Weltweit steigen die Treibhausgas-Emissionen weiter stark an. Wissenschaftler fordern eine „blitzschnelle Energiewende“.
Nach der Coronakrise werden global mehr Treibhausgase ausgestoßen als vorher
BERLIN taz | Der weltweite Einbruch von Industrieproduktion und Verkehr in der Covidpandemie hat den Trend zu global immer weiter steigenden Treibhausgas-Emissionen nicht gebrochen – ganz im Gegenteil: Stromverbrauch und CO2-Ausstoß aus dem Energiesektor lagen im ersten Halbjahr 2021 um 5 Prozent höher als in der ersten Hälfte 2019, also vor der Pandemie. Das geht aus einer Studie des britischen Thinktanks Ember hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wird und 63 Länder analysiert, die 87 Prozent des weltweiten Stroms verbrauchen. „Die hochschießenden Emissionen sollten die Alarmglocken auf der ganzen Welt läuten lassen“, sagte Ember-Chef Dave Jones. „Wir bauen nicht besser wieder auf, sondern schlechter.“ Eine „blitzschnelle Energiewende“ sei nötig, um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten.
Dabei wurde im letzten Jahr weltweit die Rekordsumme von 380 Milliarden Dollar in saubere Energien investiert. 57 Prozent des zusätzlichen Stromverbrauchs kamen laut Studie von Wind und Sonne – aber die restlichen 43 Prozent eben von dreckiger Kohle. Der Anteil von Gas blieb gleich, Wasserkraft und Atom nahmen ab. In den alten Industriestaaten der EU, in den USA, Japan und Südkorea sanken die Emissionen aus dem Strom und Erneuerbare wurden wichtiger, aber vor allem wegen langsamer wachsender Stromnachfrage, hieß es. Doch in China, Indien, der Mongolei, Vietnam oder Bangladesch sei das Wirtschaftswachstum noch nicht vom CO2-Ausstoß abgekoppelt: Hier stiegen die Emissionen rapide an.
Genau vor diesem Szenario hatte die Internationale Energieagentur IEA im Juli gewarnt. Von den weltweit 16 Billionen Dollar für den ökonomischen Wiederaufbau flossen demnach 2,3 Billionen in die Wirtschaft, aber nur 380 Milliarden in saubere Energie. Das öffentliche und private Geld ging vor allem in den Verkehr, effiziente Gebäude und neue Treibstoffe. Diese jährliche Summe werde bis 2030 etwa stabil bleiben, sei aber nur ein Drittel der jährlichen Billion, die für eine weltweite Energiewende gebraucht werde, so die IEA.
Zwischen den Staaten gibt es große Unterschiede: während die alten Industrieländer 76 Milliarden an Steuergeld für Investments in saubere Energien vorsahen, waren es bei Schwellenländern nur 8 Milliarden. Und während einige Länder wie Südafrika, Indien, China und Thailand teilweise auch in Stromleitungen oder Energieeffizienz investierten, gaben viele Länder ihre knappen Mittel für kurzfristige Hilfen bei Stromkosten der Haushalte oder für ihre Energiekonzerne aus.
(28.08.21, Helmholz Klimainitiative) , Original : hier
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Erneuerbare Energien
Wie schnell die Klimawende gelingt, hängt vor allem vom Ausbau erneuerbarer Energien ab. Grüne und Linke setzen in ihren Wahlprogrammen jährliche Ausbauziele. Bis 2025 wollen Grüne und Linke zum Beispiel pro Jahr mindestens zehn oder sogar bis zu zwölf Gigawatt Photovoltaik pro Jahr neu bauen – 2020 waren es nur vier Gigawatt.
Die SPD will die Stromversorgung bis 2040 komplett auf erneuerbare Energien umstellen und verbindliche Ausbauziele für „erneuerbare Energien wie Sonne, Wind und Geothermie“ in einem „Zukunftspakt“ zwischen Bund, Ländern und Kommunen festlegen. Als weiteres Herzstück ihrer Klimapolitik bezeichnet sie die Beteiligung der Bürger*innen vor Ort, zum Beispiel durch Energiegenossenschaften, die Windparks oder andere Anlagen betreiben.
CDU/CSU nennen in ihrem Programm keine festen Jahresziele für regenerative Energien, aber auch sie erklären, Erneuerbare „deutlich schneller“ ausbauen zu wollen. Die Union kündigt zum Beispiel ein „Sonnenpaket“ an, um Photovoltaik zu fördern – dazu soll etwa eine Onlineplattform für einfachere Genehmigungen gehören.
Die FDP lehnt dagegen die Förderung einzelner Technologien ab und will Zahlungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für neue Anlagen abschaffen. Stattdessen möchten die Liberalen die Eigenversorgung mit Grünstrom vereinfachen und sie vertrauen darauf, dass ein steigender CO2-Preis fossile Energien gegenüber erneuerbaren unattraktiver machen werde.
Die AfD lehnt eine „komplette Umstellung“ auf volatile – also mit dem Wetter schwankende – erneuerbare Energien wie Wind und Solar ab. Gleichzeitig nennt sie eine Reihe von Bedingungen für einzelne Technologien. Der Mindestabstand von Windrädern zu Wohnbebauung etwa müsse das Zehnfache der Gesamthöhe, mindestens jedoch 2500 Meter betragen.
Mobilität
Beim Klimaschutz im Verkehr hat Deutschland noch besonders großen Nachholbedarf. Fast alle Parteien bekennen sich deshalb zum Ausbau der Bahn, des öffentlichen Nah- und des Radverkehrs sowie der Ladesäulen für Elektroautos. Nur die AfD wendet sich in ihrem Wahlprogramm gegen eine „einseitige Förderung der Elektromobilität“ ebenso wie gegen die „Förderung einer Wasserstoffwirtschaft“.
Bei der Mehrheit der Parteien zeigen sich Unterschiede dagegen am ehesten bei der Frage, wie lange sie noch eine Rolle für Benzin und Diesel sehen. Die Linke will bis 2030 ein Zulassungs- und Exportverbot für Pkw mit Verbrenner, die Grünen ab 2030 nur noch Neuzulassungen für emissionsfreie Autos.
Negative Emissionen
Wälder, Böden und geologische Speicher unter der Erdoberfläche können Kohlenstoff wieder aufnehmen, der zuvor als CO2 in die Atmosphäre gelangt ist. Solche negativen Emissionen sollen den Ausstoß von Treibhausgasen ausgleichen, die sich auch langfristig wohl nur schwer vermeiden lassen – vor allem aus der Landwirtschaft und aus einigen Industrieprozessen. Damit wird die CO2-Speicherung zum wichtigen Baustein für Klimaneutralität. Nach 2050 strebt die Europäische Union sogar insgesamt negative Emissionen an und will damit noch über das Ziel der EU-weiten Klimaneutralität hinausgehen.
Fast alle Parteien erklären in ihren Programmen, natürliche Kohlenstoffspeicher wie Wälder, Böden und Moore schützen zu wollen und betonen die Bedeutung des Holzbaus in diesem Zusammenhang. Zu geologischen CO2-Speichern als Teil der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) äußern sich Grüne und SPD in ihren Wahlprogrammen nicht. Die Linke schreibt, dass sie CCS verbieten wolle.
CDU/CSU wollen dagegen Möglichkeiten zur Abscheidung und Speicherung von CO2 mit europäischen Partnern fördern. Dafür sei auch der Aufbau einer CCS-Infrastruktur nötig. Solch eine Infrastruktur wird zum Beispiel für den Transport des Kohlendioxids benötigt.
Die FDP will ein eigenes Gesetz für CCS und CDR, womit die Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre gemeint ist (Carbon Dioxide Removal). Dafür sollen nach dem Vorschlag der Liberalen künftig zusätzliche CO2-Zertifikate ausgestellt werden, also eine Art Gutschrift im europäischen CO2-Handel. In diesem Zusammenhang will die FDP das europäische Minderungsziel für Treibhausgase von 55 Prozent um ein zusätzliches Ziel von 5 Prozent für negative Emissionen ergänzen. Durch frühzeitige Erkundung und Erschließung potenzieller CO2-Speicherstätten sollen dem Wahlprogramm zufolge Voraussetzungen geschaffen werden, Klimaneutralität in der EU auch vor 2050 zu ermöglichen.
