigkeit. Diesenreiter führt als Beispiel die Kennzeichnung „ohne Palmöl“ an. Viele Produzenten hätten auf Kokosöl umgestellt, weil Palmöl nicht mehr opportun sei. Für Kokosöl muss eineinhalbmal so viel Regenwaldfläche gerodet werden wie für dieselbe Menge Palmöl. Hier hakt der Koch Höner ein: Wer vegan ist und dann Butter aus Kokosöl isst, tut der Umwelt nichts Gutes.
Heikle Frage Fleischkonsum
Berners-Lee vergleicht das mit jenen, die als Vegetarier oder Vegane Fleisch weglassen und durch eingeflogenes Gemüse ersetzen. Wobei er Obst und Gemüse, etwa Bananen und Orangen, die mit dem Schiff kommen, als recht unproblematisch einstuft. In seinem Buch finden sich detaillierte Fußabdrucktabellen mit Erklärungen zu den unterschiedlichsten Produkten. Diesenreiter sagt auch, dass es immer noch besser sei, tierische Lebensmittel zu essen als vegane Produkte, die nur noch aus Chemie bestehen.
David Höner: Köche, hört die Signale. Ein kulinarisches Manifest. Westend, 175 Seiten, 18,50 Euro.
Mike Berners-Lee: Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem. Midas, 278 Seiten, 22,70 Euro.
Also doch zurück zum bedenkenlosen Fleischkonsum und zu Milchprodukten? Dem widersprechen sowohl Berners-Lee als auch Höner und Diesenreiter. Nur soll man beim Ersatz nicht auf Greenwashing und Ökomythen hereinfallen. Warum Fleischkonsum trotzdem ineffizient und dadurch unökologisch ist, erklärt Berners-Lee in einfach verständlichen Worten: 100 Gramm Sojabohnen enthalten mehr Eiweiß und Vitamin A als 100 Gramm Rindfleisch.
Man könne die 100 Gramm Sojabohnen selbst essen. Verfüttere man sie an ein Rind, erhalte man dafür zehn Gramm Rindfleisch, weil das Rind selbst einen Großteil der Energie der Sojabohnen verbrauche. Zehn Gramm Rindfleisch seien erst recht nährstoffärmer als 100 Gramm Sojabohnen. Man mache also ein riesiges Verlustgeschäft. Noch dazu würden Rinder durch ihre Verdauung viel CO2 ausstoßen. Wie man es auch drehe und wende, die Ökobilanz von Fleisch und Milchprodukten sei nicht gut.
Good News statt Apokalypsengezeter
Aber, und auch hier sind sich alle drei einig: Es bringt nichts, wenn das Thema Nachhaltigkeit rein aus dem Negativen heraus gedacht wird. Predigt man Selbstkasteiung, Verzicht und die Angst vor der ganz bald drohenden Apokalypse, bringt das ähnlich viel wie das Leugnen der Klimakrise. Berners-Lee sagt, er ist jetzt optimistischer als noch vor zehn Jahren, weil der Mainstream der Menschen jetzt endlich aufgewacht sei.
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„Los Leute, wir haben’s in der Hand“
Auch Höner setzt auf Signale des Aufbruchs. Sein Motto: „Los Leute, wir haben’s in der Hand!“ Aber liegt die Verantwortung überhaupt in unserer Hand? Oft hört man in Debatten, dass es nicht an der Konsumentenschaft liegen dürfe zu entscheiden, ob nachhaltige Produktion forciert werde oder nicht. Da sei die Politik am Zug, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen.
Einig sind sich Diesenreiter, Höner und Berners-Lee, dass niemand ohnehin schon finanziell benachteiligte Menschen zwingen könne oder solle, zu deutlich teureren Ökoprodukten zu greifen. Wer es sich leisten könne, solle aber seinen Beitrag leisten. Und Politik und Unternehmen seien gleichermaßen für nachhaltigen Fortschritt verantwortlich und müssten dafür sorgen, dass Ökoprodukte eben nicht mehr teurer seien.
Der Dreischritt der Nachhaltigkeit
Dabei geht es um Innovationen, Regionalität und Effizienz. Problematisch findet Diesenreiter hingegen Förderungen für Ökoprodukte – Förderungen, die durch Steuern finanziert werden, die auf Produkte eingehoben werden, deren Herstellung und Transport der Umwelt schadeten. Sprich: Wenn ökologische Produktionsweise von unökologischer abhänge, beiße sich die Katze in den Schwanz. Soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit müssen Hand in Hand gehen, sind sich Diesenreiter, Höner und Berners-Lee einig.
Marie-Therese Mürling und Alice Pfitzner (Recherchen und Video), beide ORF TV Kultur, Simon Hadler (Text), ORF.at
(05.06.21 , neue Züricher Zeitung , Original : hier )
Weltweit transformiert tauender Permafrost die Erdoberfläche. In den Alpen rechnen Forscher mit Felsstürzen und Muren; in der Tundra entstehen Seen, Häuser bekommen Risse. Die Ungewissheit, wie schnell das weitergeht, ist noch sehr gross. (Sven Titz)
Der Spitze Stein, eine Felsnase oberhalb von Kandersteg im Kanton Bern, droht zu zerbrechen. 20 Millionen Kubikmeter Gestein seien in dem Gebiet in Bewegung, sagt Nils Hählen, der Leiter der Abteilung Naturgefahren im Kanton Bern. Kleinere Rutschungen seien am Spitzen Stein ebenso möglich wie Felsstürze und grosse Bergstürze.
