(26.10.20 , aus spiegel.de , Original : hier , Auswertung des IPCC-Berichtes)
Der SPIEGEL-Klimabericht zeigt, wie der Klimawandel voranschreitet. Ständig aktuell, basierend auf dem etablierten Stand der Forschung und vollständig transparent. Lesen Sie hier alles über sein Zustandekommen.
Zu den größten Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel zählt das Auseinanderfallen von Ursache und Wirkung. Die Klimafolgen jeder einzelnen Entscheidung – sei es die Wahl des Verkehrsmittels auf dem Weg zur Arbeit, das Konsumverhalten, oder der gewählte Wohnort – werden nie direkt sichtbar. Dabei führt die Summe all dieser jetzt weltweit getroffenen Entscheidungen zu einer Veränderung des Klimas von morgen.
… Weltweit geht Primärwald verloren und das verbleibende CO2-Budget zur Einhaltung des 2-Grad-Ziels schwindet, während der Ökostromanteil wenigstens bereits andeutet, wie der Wandel zu einer nachhaltigeren Lebensweise aussehen könnte.
Der Klimabericht – Daten zur Lage des Planeten
… Welche Daten wir hierfür nutzen, wie wir einzelne Werte berechnen und wie oft sich die Angaben aktualisieren, ist hier dokumentiert:
Erderwärmung
Die dargestellte Temperaturdifferenz ist die Veränderung der globalen Durchschnittstemperatur (gemessen als Lufttemperatur in Bodennähe sowie Oberflächentemperatur der Wasserflächen) gegenüber der vorindustriellen Zeit. Die Angabe stammt aus dem Sonderbericht des Weltklimarats IPCC zur globalen Erwärmung aus dem Jahr 2018 (Zusammenfassung des Berichts).
Basierend auf historischen Beobachtungsdaten aus vier verschiedenen Peer-Review Publikationen wird im IPCC-Bericht für den Zeitraum 2006 bis 2015 eine Erderwärmung von +0,87 Grad (mit mindestens 66 Prozent Wahrscheinlichkeit zwischen +0,75 und +0,99 Grad) gegenüber der Periode 1850-1900 ermittelt.
In Kombination mit der aktuellen Geschwindigkeit der Erderwärmung von circa 0,2 Grad pro Jahrzehnt, ergibt sich für das Jahr 2020 als wahrscheinlichster Wert eine Erderwärmung von rund +1,1 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit (vollständiges Kapitel “Framing and Context” des IPCC-Sonderberichts, S. 56-59). Der dargestellte Wert ist fest in der Grafik hinterlegt und wird nur angepasst, falls sich Änderung am etablierten Stand der Forschung ergeben sollten.
Prinzipiell fällt die Erderwärmung über Landflächen höher aus als über dem Meer und so leben Menschen in zahlreichen Weltregionen bereits heute mit einem Temperaturanstieg von mehr als einem Grad. Dies gilt auch für Deutschland: Die Jahresmitteltemperatur ist bundesweit seit dem Jahr 1881 um wohl mindestens +1,6 Grad (linearer Trend auf Basis von DWD Temperatur-Zeitreihen), wenn nicht gar bereits +2,0 Grad angestiegen (nicht-linearer Trend, der die zunehmende Geschwindigkeit der Erderwärmung berücksichtigt. Mehr dazu hier).
Meeresspiegelanstieg
Die Grafik zeigt den durchschnittlichen globalen Meeresspielanstieg zum aktuellen Zeitpunkt gegenüber dem Jahr 1880. Als Grundlage dienen auch hier Angaben des IPCC, in diesem Fall aus dessen fünftem Sachstandsbericht (Arbeitsgruppe The Physical Science Basics,Kapitel Observations: Ocean, S. 285-287). Ihnen gefällt diese Art Journalismus?
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Basierend auf Daten von Gezeitenstationen weltweit wird darin für den Zeitraum 1880 bis 2009 ein durchschnittlicher globaler Meeresspiegelanstieg von 210 Millimetern berechnet (nach Church & White 2011). Die Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs hat sich in den vergangenen Jahrzehnten beschleunigt und wird für den Zeitraum von 1993 bis 2009 auf 3,2 Millimeter jährlich geschätzt. Satellitengestützte Beobachtungen liefern weitestgehend übereinstimmende Werte.
Für die Grafik berechnet wurde der Anstieg bis 2009 (210 Millimeter), plus ein jährlicher Anstieg von 3,2 Millimetern. Gerundet ergibt sich ein Meeresspiegelanstieg von 25 Zentimetern gegenüber dem Jahr 1880. Dieser Wert ist fest in der Grafik hinterlegt und wird nur angepasst, falls sich Änderungen am etablierten Stand der Forschung ergeben sollten.
Arktisches Meereis
Die Ausdehnung des arktischen Meereises ist jahreszeitlich bedingt starken Schwankungen unterworfen. Für den Klimabericht wird folglich ein Vergleich der derzeitigen Fläche des Meereises mit dem langjährigen Durchschnitt (1981-2010) für denselben Tag des Jahres angestellt. Beide dabei verwendeten Werte stammen vom National Snow & Ice Data Center (NSIDC), einer US-amerikanischen Forschungseinrichtung, die auf die Bereitstellung von Daten sowie die Kryosphärenforschung spezialisiert ist.