(24.08.21, FAZ) , Orignal : hier Von Lilly Bittner
Klimapolitik der Parteien:
Mit Ausnahme der AfD fordern alle im Bundestag vertretenen Parteien Klimaneutralität. Bis wann sie diese anpeilen, variiert allerdings. Und wie wollen sie das erreichen? Es folgt eine Zusammenfassung der Klimapolitik, die die Parteien in ihren Wahlprogrammen für die folgende Bundestagswahl vorsehen.
planen, dass Deutschland mit einem „Klimaschutz-Sofortprogramm“ in 20 Jahren klimaneutral ist. Um das zu erreichen, soll Energie von 2035 an ausschließlich durch Wind, Sonne und Wasserstoff gewonnen werden. Der Kohleausstieg soll bis 2030 vollzogen und der Atomausstieg im Grundgesetz verankert werden. Ein weiteres Ziel der Partei ist es, den absoluten Energieverbrauch zu senken – beispielsweise durch besser isolierte Gebäude. Der CO2-Preis soll 2023 auf 60 Euro erhöht werden, den Emissionshandel wollen die Grünen “deutlich reduzieren”. Um die Mobilitätswende voranzutreiben, stehen im Wahlprogramm der Grünen einige Hebel. Die Partei möchte bis 2035 100 Milliarden Euro in den Bahnausbau investieren. Das soll Kurzstreckenflüge von 2030 an überflüssig machen. Zudem soll öffentlicher Nahverkehr ausgebaut und kostengünstiger werden. Auch die Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger soll verbessert werden. Die Grünen verfolgen das Ziel, von 2030 an nur noch emissionsfreie Autos zuzulassen. Zudem fordern sie ein Tempolimit: 30 km/h in Ortschaften und Tempo 130 auf Autobahnen. Im landwirtschaftlichen Sektor wollen die Grünen, dass bis 2030 in Deutschland 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtet wird. Außerdem sollen versiegelte Flächen und vertrocknete Moore renaturiert werden. Weitere Vorhaben sind das Verbot von Glyphosat, sowie eine Kreislaufwirtschaft durch ein EU-weites Pfandsystem, die Förderung von Mehrwegsystemen und Ausgleichszahlungen für schwächere Haushalte.
plant Klimaneutralität bis 2045 – genau wie im Klimapaket verabschiedet. Das soll möglich werden durch einen europaweiten Emissionshandel sowie eine CO2-Bepreisung. Die Christdemokraten setzen auf einen erneuerbaren Energiemix aus Sonne, Wasserstoff und Wind und bekennen sich zum
vereinbarten Kohlekompromiss. Demnach sollen alle Kohlekraftwerke bis 2038 stillgfelegt werden. Sie wollen die Energieeffizienz fördern, indem beispielsweise Gebäude saniert werden. In Sachen Mobilität soll Deutschland Automobilstandort Nummer Eins bleiben. Es soll kein Nein zum Verbrennermotor und kein Ja zum Tempolimit geben. Beim Fliegen setzt die Fraktion auf synthetische Kraftstoffe. Zudem soll der Schienenverkehr ausgebaut werden. Außerdem plant die CDU/CSU 1,5 Milliarden Euro ein für die Wiederbewaldung. Weitere Vorhaben der Fraktion sind es, eine ökologische Landwirtschaft zu fördern sowie regionale Wasserkreisläufe und die Kreislaufwirtschaft zu fördern.
fordert wie die CDU/CSU Klimaneutralität bis 2045. Dafür sehen sie im Wahlprogramm vor, von 2040 an nur noch erneuerbare Energien zu nutzen. Dafür möchten die Sozialdemokraten verbindliche Ausbauziele festlegen, den Kohle- und Atomausstieg gesetzlich verankern, die Energieeffizienz steigern und Wasserstoff fördern. Sie fordern Solaranlagen auf allen geeigneten Dächern von öffentlichen Gebäuden, den Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen und eine CO2-Bepreisung. Die Mobilitätswende soll durch schadstofffreien Autoverkehr gelingen, Verbrennerfahrzeuge müssen bis 2030 „in relevantem Maße“ reduziert sein. Sie fordern ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen von 130 km/h. Außerdem setzt die Partei auf einen Schienenausbau – unter anderem durch einen Deutschland- und Europatakt. Mindestens 75 Prozent der Züge sollen bis 2030 elektrisch fahren. Um Müll zu reduzieren, setzt auch die SPD auf eine Kreislaufwirtschaft.
plant Klimaneutralität für Deutschland etwas später – von 2050 an. Um das zu erreichen, setzen die Liberalen primär auf CO2-Emmissionshandel und einen einheitlichen CO2-Preis. Wenn die verfügbaren Zertifikate auf dem Markt weniger werden, steigt der Preis für diese an. Das soll Anreize für Unternehmen schaffen, in CO2-neutrale Technologien zu investieren. Außerdem möchte die Partei Projekte fördern, die Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre binden und entfernen. Zur Energiewende steht nicht viel im Wahlprogramm. Die FDP möchte lediglich die Stromsteuer senken und die EEG-Umlage abschaffen. Im Mobilitätssektor plant die Partei staatliche Investitionen in das Schienennetz, in den Bahnbetrieb soll staatlich aber nicht eingegriffen werden. Sie bevorzugen keine Antriebstechnologie, weshalb bestehende Maßnahmen zur CO2-Reduktion im Verkehr beendet werden sollen. Dazu zählen beispielsweise Subventionen, Dieselverbote, Tempolimits und Kaufprämien für E-Autos. Außerdem wollen die Liberalen die Luftverkehrssteuer abschaffen. Die FDP fördert hinzukommend die Aufforstung deutscher Wälder und grüne Gentechnik. Die Linken haben das Ziel, dass die deutsche Industrie und Infrastruktur bis 2035 klimaneutral ist. Der Kohleausstieg soll bis 2030 vollzogen sein, außerdem positioniert sich die Partei gegen Energiegewinnung durch fossiles Erdgas und Atom. Auf Dächern von Neubauten sollen verpflichtend Solarplatten installiert werden. Für eine erfolgreiche Energiewende fordern die Linken zudem, dass der absolute Energieverbrauch begrenzt wird. Die Partei möchte große Stromkonzerne entmachten. Als CO2-Bepreisung sehen die Linken die Lösung in einem europäischen Grenzausgleichmechanismus, der den Import CO2-intensiver Produkte bepreisen soll. Für die Mobilitätswende setzen die Linken auf ein 365-Euro-Jahresticket für den Nahverkehr. Auch das Bahnfahren soll günstiger werden, während die Schiene ausgebaut wird. Die Partei möchte zudem die Radinfrastruktur ausbauen, beispielsweise durch Radschnellwege. Die Linken wollen Flüge zu Zielen verbieten, die mit dem Zug innerhalb von fünf Stunden erreichbar wären und nicht weiter entfernt sind als 500 Kilometer. Im Wahlprogramm wird zudem ein Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor bis 2030 angepeilt. Das Tempolimit soll eingeführt werden: 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und Tempo 30 innerorts. Die Partei möchte außerdem, bis 2030 ein Viertel der landwirtschaftlich genutzten Felder ökologisch zu bewirten. Weitere Forderungen sind die Renaturierung von Böden und Mooren, mehr Naturschutzgebiete und eine Kreislaufwirtschaft.
peilt keine Klimaneutralität an und möchte aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. CO2 soll nicht besteuert, erneuerbare Energien nicht präferiert und Wasserstoff nicht gefördert werden. Die Partei befürwortet Braun- und Steinkohle sowie Atom- und Gasenergie. In Sachen Mobilität soll der motorisierte Individualverkehr weiterhin gefördert werden – Fahrverbote und Tempolimits sieht die AfD nicht vor. Das Schienennetz soll ausgebaut werden. Außerdem möchte die Partei die Düngeverordnung lockern. Die AfD plant den Schutz deutscher Wälder und mehr Wiederverwertung bei Kunststoff.
Klimapolitik vor der Wahl: Das planen Scholz, Baerbock und Laschet
Klimapolitik vor der Bundestagswahl: Das planen Scholz, Baerbock und Laschet
In zwei Debatten präsentieren die Parteien ihre Ideen für Strom, Heizen, CO2-Preis und Verkehr nach der Bundestagswahl. Ein Überblick.
Berlin – Das Thema Klimaschutz war bisher unterbelichtet im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021. Trotz der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, die rund 200 Menschen getötet und nach Schätzungen 15 Milliarden Euro an Schäden verursacht hat. Und trotz der dringenden Mahnung des Weltklimarats IPCC, die Treibhausgas-Emissionen weltweit, also auch hierzulande, schnell und radikal herunterzufahren. In zwei „Elefantenrunden“ mit den Kanzler- und Spitzenkandidat:innen für die September-Wahl wurde das Manko nun etwas behoben. Fazit vorab: Die meisten Schnittmengen für eine am Paris-Ziel orientierte Klimapolitik gäbe es bei Rot-Grün-Rot, während die Union eher für das zögerliche Irgendwie-Weiter-So der Merkel-Jahre steht und die FDP vor allem die CO2-Märkte regieren lassen will.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz punktete in beiden Online-Runden am meisten, weil er verschärfte Positionen verkündete. Zuerst beim Termin der NGOs Klima-Allianz und Deutscher Naturschutzring (DNR), die gefragt hatten: „Wie stoppen die Parteien die Klimakrise?“, dann beim DGB, der die Positionen der Spitzenpolitiker:innen zur überfälligen „Sozial-Ökologischen Transformation“ erfahren wollte. Scholz war, ebenso wie Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock, bei beiden Terminen dabei, während CDU-Kandidat Armin Laschet nur den DGB beehrte. Es ging um die drei bürgernahe Themen: Wo kommt der Strom künftig her? Wie wird geheizt und wer bezahlt den CO2-Preis? Und wie sind wir künftig mobil?