Bohrungen in steilem Gelände
Wie gravierend, wie verbreitet ist dieses Problem? Antworten können Forscher geben, die seit vielen Jahren verfolgen, wie der Permafrost im Hochgebirge auftaut. Seit 2000 werden die Veränderungen in den Schweizer Alpen vom Permafrost-Überwachungs-Netzwerk «Permos» beobachtet. Eine wichtige Messstation wurde aber schon 1988 unterhalb des Piz Corvatsch im Engadin eingerichtet.
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Eine Frage des Eisgehalts
In welchen Gebieten der Schweizer Alpen Permafrost auftritt, haben die SLF-Mitarbeiter in einer Karte festgehalten. Wenig überraschend sind viele felsige Areale rings um die höchsten Gipfel ständig gefroren. Diesen «trockenen Permafrost» findet man regelmässig an Nordhängen oberhalb von 2400 Metern Höhe. Weil das Gestein nur wenig Eis enthält, taut er bei Erwärmung schnell auf. In die Spalten dringt Wasser ein. Der Wasserdruck vergrössert die Spalten – auf diese Weise beschleunigt sich die Erosion selbst.
Wenn die Tundra auftaut
Der Permafrost schwindet nicht nur in den Alpen. Auch in den unendlichen flachen Landschaften des hohen Nordens setzt ihm der Klimawandel zu. Noch besitzt ein Viertel der Landoberfläche auf der Nordhalbkugel – das sind 14 bis 16 Millionen Quadratkilometer – einen permanent gefrorenen Boden. Diese Fläche ist eineinhalb Mal so gross wie die von Europa.
Die grössten Permafrostregionen liegen in Russland und Kanada
Doch die gefrorenen Böden tauen in der Tundra immer häufiger auf. Forscher können das anhand von Temperaturmessungen gut dokumentieren: Der Permafrost in den Weiten von Alaska, Kanada und Sibirien werde seit ungefähr 70 Jahren mithilfe von Bohrlöchern überwacht, berichtet Vladimir Romanovsky von der University of Alaska Fairbanks.
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Einblick in die Klimageschichte
Die meisten Bohrungen sind nur wenige Meter tief. Einige wenige reichen aber 100 Meter und mehr hinab. Das Tiefenprofil der Messdaten aus solchen Löchern enthüllt die Klimageschichte der Region. Temperaturveränderungen an der Oberfläche – ganz gleich, ob Abkühlung oder Erwärmung – dringen im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte immer tiefer in den Boden ein. Die niedrigsten Temperaturen werden heute oft in mittleren Schichten gemessen, in zig Metern Tiefe. Dort ist die Kälte «gespeichert», die in früheren Jahrhunderten an der Oberfläche herrschte. Noch weiter unten macht sich dann die Wärme bemerkbar, die kontinuierlich aus dem Erdinneren aufsteigt.
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Schäden an der Infrastruktur
«In der Arktis leben fünf Millionen Menschen auf Permafrost-Böden», sagt Romanovsky. Für sie bedeutet das grosse Tauen einen fundamentalen Wandel ihrer Umwelt. Ob Wohnhäuser, die schief stehen, Strassen, die Risse bekommen, Schienen, die sich verformen oder Flughäfen und Industrieanlagen, die unbrauchbar werden: Vielerorts richten Bodenabsenkungen erhebliche Schäden an.
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Die Gefahr von Rückkopplungen
Klimaforscher befürchten, dass es im Anschluss an das Auftauen des Permafrosts zu einer Selbstverstärkung kommt – einer «positiven Rückkopplung»: Wo die Trockenheit zunimmt, könnten Waldbrände die Erwärmung der Böden noch beschleunigen. Aus den mit Schmelzwasser gefüllten Tümpeln könnten vermehrt die Treibhausgase CO2 und Methan entweichen. Solche Prozesse würden die globale Erwärmung zusätzlich anfachen. Doch neuere Studien zeichnen ein differenziertes Bild: Zwar nimmt die Freisetzung von Treibhausgasen zu, aber eine «Methanbombe», wie manche früher dachten, sind die auftauenden Landschaften denn wohl doch nicht.
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Szenarien mit Unsicherheiten
Die Ungewissheit sei aber noch sehr gross, sagt Romanovsky. Das liegt einerseits daran, dass man nicht genau weiss, welche Mengen an Treibhausgasen die Menschheit noch freisetzen wird, andererseits an Unsicherheiten in den Klimamodellen. Die Methoden, um die Entwicklung des Permafrosts vorauszuberechnen, sind noch lange nicht so ausgefuchst wie bei den Modellen zur Wettervorhersage. Im Extremfall könnte der grösste Teil der oberflächennahen Permafrostböden in der Tundra auftauen. Im optimistischsten Fall würden die meisten Areale bis 2100 überleben. Nur die südlichsten Randgebiete, wo der Schwund bereits begonnen hat, wären verloren.
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Wenn das Gestein ins Wanken gerät
Wo der Permafrost schwinde, würden vermutlich Felsstürze zunehmen, sagt Phillips. Doch es mangle noch an Daten. Gut dokumentiert seien nur grosse Bergstürze, da gebe es noch keinen Trend. Man sei auf direkte Beobachtungen angewiesen, etwa von Wanderführern, Bergrettern und Hüttenwirten. Nützlich sind auch Messungen des Erdbebendiensts, der heftige Gesteinsbewegungen in seinen Seismogrammen identifizieren kann. «Möglicherweise löst das tiefe Eindringen von Wasser in Gesteinsspalten, das durch Eisverluste ermöglicht wird, bald grössere Ereignisse aus», mutmasst Phillips. Wanderer sollten Augen und Ohren offen halten – gerade im Sommer.