Das NSIDC veröffentlicht täglich Daten zur Ausdehnung von Meereisflächen weltweit, die mittels kontinuierlicher Satellitenbeobachtung gewonnen werden (genannt Sea Ice Index), sowie historische Referenzdaten. Für die Berechnung der Größenabweichung des arktischen Meereises gegenüber dem historischen Durchschnitt wird alle sechs Stunden automatisiert der neueste verfügbare Wert des Sea Ice Index abgerufen und mit dem arithmetischen Mittel für denselben Tag des Jahres aus der Periode 1981-2010 abgeglichen. Die ermittelte Differenz wird im Klimabericht als Prozentwert dargestellt.
Waldverlust
Statistiken zum Waldverlust weltweit sind oft mit großer Unsicherheit behaftet. Mittels Satellitenbeobachtung kann der Verlust von Waldflächen weltweit beobachtet werden. Weniger eindeutig ist allerdings die Erfassung der anschließenden Nutzung (findet eine Wiederaufforstung statt oder ist die Waldfläche dauerhaft verloren?).
Ökologisch besonders wertvoll sind Primärwälder, also ursprüngliche Waldflächen frei von menschlichen Eingriffen – auch “Urwälder” genannt. Sie weisen eine besonders große Biodiversität auf, speichern große Mengen CO2 und selbst eine Wiederaufforstung an derselben Stelle hätte ökologisch nicht denselben Wert.
Im Klimabericht dargestellt wird eine laufende Hochrechnung der Fläche an besonders wertvollem tropischen und subtropischen Primärwald, die derzeit weltweit verloren geht. Präzise tagesaktuelle Daten liegen hierfür nicht vor. Stattdessen wurde der durchschnittliche jährliche Flächenverlust dieser Wälder aus den Jahren 2001 bis 2018 (basierend auf Satellitenbeobachtungen, Auswertung durch Global Forest Watch) als Grundlage genommen. Die in diesem Zeitraum verloren gegangenen 60,5 Millionen Hektar entsprechen einem Flächenverlust von 0,149 Fußballfeldern pro Sekunde.
CO2-Budget
Durch menschliche Aktivitäten ausgestoßene Treibhausgase (zu rund 80 Prozent CO2) sind der Haupttreiber der Erderwärmung. Basierend auf diesem Zusammenhang lässt sich eine verbleibende Menge an CO2 berechnen, die die Menschheit noch ausstoßen darf, um die Erderwärmung auf einem bestimmten Maximalwert zu begrenzen. Das sogenannte CO2-Budget.
Für die Darstellung im Klimabericht wird das verbleibende CO2-Budget verwendet, um den Temperaturanstieg mit 67 Prozent Wahrscheinlichkeit auf maximal 2,0 Grad zu begrenzen (basierend auf Klimamodellrechnungen, die durchgehend mit Lufttemperaturen arbeiten. Methodische Details können Sie hier nachlesen).
Laut IPCC verblieben der Menschheit hierfür zum 1.1.2018 noch Emissionen in Höhe von 1170 Milliarden Tonnen. Pro Jahr werden weltweit derzeit 42 Milliarden Tonnen freigesetzt, oder in Sekunden umgerechnet: 1332 Tonnen (Kapitel Mitigation Pathways im IPCC-Sonderbericht zur globalen Erwärmung, S. 107-108).
In der Grafik werden vom 1.1.2018 insgesamt zur Verfügung stehenden Budget sekündlich 1332 Tonnen abgezogen. Ausgangswert sowie sekündliche Änderungsrate werden nur angepasst, falls sich Änderungen am etablierten Stand der Forschung ergeben sollten.
Ökostrom
Als Ökostromanteil wird hier der Anteil regenerativer Energien an der Nettostromerzeugung zur öffentlichen Stromversorgung in Deutschland dargestellt. Im Gegensatz zur Bruttostromerzeugung werden bei der Nettostromerzeugung elektrische Verluste der Kraftwerke, die direkt im Kraftwerk verbraucht werden, nicht mitberücksichtigt. Die Angaben entsprechen somit dem Strommix, der tatsächlich zu Hause aus der Steckdose kommt und der im Haushalt verbraucht wird oder mit dem auch Elektrofahrzeuge öffentlich geladen werden.
Die Angabe stammt von energy-charts.info, einer Webseite des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE, die Angaben der Netzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet, TransnetBW sowie der europäischen Strombörse EEX und der ENTSO-E Transparency Platform aufbereitet und veröffentlicht.
Als Ökostromanteil wird der Anteil der erneuerbaren Energien, also von Wasserkraft, Windkraft, Biomasse und Solarenergie, an der Nettostromerzeugung berechnet (genauere Informationen zu den einzelnen Energieträgern finden Sie hier). Die Daten werden stündlich aktualisiert und stehen in der Regel mit einer Verzögerung von zwei bis drei Stunden bereit.
Seit dem 30.10.2020 wird das verbleibende CO2-Budget als “Wert bis die Zwei-Grad-Marke erreicht ist” beschriftet. Zuvor wurde der Begriff “Zwei-Grad-Ziel” verwendet, der sich nur schwer eindeutig in ein CO2-Budget umrechnen lässt.
Seit dem 3.12.2020 wird die Erderwärmung mit +1,1 Grad Celsius anstatt zuvor mit +1,0 Grad angegeben. Hintergrund ist der Wechsel der Berechnungsgrundlage für die Erderwärmung im vergangenen Jahrzehnt. Zuvor wurde hier ein Wert aus einer im IPCC-Bericht zitierten Einzelpublikation verwendet (+0,17 Grad), mittlerweile ein an derselben Stelle veröffentlichter Wert, der sich auf mehrere Publikationen stützt (+0,2 Grad).