Strom und Kohle: Konzepte von CDU, CSU, SPD und Grünen gehen auseinander
Strom und Kohle: Bei diesem Schlüsselthema machte Scholz deutlich, dass er einen Turbo für den Ausbau der Öko-Energien einlegen will. Er postulierte: Das „Hochsetzen der Ausbauziele für die Erneuerbaren“, orientiert am Pfad zur Klimaneutralität 2045, werde „im ersten Jahr der neuen Regierung das zentrale Vorhaben“ sein. „Wir müssen den Strombedarf des Jahre 2045 definieren und daran den Ausbau der Windenergie auf See, an Land, und der Solarenergie entsprechend ermitteln.“ Parallel müssten das Stromnetz ausgebaut und das Bau- und Planungsrecht so geändert werden, dass der Ausbau rechtzeitig fertig werde. Es dürfe nicht sechs Jahre dauern, eine Windanlage genehmigt zu bekommen, das müsse auch in sechs Monaten gelingen. Hier werde er keine Kompromisse machen. Darauf legte der SPD-Kandidat sich fest. Damit robbte Scholz sich an einen früheren Kohleausstieg heran, als er bisher mit 2038 und einer Option auf 2035 festgelegt ist. Mit entsprechenden Ökostrom-Kapazitäten werde es möglich, ihn nicht erst „zum letzten Datum“ umzusetzen.
Grünen-Kandidatin Baerbock zeigte sich beim Kohle-Ausstieg offensiver, ebenso Linken-Co-Chefin Janine Wissler. Beide sprachen sich für 2030 aus, gemäß Beschlusslage ihrer Parteien – also für ein deutliches Vorziehen des Schlusstermins, was auch Fachleute für notwendig halten, um die Paris-Limits von 1,5 bis zwei Grad Erwärmung und die für 2045 angepeilte Klimaneutralität zu erreichen.
Armin Laschet will am Fahrplan für Kohleausstieg festhalten
Laschet hingegen machte klar, dass er grundsätzlich an dem von der Kohlekommission erarbeiteten Fahrplan festhalten will. Er gab sich allerdings überzeugt davon, dass höhere CO2-Preise im EU-Emissionshandel das Abschalten der Kohlemeiler beschleunigen werden. Laschet lobte das Verfahren, mit dem der Kohleausstieg zwischen allen Beteiligten und mit den betroffenen Regionen beschlossen worden war. „Da haben wir genau den Weg angewandt, den alle hier jetzt in theoretischen Beschreibungen sich wünschen“, sagte er. FDP-Chef Christian Lindner unterstrich, die Paris-Ziele müssten die Leitlinie sein, und der Kohleausstieg werde vom Emissionshandel gesteuert.
Heizen: Der Bereich Gebäude ist ein Nachzügler bei Klimaschutz. Die Unionsposition dazu beschrieb in der ersten Debatte Fraktionsvize Andreas Jung. Danach sollen die staatlichen Förderprogramme für Heizungserneuerung und Wärmedämmung auf vermietete Immobilien ausgedehnt werden, um den CO2-Ausstoß zu senken und Mieten damit weniger stark steigen zu lassen. Scholz ist für eine Fortführung der Förderprogramme und will durchsetzen, dass Modernisierungsumlage, die Mieter:innen nach Energie-Sanierungen zu zahlen haben, abgesenkt wird. Ziel ist ebenfalls, die Mieten im Rahmen zu halten. Baerbock überraschte mit einer ambitionierten Position beim Thema Ölheizungen. Deren Neu-Installation soll bereits ab 2022 verboten werden, nicht wie vorgesehen – und von den anderen Parteien befürwortet – ab 2026. Alle Politiker:innen sprachen sich für eine schnellere Sanierung der Altbauten aus, Wissler forderte eine Verdreifachung der Sanierungsquote, aber sozialverträglich.
CO2-Preis: Staat soll Einnahmen an Bürger:innen zurückgeben
CO2-Preis: Das heiße Eisen der „CO2-Bepreisung“ für Heizen und Verkehr, von der Groko Anfang 2021 mit 25 Euro pro Tonne und jährlichen Steigerungen eingeführt, packte vor allem Laschet vorsichtig an. Er erläuterte, auch die Union wolle „die Pfade schneller machen“, nannte aber keine Zahlen. Scholz betonte, der CO2-Preis müsse künftig von den Vermietern getragen werden und dürfe nicht auf die Mieter umgelegt werden. Letzteres finden auch Grüne und Linke richtig. Die FDP hingegen meint, die Mieter müssten die CO2-Kosten voll übernehmen. Alle Parteienvertreter betonten, der Staat müsse die CO2-Einnahmen an die Bürger:innen zurückgeben. Die Union will damit den Strom verbilligen, alle anderen sehen zumindest auch eine Pro-Kopf-Erstattung vor.
Verkehr: Alle Politiker:innen betonten die Notwendigkeit, Bahnen und Busse kräftig auszubauen. Die Umstellung auf E-Mobilität mit Kaufprämien und einem Push für den Bau von Ladesäulen war ebenfalls Konsens. Lindner betonte als einziger offensiv, auch synthetische Kraftstoffe für Verbrenner seien eine gangbare Alternative. Allerdings sprach sich auch CDU-Politiker Jung für „Technologieoffenheit“ aus. Baerbock plädierte für eine zusätzliche E-Auto-Prämie für Geringverdiener von 3000 Euro, die auch für Gebrauchtwagen gelten soll, finanziert aus Kürzungen beim Dienstwagen-Privileg. Wissler betonte, gerade auf dem Land sei es wichtig, Alternativen zum Auto anzubieten, und die Ticketpreise müssten gesenkt werden.
Fazit: Der Klima-Umbau wird viel Geld kosten, das wurde in den beiden Debatten klar. Alle Parteien wollen die Industrie bei der Umstellung auf grüne Technologien unterstützen. Baerbock erläuterte den von den Grünen geplanten „Industriepakt“, mit dem die Kosten der Wirtschaft für die technologische Umstellung auf klimaneutrale Produktion staatlich abgesichert werden sollen. Doch auch Laschet, Scholz und Lindner ließen keinen Zweifel daran, dass die Wirtschaft beim Umbau auf den Staat zählen kann. Und, kein Wunder, in der DGB-Veranstaltung betonten natürlich auch alle, dass die Arbeitnehmer:innen unterstützt werden müssen, deren Jobs auf der Kippe stehen, etwa mit Weiterbildungsangeboten und -Garantien. Und sie betonten die Chancen des Umbaus. „Klimaschutz ist ein Teil des Wachstumsplans“, sagte zum Beispiel FDP-Chef Lindner. (Joachim Wille)
(06.08.21, ekologiska mag – nachhaltig leben ) Orginal : hier
Wer sagt was zur Klimapolitik? Die Parteien im Überblick
Noch knapp zwei Monate, dann ist Bundestagswahl und Deutschland wählt ein neues Parlament. Dass es diesmal wie nie zuvor um die Weichenstellung zur Lösung der Klimakrise geht, das machen Initiativen wie Klimawahl 2021 klar. Sie beschreiben die Klimakrise als “größte und existenziellste Krise der Menschheit”. Und weil uns langsam aber sicher die Zeit davonlaufe, um zu handeln, sei diese Wahl so wichtig wie nie. Auch die Parteien haben das verstanden, weshalb sich inzwischen nicht nur mit den Grünen die “klassische” Umwelt-Partei den Klimaschutz auf die Fahne geschrieben hat, sondern auch (fast) alle anderen. Aber was wollen die einzelnen Parteien für das Klima tun? Wie stehen sie zu Themen wie der CO2-Besteuerung? Und womit bewegen wir uns in den kommenden Jahren fort? Wir haben uns durch die Wahlprogramme gewühlt.
Klimakrise oder Klimawandel?
Der erste, eher oberflächliche Punkt, an welchem sich die Parteien teils sehr stark unterscheiden, das ist die Begrifflichkeit, mit welcher über die Klimakrise gesprochen wird. Der Begriff “Klimakrise” ist eher aktivistisch geprägt und hat den Klimawandel vor allem in der grünen Bubble abgelöst, um die Dramatik des Wandels zu unterstreichen. Andere Parteien sehen den Klimawandel sogar als etwas Positives, weshalb sie den Begriff ablehnen.
CDU/CSU
Die CDU erkennt zwar an, dass die nächste große Krise vom Klima ausgehen könnte, sieht aktuell aber noch nicht die Notwendigkeit, von einer Klimakrise zu sprechen. Stattdessen verwenden sie den Begriff Klimawandel.
SPD
Die SPD spricht konsequent von dem Klimawandel. Die angekündigte Politik ist hauptsächlich daran angelegt, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen, das soll unbedingt umgesetzt werden. Besonders im Vordergrund steht dabei auch die Zusammenarbeit zwischen den Ländern der EU. Europa soll, laut Parteiprogramm: „Der erste nachhaltige und treibhausgasneutrale Kontinent“ werden. Bemerkenswert ist, dass die Partei für „sozial ökologisches Wirtschaften“ wirbt.
Bündnis 90/Die Grünen
Für die Grünen ist die Klimakrise die “wahre Menschheitskrise”, wie sie schreiben. Durch sie würden Freiheit, Sicherheit und Wohlstand gefährdet. Die Grünen streben daher eine Klimapolitik an, die diese drei Punkte sichert. Sie sind überzeugt, dass wir die Klimakrise noch in den Griff bekommen können, wenn wir ab der nächsten Legislaturperiode konsequent handeln.
Die Linke
Die Linke spricht zwar nur vom Klimawandel, benennt aber ganz deutlich die daraus resultierende Krise. So bezeichnet sie die „hauptsächlich von den Industrieländern verursachte Erderwärmung“ als „Aggression gegen den globalen Süden“ und listet auch die aus ihr resultierenden Naturkatastrophen auf. Der Fokus der Linken liegt auf Klimagerechtigkeit und betont, dass der Klimawandel zunächst die armen Menschen, besonders im Globalen Süden treffen würde und es deswegen zügig Maßnahmen geben muss, um den Wandel in „beherrschbaren Dimensionen“ zu halten.
FDP
Die FDP schreibt in ihrem Wahlprogramm stets vom Klimawandel. Insgesamt wollen die Freien Demokraten Umwelt- und Klimaschutz mit Innovation verknüpfen und so den Weg in eine klimaneutrale Zukunft ebnen.
AfD
Die Alternative für Deutschland konnte sich für ihr Wahlprogramm zwar dazu durchringen, den Klimawandel anzuerkennen, sie bezweifeln aber, dass der Klimawandel nur negative Folgen hat. Ihrer Meinung nach sind Warmzeiten auf der Erde immer der Moment gewesen, in dem Entwicklung stattgefunden habe, deshalb solle man dem Wandel positiv begegnen.
Die Klimapolitik der Parteien im Vergleich: (Wie) wollen wir CO2-neutral werden?
Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen wir die Netto-Null erreichen. Gemeint ist, dass die Länder dieser Welt unterm Strich kein CO2 mehr emittieren dürfen, damit der Klimawandel nicht weiter voranschreitet. Das ist auch im Pariser Klimaschutzabkommen so festgeschrieben. Aber wie wollen die einzelnen Parteien das erreichen?
CDU/CSU
Die Union bekennt sich zum Ziel eines klimaneutralen Industrielandes. Dieses wollen sie bis 2045 erreichen. Das Mittel der Wahl sind dabei Innovationen. Nur, wenn Dekarbonisierung wirtschaftlich sei, so die These der Partei, könne die Transformation gewinnen. Die Union will den Emissionshandel so schnell wie möglich ausbauen und auf die Bereiche Mobilität und Wärme ausweiten. Die Wirtschaft soll durch die Maßnahmen aber nicht benachteiligt werden. Deshalb sollen Schritte Richtung Nachhaltigkeit vom Staat stärker gefördert werden.
SPD
Die SPD will ganz Europa treibhausgasneutral und nachhaltig machen. Dafür wollen sie zunächst die Landwirtschaft (größter Faktor puncto Treibhausgase) ökologisch machen. Die Umsetzung soll anhand von Förderungen stattfinden: Statt der bisherigen Flächenförderungen sieht das Parteiprogramm vor auf Förderungen umzusteigen, die an Kriterien für Klima, Natur- und Umweltschutz und Tierwohl gebunden sind. Zusätzlich zu den bestehenden Regelungen sollen konkrete Beschwerde- und Sanktionsmechanismen vereinbart werden und private Streitschlichtungsmechanismen abgeschafft und durch öffentliche Gerichte ersetzt werden. Für die Durchsetzung plant die SPD ein multinationales Investitionsgericht, das neben Verstößen bezüglich Umweltrecht auch für soziale Aspekte, wie die Arbeitnehmer:innenrechte zuständig ist. Ein weiterer Aspekt wird auch der MERCOSUR-Staatenbund sein. Er ist ein internationaler Handelsvertrag zwischen Europa und Lateinamerika, dessen Verlängerung bevorsteht. Die SPD will jedoch nur zustimmen, wenn neue Regulierungen bezüglich des Klimaschutzes integriert werden. Der Fahrplan der SPD ist also handelszentriert, insbesondere mit Hinblick auf den internationalen Handel.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen bekennen sich zum Ziel der Klimaneutralität. Sie erkennen an, dass das Veränderung erfordert, betonen gleichzeitig aber die Chancen, die sich daraus ergeben. Durch Klimaneutralität in allen Sektoren (Energie, Bauen, Verkehr, Industrie) wollen sie die Lebensqualität insgesamt steigern. Dazu gehört, dass sie eine Kreislaufwirtschaft etablieren und die Wirtschaft insgesamt klimaneutral gestalten wollen. Helfen sollen sogenannte “Transformationsfonds”, die Unternehmen finanziell dabei unterstützen, ökologischer zu werden. Ihr Ziel: Bis 2030 die Treibhausgasemissionen auf minus 70 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Außerdem wollen sie das Klimaschutzabkommen von Paris gesetzlich verankern und dem Staat so die Möglichkeit geben, “durch eine intelligente Steuergesetzgebung klimaschonendes Verhalten zu belohnen und die fossilen Energieträger den wahren Preis zahlen zu lassen.”
Die Linke
Die Ziele der Linken ähneln den „Fridays for Future“-Forderungen. Bis 2035 soll Deutschland klimaneutral werden. Dazu sollen unter anderem PKW-Brennstoffmotoren ab 2030 verboten werden. Auch große Investitionen sind Teil des Wahlprogramms: Statt „die schwarze Null“ anzustreben, soll der Staat Schulden aufnehmen, um in Nachhaltigkeit investieren zu können. Das angestrebte Volumen: 87 Milliarden Euro jährlich. Das soll durch Vermögenssteuer, Abbau von Subventionen, Anleihenkäufe der EZB und aus dem CO2-Preis erreicht werden. Das Programm der Linken sieht die Lösung primär in der Einschränkung des freien Marktes. Zusätzlich soll die Agrarpolitik nicht mehr exportorientiert sein und sozialökologischer werden. Die Umsetzung würde durch eine Regionalisierung der Landwirtschaft erfolgen, so soll es möglich sein, ländliche Wirtschaftsstrukturen besser zu stärken und Transportwege zu kürzen.
FDP
Die FDP erkennt das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 an, gibt aber zu verstehen, dass sie auch eine Vorverlegung des Ziels mittragen würden. In diesem Fall wäre der Emissionshandel für sie das Instrument der Wahl, um sicherzustellen, dass das neue Ziel auch erreicht wird – etwa durch eine Anpassung des Senkungspfades. Die FDP schreibt in ihrem Wahlprogramm dazu: “Den Weg dorthin überlassen wir dem Erfindergeist von Ingenieurinnen und Ingenieuren, Technikerinnen und Technikern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. So können wir Klimaschutz marktwirtschaftlich und wissenschaftlich sicher erreichen.”
AfD
Die AfD lehnt das Konzept der Klimaneutralität als geeignetes Mittel gegen den Klimawandel ab. Der damit verbundene radikale Umbau der Industriegesellschaft würde die Freiheit der Bürger:innen bedrohen. Das Klimaabkommen von Paris wollen sie entsprechend aufkündigen und auch den Green Deal der EU lehnen sie ab.
Wie stehen sie zur CO2-Steuer?
Die CO2-Steuer wurde in den letzten Monaten sehr viel diskutiert und die Parteien haben alle sehr unterschiedliche Standpunkte zu diesem Thema. Aber wer sagt eigentlich was?
CDU/CSU
Im Klima-Konzept der Union spielt die CO2-Bepreisung eine entscheidende Rolle. Sie wollen so schnell wie möglich auf europäischer Ebene die Ausweitung auf die Sektoren Mobilität und Wärme durchsetzen. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen an die Bürger:innen zurückgegeben werden.
SPD
Eine konkrete Positionierung zu einer CO2-Steuer gab es innerhalb der SPD noch nicht. Bei der seit Anfang des Jahres neu eingeführten Regelung möchte die SPD sich dafür einsetzen, dass der Heizkostenzuschlag zu 50 Prozent an die Vermieter abgetreten wird und nicht, wie bisher, komplett auf die Mieter entfällt. Der Preis von CO2 soll erst niedrig bleiben und bis 2025 erhöht werden: „(G)enug Zeit, damit alle sich darauf einstellen können“. Statt mit einer CO2-Steuer zu „bestrafen“ möchte die Partei lieber mit Erleichterungen und Zuschüssen diejenigen „belohnen“, die bereit sind umzusteigen.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen sind für einen CO2-Preis, allerdings nicht als einziges Element des Klimaschutzes. Vielmehr setzen sie auf einen Mix aus CO2-Preis, Anreizen und Förderung sowie politischen Maßnahmen, denn sonst müsste der CO2-Preis bei 180 Euro pro Tonne liegen, was aus ihrer Sicht nicht sozialverträglich ist. Sie streben einen Preis von 60 Euro pro Tonne an. Um Menschen mit kleinem Einkommen zusätzlich zu entlasten, sollen die Einnahmen aus der CO2-Steuer als Energiegeld an die Bürger:innen zurückverteilt werden.
Die FDP befürwortet den europäischen Emissionshandel und fordert dessen Ausweitung auf weitere Sektoren. “Die Politik gibt vor, wieviel CO2 im Jahr ausgestoßen werden darf. Für den Ausstoß müssen Zertifikate erworben werden, die von Jahr zu Jahr weniger und damit teurer werden. Wer hingegen besonders viel CO2 spart, muss weniger Zertifikate kaufen und spart Geld und wer CO2 speichert, muss dafür Geld erhalten”, erklärt die Partei ihren Ansatz im Programm. Der soziale Ausgleich soll durch eine jährliche Klimadividende sowie Vergünstigungen im Stromsektor erreicht werden.
AfD
Die AfD lehnt die CO2-Steuer entsprechend ab.
Die Energiewende als Teil der Klimapolitik?
CDU/CSU
Die CDU setzt auf einen “intelligenten” Energiemix. Den Umstieg auf nachhaltige Energien sehen sie für ein Industrieland wie Deutschland als Pflicht an. Deshalb sind für sie neben Sonnen- und Wasserenergie auch nachhaltige Biomasse, Wasserkraft und Geothermie im ländlichen Raum ein wichtiger Teil des Mixes. Mit einem “Sonnenpaket” wollen sie den Photovoltaik-Ausbau fördern. Die Antragstellung soll unkomplizierter werden. Welche Energiequellen sich durchsetzen, das soll nicht zuletzt von der Akzeptanz der Bevölkerung abhängig gemacht werden.
SPD
Bis 2030 will die SPD dafür sorgen, dass 65 Prozent des nationalen Stromverbrauchs von erneuerbaren Energiequellen stammen. Auch sollen alle Neubauten verpflichtend mit Solaranlagen auf den Dächern ausgestattet werden. Ferner sehen die Sozialdemokraten auch höhere Investitionen in die energieeffiziente Grundsanierung von bestehenden Gebäuden vor. Der vollständige Umstieg auf ökologische Stromquellen ist spätestens 2040 vorgesehen. Dazu gehört natürlich der Braunkohleausstieg. Dieser soll bis spätestens 2038 vollständig abgeschlossen werden. Bisher gab es große Resistenz innerhalb der Partei, da man die Stellen der Arbeiter:innen nicht gefährden wolle. Damit diese weiterhin berufliche Perspektiven haben ist ein Strukturenausbau bzw. -umbau in den betroffenen Gebieten geplant. Dafür sollen 40 Milliarden Euro investiert werden von den insgesamt 54 Milliarden, die für das „Klimaschutz-Paket“ der SPD angedacht sind.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen befürworten die Energiewende. Deshalb wollen sie bei allen Neubauten Solaranlagen auf den Dächern verpflichtend einführen, außerdem wollen sie den Ausbau der Windenergie beschleunigen. Projekte wie Nordstream 2 wollen sie stoppen.
Die Linke
Die Energiewende nimmt einen zentralen Teil im Klimaprogramm der Linken ein. Schon 2030 möchte die Partei den Braunkohleausstieg schaffen. Um das zu schaffen, fordern sie ein Verbot des Baus neuer Kohlekraftwerke und 40 Milliarden Euro Subventionen für die Braunkohlegebiete. Bis 2035 soll der gesamte Verbrauch mit Ökostrom gedeckt werden. Grüner Wasserstoff soll Flugzeuge und Schiffe antreiben, aus ihm soll Wärme generiert werden und auch der chemischen Industrie soll er als Hauptversorger dienen. Auch das Netz von Ökostrom soll ausgebaut werden, damit ihn auch jeder beziehen kann. Der Ökostromausbau ist derzeit auf 2,9 GW jährlich gesetzlich gedeckelt, das stoppe die Energiewende, deshalb soll der EEG-Deckel (Erneuerbare-Energien Deckel) abgeschafft oder höher angesetzt werden. Nur so sei es möglich genügend neue Photovoltaikanlagen und Windkraftwerke zu bauen.
FDP
Die FDP stellt sich gegen den staatlich geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien. Vielmehr will die Partei den Ausbau der Wirtschaft überlassen. Der steigende CO2-Preis würde die fossilen Energieträger künftig ohnehin unattraktiv machen, so die Partei. Sie wollen einen Stresstest für das Energiesystem einführen, um regelmäßig zu prüfen, ob und inwiefern die Energieversorgung sicher ist.
AfD
Für die AfD steht fest, dass wir einen breit aufgestellten Energiemix benötigen, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Die Energiewende, die von staatlicher Seite initiiert wird, lehnen sie deshalb ab. Vielmehr solle der Markt das regeln.
Fliegen, fahren, Öffis nutzen: Wie kommt die Verkehrswende?
CDU/CSU
Die Union plant, Deutschland zur Wasserstoff-Nation Nr. 1 zu machen – auch im Mobilitätskonzept spielt Wasserstoff daher eine Rolle. Und zwar vor allem beim Schiff- und LKW-Verkehr. Parallel dazu soll die Schiene mit dem Deutschlandtakt gestärkt werden. Deutschland soll aber Automobilland bleiben. Aus diesem Grund will die Union die Autoindustrie stärken und einen Fahrplan zur Transformation vorlegen. Synthetische Kraftstoffe sollen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie Elektromobilität spielen. Flüge sollen noch besser mit Zügen vernetzt werden: “Die Verkehrsträger sollen so vernetzt werden, dass ihre jeweiligen verkehrlichen, ökonomischen und ökologischen Vorteile optimal genutzt werden können”, heißt es im Wahlprogramm.
SPD
Die SPD setzt stark auf Elektro- und Wasserstoffmobilität, die die üblichen Brennstoffe ersetzen sollen. Der öffentliche Nahverkehr soll große Investitionen erhalten, dabei sollen Busse und Bahnen komplett klimaneutral werden. Auch die Radwege sollen ausgebaut werden, damit Radfahren sicherer und leichter ist. Die SPD sieht kein Verbot für Kurzflugstrecken vor, stattdessen möchte sie sich dafür einsetzen, dass Bahn fahren günstiger wirkt als fliegen. Das soll unter anderem dadurch gelingen, dass jede europäische Großstadt ans Fernzugnetz angeschlossen werden soll. Zudem soll auch ein Tempolimit von 130 km/h auf allen deutschen Autobahnen gelten.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen wollen mit ihrer Klimapolitik eine Verkehrswende einläuten: Mehr ÖPNV, weniger Auto und wenn, dann CO2-neutral. Sie wünschen sich, dass Flüge innerhalb Deutschland bis Ende des Jahrzehnts überflüssig werden. Das wollen sie schaffen, indem die Bahn attraktiver wird. Die Verkehrswende ist aus Sicht der Grünen elektrisch: Synthetische Kraftstoffe sehen sie vor allem bei Flugzeugen und in der Industrie. Außerdem wollen sie den sogenannten “Mobilpass” einführen. Hier sollen Digitalisierung und Verkehr zusammengebracht werden. Die Idee ist, dass man von Bahn auf Sharing-Bike & Co. ganz einfach wechseln kann. Sie wollen das Tempolimit Ausnahme-Regel-Verhältnis umkehren. Auch das Radnetz soll ausgebaut werden.
Die Linke
Die Linke fordert eine Verkehrswende. Die öffentlichen Verkehrsmittel sollen das hauptsächliche Fortbewegungsmittel sein. Dafür müsse nicht nur der Bahnverkehr ausgeweitet werden, sondern die DB AG soll von profitorientiert in eine „gemeinwohlorientierte und integrierte“ Bahn umgewandelt werden, die ihren Strom ausschließlich von ökologischen Quellen bezieht. Auch der lokale ÖPNV soll gefördert und ausgebaut werden. Der Flugverkehr soll eingeschränkt werden, indem die Bahn „so attraktiv gestalt(et werde), dass Kurzstreckenflüge nicht mehr notwendig sind.”
FDP
Die Freien Demokraten lehnen unverhältnismäßige Verbote in der Mobilität ab. Sie gehen auch in diesem Sektor davon aus, dass der CO2-Preis dafür sorgen wird, dass der Markt Diesel, Benzin & Co. verbannt. Den Bahnverkehr will die FDP privatisieren, um den Wettbewerb zu stärken. Das Schienennetz soll dabei im Besitz des Bundes bleiben, damit dieser sich auf den Ausbau des Netzes konzentrieren kann. Der Luftverkehr soll neu geordnet werden.
AfD
Die Alternative für Deutschland will den motorisierten Individualverkehr schützen, der Wille des Bürgers stehe bei ihnen im Mittelpunkt. Alles müsse bezahlbar bleiben. Sie wollen deshalb Flughäfen stärken und die deutsche Automobilindustrie als „Leitindustrie“ erhalten. Die Bevorzugung und Förderung von E-Autos solle dem Markt überlassen werden, synthetische Kraftstoffe eine wichtigere Rolle spielen. Die CO2-Gesetzgebung der EU bezeichnen sie als realitätsfremd.
COSMO Daily Good News. 30.08.2021. 01:52 Min.. Verfügbar bis 30.08.2022. COSMO.
Mit Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet will die sozialistische Bürgermeisterin Paris sicherer machen, aber auch den Lärm reduzieren. In Umfragen hatten zuvor 59 Prozent der Pariserinnen und Pariser für diese neue Geschwindigkeitsbegrenzung gestimmt. Tempo 30 reduziert tödliche Unfälle und macht Radfahren und zu Fuß gehen in der Stadt attraktiver.
Frankreichs Hauptstadt will mit gutem Beispiel vorangehen: Zum einen soll so der Lärm in der Stadt verringert werden: Wenn Autos langsamer fahren, machen sie weniger Krach. Außerdem soll die neue Regel dazu führen, dass es weniger Unfälle gibt. Und – das ist der Hauptgrund – mit der Tempo-30-Regel will Paris erreichen, dass weniger klimaschädliches CO2, also Kohlenstoffdioxid in die Luft gepustet wird.
Paris soll sicherer werden
Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, hatte die Tempo-30-Regel schon lange versprochen. Sie soll Paris für die schächsten Verkehrsteilnehmer sicherer machen: für Fußgänger, Radfahrer, Kinder und ältere Menschen.
Tempo-30-Test soll auch in Aachen und Münster kommen
Auch in Deutschland wollen demnächst sieben Großstädte ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern testen. In NRW machen Aachen und Münster mit. Die Städte hoffen, dass nach der Bundestagswahl Ende September die deutsche Straßenverkehrsordnung geändert wird. Erst dann nämlich kann das Tempo-30-Projekt an den Start gehen.
Verkehrswende in der Metropole – Paris wird zur Tempo-30-Zone
Datum: 30.08.2021 08:08 Uhr Weniger Unfälle, mehr Klimaschutz: Paris wird ab heute größtenteils zu einer Tempo-30-Zone. Die Stadtautobahn und wichtige Verkehrsachsen bleiben davon ausgenommen.
Für Paris ist es ein weiterer Schritt hin zu einer Verkehrswende und einem Stadtleben, in dem das Auto nicht mehr überall dominiert. Große Teile der französischen Hauptstadt werden von diesem Montag an zur Tempo-30-Zone.
59 Prozent der Pariser hätten einer Geschwindigkeitsbegrenzung bei einer Umfrage zugestimmt, begründete die Stadtverwaltung den Schritt. 25 Prozent weniger Unfälle, 50 Prozent weniger Lärm und mehr Raum insbesondere für Radfahrer lauten die Argumente für den Einschnitt. Auf 60 Prozent der Pariser Straßen gelte ohnehin schon Tempo 30, hieß es.
Umfrage: Mehrheit befürwortet Tempolimit
Das Meinungsforschungsinstitut Ifop ermittelte für die Zeitung “Le Parisien”, dass 61 Prozent der Pariser Tempo 30 gutheißen. Deutlich skeptischer äußerten sich Menschen, die überwiegend das Auto oder Motorrad nutzen: Von ihnen signalisierten nur 36 beziehungsweise 29 Prozent Zustimmung zu der Maßnahme. Ifop befragte 1.000 repräsentativ ausgewählte Pariser Bürger.
Ausgenommen von dem neuen Tempolimit sind die Ringautobahn Périphérique, Ausfallstraßen und einige größere Verkehrsachsen. Auf der Ringstraße ist der Stadtverwaltung zufolge weiterhin Tempo 70 erlaubt, Achsen wie die Champs-Elysées dürfen mit 50 km/h befahren werden.
Wenig Freunde im Umland
Die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo löst mit Tempo 30 eines ihrer Wahlkampfversprechen ein, das sie vor den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr abgegeben hatte.
Während der Corona-Pandemie baute Hidalgo zudem Radwege stark aus und reduzierte Parkplätze. Vor allem bei Pendlern aus dem Pariser Umland hat sie sich damit wenig Freunde gemacht. Quelle: dpa, AFP
(30.08.21, tagesschau)
Verkehrspolitik in Frankreich: Paris führt fast überall Tempo 30 ein
Verkehrspolitik in Frankreich Paris führt fast überall Tempo 30 ein
Weniger Lärm, weniger tödliche Unfälle – und die Mehrheit der Bürger will es so: Seit heute gilt in Paris auf den meisten Straßen ein Tempolimit von 30 km/h. Konservative laufen Sturm. Von Stefanie Markert, ARD-Studio Paris
Ortseingang Paris – hier wird man ab sofort mit einem Tempo-30-Schild begrüßt. David Belliard, der grüne Beigeordnete im Rathaus für die Umgestaltung des öffentlichen Raums, begründet die Maßnahme so: “Wir antworten damit auf Erwartungen, die unsere Ziele noch toppen.” Die Stadtbewohnerinnen und -bewohner wünschten sich sichere Radwege, breitere Bürgersteige, eine ruhigere Stadt, “in der sie ihre Kinder in die Schule bringen können – ohne Angst, dass ein zu schnell fahrendes Auto sie umfährt”.
Mehrheit für Tempo 30
Die Stadt beruft sich auf ein Umfrage, nach der fast 60 Prozent der Pariser und Pariserinnen mehr oder weniger für Tempo 30 seien. Und auf die Weltgesundheitsorganisation: Ein Zusammenprall mit einem 50 km/h fahrenden Auto sei für einen Fußgänger zu 80 Prozent tödlich. Bei 30 Kilometern pro Stunde dagegen nur zu zehn Prozent.
Mit dem Tempolimit buhlt die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo um die Grünen. Tritt sie 2022 zu den Präsidentschaftswahlen an, ist sie auf deren Stimmen angewiesen. Ex-Umweltministerin Delphine Batho steht schon auf ihrer Seite: “30 km/h – das ist auch eine Maßnahme gegen Lärm. Darüber spricht man nie in Frankreich. Lärm ist aber ein Problem der öffentlichen Gesundheit.”
Falsch, sagt dagegen der französische Verein “40 Millionen Autofahrer”. Geschäftsführer Pierre Chasseray hat Tempo 30 in Paris schon kritisiert, als es noch ein Versprechen vor der Wiederwahl der Bürgermeisterin war: “Das ist eine groteske, dumme Maßnahme, die die Bürger gegeneinander aufbringt. Aber die Medien fahren darauf ab.”
Die Tempo-30-Gegner haben noch ein Argument. Das öffentliche Umweltforschungsinstitut Cerema meldet: Der CO2-Ausstoß liege bei 30 km/h fast 20 Prozent über dem bei 50 km/h. Und zieht sich im Internet gleich aus der Affäre, damit könne man aber öffentliche Verkehrspolitik nicht korrekt bewerten.
Die Pariser Verkehrswende begann 2007 mit dem Fahrradverleih Velib. 2020 kamen 60 Kilometer Corona-Fahrradwege dazu. In naher Zukunft sollen das historische Zentrum autofrei, der Diesel verbannt werden und die Hälfte der 140.000 Parkplätze wegfallen.
Die grün regierte Alpenstadt Grenoble war vor fünf Jahren Frankreichs Vorreiterin bei Tempo 30. Hier hat sich der Straßenverkehr reduziert. Paris lag auch nicht schlecht im Rennen. Denn bislang galt das Limit schon auf fast 60 Prozent der Straßen. Einige Boulevards, darunter die Champs Elysées und die Uferpromenaden entlang der Seine bleiben bei Tempo 50. Die Stadtautobahn bei 70 km/h.
Nüchtern betrachtet scheint Tempo 30 in Paris sowieso nicht realistisch: Denn die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt gerade bei 15 km/h.
Paris probt die Verkehrswende: Metropole wird größtenteils zur Tempo-30-Zone
Die Hauptstadt will damit weniger Unfälle, weniger Lärm und mehr Platz für Radfahrer verwirklichen. Doch gegen die Verkehrswende gibt es auch Widerstand. Von Michael Evers, Tilman Wittenhorst, mit Material der dpa
Für Paris ist es ein weiterer Schritt hin zu einer Verkehrswende und einem Stadtleben, in dem das Auto nicht mehr überall dominiert. Große Teile der französischen Hauptstadt werden von diesem Montag an zur Tempo-30-Zone, die Stadtautobahn und wichtige Verkehrsachsen bleiben ausgenommen. 59 Prozent der Pariser hätten einer Geschwindigkeitsbegrenzung bei einer Umfrage zugestimmt, begründete die Stadtverwaltung den Schritt. 25 Prozent weniger Unfälle, zwei Mal weniger Lärm und mehr Raum insbesondere für Radfahrer lauten die Argumente für den Einschnitt. Auf 60 Prozent der Straßen gelte ohnehin schon Tempo 30, hieß es.
Das neue Tempolimit ist nur eine Maßnahme von etlichen zur Eindämmung der Autolawinen in Paris, die einem Besucher gleich ins Auge springen. Auf vielen Straßen wird im Moment gebaut – und zwar nicht, um zusätzliche Fahrspuren für Autos, sondern für Radfahrer zu schaffen. 52 Kilometer sogenannte Pop-up-Radwege, die während der Corona-Pandemie mit Betonblöcken von den Autospuren abgetrennt wurden, auch als “Coronapistes” bezeichnet, werden im Moment in dauerhafte Radfahrstreifen umgewandelt. Seit dem Lockdown legten die Pariser sieben Prozent ihrer Wege per Rad zurück, vor der Pandemie waren es fünf, sagte die Stadt.
In anderen Straßen müssen die Autos komplett den Fußgängern weichen, öffentliche Begegnungsflächen und Fahrradstellplätze werden geschaffen und Bäume und Gartenflächen gepflanzt. All dies fügt sich in einen 2018 vorgelegten Plan, der der Metropole ein Durchatmen mit mehr Stadtgrün, 1000 Kilometern Radwegen und neuen Straßenbahnlinien versprach. Der Motor hinter vielem ist Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo, die Autos und Luftverschmutzung den Kampf angesagt hat. Bei schlechter Luft wird der Verkehr eingeschränkt, Schadstoff-Plaketten für Autos sind Pflicht. Einige Straßen sind für den Verkehr gesperrt – zum Beispiel das rechte Seine-Ufer –, stattdessen ist dort eine Flaniermeile entstanden.
Parkgebühren für Motorräder und Motorroller
Ohne Kritik bleibt das Tempolimit in Paris aber nicht: Bei der Umfrage nämlich wurden auch Bewohner des Großraums Paris befragt, die nicht alle gleich per Metro an ihr Ziel gelangen können. 61 Prozent von ihnen sprachen sich gegen die Maßnahme aus. Und der Interessenverband der Autofahrer “40 millions d’automobilistes” zweifelt den Zweck der Maßnahme an. Innerhalb von Paris gebe es ohnehin wenig Unfälle, und wenn, dann seien meist Radfahrer betroffen, sagte der Verbandsdelegierte Pierre Chasseray der Zeitung “Le Figaro”. Und der Verkehrslärm werde von den Autoreifen und nicht den Motoren verursacht, weniger Tempo helfe da kaum.
Widerstand droht auch bei weiteren schon angekündigten Maßnahmen in Paris. So sollen ab Anfang kommenden Jahres erstmals auch Motorräder und die in der Metropole beliebten Motorroller Parkgebühren zahlen, E-Motorräder aber ausgenommen. Und Pläne, im Herzen von Paris viele Straßen in Fußgängerzonen zu verwandeln, bringen Kaufleute und Anwohner auf die Palme. Die Pläne seien nun wohl bis 2023 aufgeschoben, schrieb die Zeitung Le Parisien kürzlich.
Tempo-30-Zonen senken Unfallzahlen
Hunderte neue Tempo-30-Schilder mussten in Paris übrigens nicht für die neue Geschwindigkeitsbegrenzung an jede Straßenecke geschraubt werden. An den Einfallstraßen in die Stadt wird einmalig auf die neue großflächig geltende Regelung hingewiesen, das sei ausreichend, befand 2019 der damalige Innenminister. Pionier mit dem stadtweiten Tempolimit ist Paris in Frankreich nicht: Die Großstädte Lille und Grenoble senkten vorher bereits das Tempo. Der Fahrradclub ADFC sieht die französische Hauptstadt allerdings als Vorbild für ähnliche Regelungen in Deutschland.
In Frankreich sind mittlerweile schon in mehr als 200 Städten Tempo-30-Zonen oder sogar ein generelles Tempolimit bei 30 km/h eingerichtet worden. Nach ersten Erkenntnissen zeichnet sich ab, dass an diesen Orten die Zahl der Unfälle um bis zu 70 Prozent abgenommen hat.
“Tempo 30 entspannt das Leben in den Städten, es macht sie sicherer, klimafreundlicher und leiser”, sagte ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider. “Wie in Paris und anderen europäischen Metropolen sollte es auch in deutschen Städten möglich sein, Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit einzuführen.” Tempo 50 könne dann etwa an Hauptverkehrsachsen beibehalten werden, wo es schon breite Radwege gibt. “Paris wird durch Tempo 30 aufblühen, und das sollten deutsche Städte auch.” Lesen Sie auch Bundesregierung will kein generelles Tempo 30 innerorts
Auch in Deutschland gibt es mehrere Projekte, mit denen Tempo 30 großflächig erkundet werden soll. Als ein Projekt für die Bewohner testen etwa sieben deutsche Großstädte großflächig diese Geschwindigkeitsbegrenzung. Nur auf wenigen größeren Ausfallstraßen soll demnach weiterhin die bisherige innerörtliche Beschränkung weiter gelten. Spanien geht sogar erheblich weiter und führt für den Verkehr innerorts fast durchgängig Tempo 30 ein.
Eine Kolumne von Christian Stöcker Diese Woche gab es gleich zwei gute Nachrichten zum Thema Kernfusion. Rettet uns jetzt also doch technische Innovation vor der Klimakatastrophe? Vielleicht – aber nicht so, wie Politiker sich das vorstellen.
Kommerzieller Einsatz der Fusionsenergie dürfte noch Jahrzehnte in der Zukunft liegen
Am 8. August 2021 wurden in der National Ignition Facility der US-Forschungseinrichtung Lawrence Livermore National Laboratory Laserstrahlen mit gigantischer Energie auf ein winziges Kügelchen aus den Wasserstoffisotopen abgefeuert. Das Resultat war, so sieht es das Team dort selbst, »ein historischer Schritt« in der Forschung zum Thema Kernfusion. Deuterium und Tritium verschmolzen zu Helium und setzten dabei eine ungeheure Menge Energie frei – wenn auch noch nicht genug.
In einem winzigen Bruchteil einer Sekunde entstanden mehr als zehn Billiarden Watt Fusionsenergie – das entspräche etwa einem Zehntel aller Sonnenenergie, die zu jedem beliebigen Zeitpunkt die Erdoberfläche erreicht.
Jahrgang 1973, ist Kognitionspsychologe und seit Herbst 2016 Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Dort verantwortet er den Studiengang »Digitale Kommunikation«. Vorher leitete er das Ressort Netzwelt bei SPIEGEL ONLINE.
Sogar skeptische Forscher reagierten optimistisch
Die experimentelle Kernfusionsanlage produzierte so aber immer noch weniger Energie, als dafür investiert werden musste: Die Vernichtung des Kügelchens setzte dem Team zufolge etwa 70 Prozent der Energie frei, die vorher in Form von Laserlicht darauf abgefeuert worden war: 1,9 Megajoule wurden hineingesteckt, 1,3 Megajoule kamen heraus.
Und doch gilt das als spektakulärer Erfolg auf dem Weg zu einer möglichen Zukunft, in der die Menschheit mit der Kraft, die die Sonne selbst am Brennen hält, saubere Energie erzeugen könnte: Bislang hatte die gleiche Anlage gerade mal drei statt jetzt 70 Prozent geschafft. Sogar bislang skeptische Forscher äußerten sich beeindruckt und optimistisch.
Ziel der Fusionsforschung ist es, eine Kernfusionsreaktion zu erzeugen, die so viel Energie freisetzt, dass sie sich anschließend selbst aufrechterhalten kann. Auf Deutsch wird dieser Punkt schlicht »Zündung« genannt: Man hätte gewissermaßen eine Miniatursonne hier auf der Erde zur Verfügung. Eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle, angetrieben mit Wasserstoffisotopen, die kaum radioaktiven Abfall erzeugt. Mehr zum Thema
In Europa wird unterdessen an mehreren Standorten an anderen Möglichkeiten geforscht, Fusionsenergie zu erzeugen. Der international finanzierte Forschungsreaktor ITER, ein sogenannter Tokamak-Reaktor in Frankreich, soll Mitte der 2020er-Jahre fertig werden – wird aber frühestens in den Dreißigern wirklich den Betrieb aufnehmen. Er soll ultraheißes Plasma in einer gigantischen Doughnut-Form aus extrem starken Magneten erzeugen und im Zaum halten.
In Greifswald wiederum steht die Anlage Wendelstein 7-X, die nach einem dritten Prinzip funktionieren soll. Sogenannte Stellarator-Reaktoren hatten bislang aber einen gravierenden Nachteil gegenüber Tokamaks: Das Plasma verliert darin zu viel Energie. Auch aus Greifswald aber gab es nun positive Nachrichten: In »Nature« veröffentlichten beteiligte Forscher eine Berechnung, der zufolge »in dem optimierten Magnetfeldkäfig« die Energieverluste des Plasmas »in gewünschter Weise reduziert« sind.
Die Ergebnisse geben der Hoffnung neue Nahrung, dass es mit der Fusionsenergie eines Tages doch klappen könnte – mit Betonung auf »Hoffnung« und »eines Tages«. Der ITER-Chef rechnet damit, dass man sechs oder sieben Minuten feurig fusionierendes Plasma dort frühestens 2035 wird erzeugen können. Kommerzieller Einsatz der Fusionsenergie dürfte noch Jahrzehnte in der Zukunft liegen, wenn sie jemals möglich wird. Zur Einordnung: ITER ist schon seit 2007 im Bau.
Bis ITER anläuft, ist es noch heißer
Das Problem ist: So viel Zeit hat die Menschheit nicht. Nach einem durchgesickerten Entwurf des nächsten Berichtes des Weltklimarates »müsste der globale Ausstoß von Kohlendioxid vor 2025 seinen Höhepunkt erreichen, also spätestens in drei Jahren«, wie die »Tagesschau« berichtet. Und auch damit wäre nur eine Begrenzung auf zwei Grad Erhitzung möglich. Es kann gut sein, dass die Welt schon um 1,5 Grad heißer als zu vorindustriellen Zeiten ist, wenn ITER das erste Mal Plasma produziert. Mehr zum Thema Kernfusionsforschung: Die Zähmung der Sonne Von Susanne Götze
Vor diesem Hintergrund ist das auch im bundesdeutschen Wahlkampf derzeit vor allem von Union und FDP mantrahaft wiederhole Wort »Innovation« zu sehen: Wir brauchen dringend Innovation, wir müssen auch darauf hoffen, dass uns viele gute Ideen retten werden. Aber wir können uns nicht darauf verlassen, und wir haben auch gar keine Zeit dafür.
Innovation ist im Moment ein politisches Codewort für »Nichtstun«
Was nötig ist, sind drastische, schnelle Reduktionen unseres CO₂- und auch unseres Methanausstoßes. Die erreichen wir nicht mit ominösen »Zukunftstechnologien«, sondern, indem wir so schnell wie möglich unsere Energieversorgung umstellen, weg von Kohle und Öl, hin zu erneuerbaren Energien.
Das entspräche übrigens sogar der Definition von »Innovation«, die deren Erfinder, der Ökonom Joseph Schumpeter, einmal so formuliert hat: Für Schumpeter gehörte nicht nur die Erfindung oder »neue Kombinationen« bestehender Techniken, Systeme oder Ideen zur Innovation, sondern auch deren Durchsetzung am Markt.
Die Durchsetzung erneuerbarer Energien wird gerade hierzulande nicht zuletzt durch Marktversagen verhindert: Nach wie vor werden diejenigen, die fossile Brennstoffe verbrennen, nicht angemessen für die Folgeschäden zur Kasse gebeten. Das nennt man Vergesellschaftung negativer Externalitäten: Wir machen’s kaputt, und ihr bezahlt.
Wie man Innovation fördert
Wenn deutsche Politikerinnen und Politiker Innovation fördern möchten, dann müssen sie vor allem dafür sorgen, dass für CO₂-Erzeugung endlich faire Preise bezahlt werden – und mehr Geld in Forschung stecken. Dann werden die anderen, sauberen Geschäftsmodelle nämlich auf einen Schlag lukrativ – und der Markt, der doch so gut ist, Innovationen den Weg zu bereiten, kann wirklich sein Werk tun. https://spiegel-online-neu-profil.newsletter2go.com/unter-zwei.html
Die Fürsten des Kapitals haben das übrigens, anders als manche deutschen Volksvertreter, längst begriffen. Das zeigt sich an den gigantischen Investitionen, die derzeit in Klimainnovationen fließen: BloombergNEF schätzt, dass 2020 schon 500 Milliarden Dollar in die Energietransformation gesteckt wurden, weit mehr als die Hälfte davon in erneuerbare Energien. In den USA werden dem »Economist« zufolge 2021 60 Milliarden an Wagniskapital in »Climate Tech«-Start-ups investiert. Und einige der größten Private-Equity-Fonds der Welt setzten allein im Juli dieses Jahres Klimafonds im Wert von 16 Milliarden Dollar auf.
Sogar die Oberklimaleugner investieren jetzt
Buchtip
Das Experiment sind wir: Unsere Welt verändert sich so atemberaubend schnell, dass wir von Krise zu Krise taumeln. Wir müssen lernen, diese enorme Beschleunigung zu lenken.
Herausgeber: Karl Blessing Verlag Seitenzahl: 384 Für 22,00 € Produktbesprechungen erfolgen rein redaktionell und unabhängig.
Sogar Koch Industries, die Firma, deren Gründer maßgeblich für die jahrzehntelange Leugnung des menschengemachten Klimawandels agitieren ließen, will demnach 350 Milliarden Dollar »langfristiges, geduldiges Kapital« in die Transformation der Energieversorgung investieren.
Der Markt hat längst verstanden, wohin die Reise geht, und auch Investoren haben Kinder. Doch Schumpeters »schöpferische Zerstörung« der fossilen Industrien wird derzeit nicht zuletzt von einer Politik verhindert, die mit allen Mitteln versucht, sterbende Technologien wie Kohlestrom und den Verbrennungsmotor noch ein bisschen am Leben zu erhalten.
Im Moment wird die so oft gepriesene Innovation vielfach nicht gefördert, sondern aktiv verhindert. Um Georg-Ludwig von Breitenbuch zu zitieren, den haushaltspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag: »Jedes zusätzliche Windrad im Land schwächt die Situation der Braunkohle.«
Bei weiter steigenden Treibhausgas-Emissionen ist die Welt nur noch drei Jahre davon entfernt, selbst das Zwei-Grad-Klimaziel zu verspielen. Diese Gefahr sieht der Weltklimarat laut einem durchgesickerten Berichtsentwurf. Von Volker Mrasek, WDR
Die globale Erwärmung noch vor Überschreiten der 1,5-Grad-Schwelle zu stoppen – dieses hehre Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens muss man wohl inzwischen verlorengeben. Doch selbst für eine Beschränkung auf zwei Grad bleibt offenbar nur noch verschwindend wenig Zeit. Dafür müsste der globale Ausstoß von Kohlendioxid vor 2025 seinen Höhepunkt erreichen, also spätestens in drei Jahren. So steht es in einem Text aus der Feder des Weltklimarates, der im März nächsten Jahres erscheinen soll. Konkret handelt es sich um den Entwurf einer Kurzfassung von Teil III des neuen Weltklimareports. Er befasst sich mit Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels.
Eine Organisation namens “Scientist Rebellion” hat das vertrauliche Papier, das dem WDR vorliegt, in Umlauf gebracht. Dahinter stecken nach eigener Aussage Wissenschaftler, für die energisches Handeln gegen die Erderhitzung keinerlei Aufschub mehr duldet. Es sei zu befürchten, dass der Berichtsteil in der späteren Schlussfassung durch die Politik verwässert werde, so die Aktivisten. Klima-Bibel in drei Teilen
Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (engl.: Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) veröffentlicht seine Sachstandsberichte in drei Teilen. Der Report von Arbeitsgruppe I befasst sich mit den physikalischen Grundlagen der globalen Erwärmung und gibt den Stand der eigentlichen Klimaforschung wieder. Teil II erörtert die Auswirkungen des Klimawandels und Teil III Maßnahmen zu seiner Minderung.
Der inzwischen sechste Weltklimareport hat sich durch die Corona-Krise um Monate verzögert. Arbeitsgruppe I hat ihren fast 4000-seitigen Bericht nun Anfang August vorgelegt. Die Teile II und III sollen im Februar und März des nächsten Jahres erscheinen. Von ihnen und deren Kurzfassungen, den “Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger”, existieren bisher nur vertrauliche Entwürfe.
Kurze Gnadenfrist für fossile Brennstoffe
Global gesehen hinkt die Energiewende den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens laut dem Entwurf weit hinterher. Soll das 1,5-Grad-Ziel weiter die Richtschnur bleiben, dürfen Kohle- und Erdgaskraftwerke deshalb nur noch neun beziehungsweise zwölf Jahre lang betrieben werden. Für das Zwei-Grad-Ziel verlängern sich die Restlaufzeiten auf 16 beziehungsweise 17 Jahre. Diese Rechnung hat allerdings einen Haken: Sie berücksichtigt keine neuen Anlagen, wie sie etwa in China und der Türkei noch immer gebaut und projektiert werden.
An anderer Stelle des Berichtsentwurfs heißt es, alle heutigen und geplanten fossilen Kraftwerke werden noch fast 850 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Luft emittieren. Das sei mehr als doppelt so viel CO2 wie für das Erreichen des 1,5-Grad-Zieles noch erlaubt wäre. Selbst das verbleibende Budget für das Zwei-Grad-Ziel – laut Weltklimarat 870 Milliarden Tonnen – sei damit fast ausgeschöpft.
Die IPCC-Autorinnen und -autoren sehen vor allem die Wohlstandsländer in der Pflicht, drastisch umzusteuern. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung verursachten um die 40 Prozent aller Treibhausgasemissionen. Zwei Drittel von ihnen lebten in Industrie-, ein Drittel in Schwellenländern. Die ärmsten zehn Prozent seien dagegen nur für vier Prozent des Gesamtausstoßes verantwortlich.
Der “stärkste Emissionstreiber” sei nicht etwa die Zunahme der Weltbevölkerung, sondern der stetige Anstieg des Bruttosozialproduktes in den entwickelten Ländern der Erde. Exemplarisch dafür ist die im Entwurf genannte starke Zunahme “treibhausgasintensiver Aktivitäten” im zurückliegenden Jahrzehnt. So sei der Luftverkehr um 29 Prozent gewachsen, die Nutzung von SUVs im Straßenverkehr um 17 Prozent und der Energiebedarf für Klimaanlagen um 40 Prozent. Wie das Papier außerdem betont, seien beträchtliche Emissionen in Entwicklungsländern mit der Produktion von Exportgütern für reiche Länder verbunden. 2015 habe dieser Anteil bei 41 Prozent gelegen.
In dem Entwurf wird beklagt, dass Methan und Lachgas in vielen nationalen Klimaschutzstrategien bisher gar nicht berücksichtigt seien. Die beiden Treibhausgase stammen unter anderem aus der Rinderhaltung und dem Einsatz von Stickstoffdünger. Dem Agrarsektor attestiert der IPCC-Entwurf daher enormen Nachholbedarf: “In den Szenarien, die die Erwärmung auf 1,5 und zwei Grad begrenzen, müssen Land- und Forstwirtschaft ihre Maßnahmen zur Emissionsminderung innerhalb dieses Jahrzehnts um das Fünffache und bis 2050 um das Zehnfache steigern.”
400 Milliarden US-Dollar müssten dafür im globalen Agrarsektor jedes Jahr umgeschichtet werden. Ein großes Potenzial zur Vermeidung von Emissionen stecke in einer schonenderen Bodenbearbeitung und einem besseren Nährstoffmanagement in Feld und Stall – und auf Verbraucherseite in der Vermeidung von Lebensmittelabfällen sowie im Umstieg auf eine fleischärmere Ernährungsweise: “Eine pflanzenbasierte Kost könnte bis zu 50 Prozent der Emissionen vermeiden, die heute mit der sogenannten westlichen Ernährung verbunden sind”, konstatiert der Entwurf.
Sollte Klimaschutz “hip” sein?
Problematisch sieht der IPCC die fortschreitende Urbanisierung. Städte könnten im Jahr 2050 90 Milliarden Tonnen Beton, Zement und andere Baumaterialien benötigen, mehr als doppelt so viel wie 2010. Mögliche Lösungen, um dem zu begegnen, sieht der Bericht in einem stärkeren Materialrecycling, im Vermeiden von unnötigem Bauschutt und der Nutzung von Holz für den Häuserbau.
Im Verkehrsbereich wird Altbekanntes, aber nicht ausreichend Umgesetztes empfohlen: eine stärkere Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Car-Sharing-Angebote, der Verzicht auf Flugreisen und vielleicht sogar auf das Auto: Für “Leute mit hohem sozioökonomischem Status” sei es ohne Weiteres möglich, ihre Emissionen zu reduzieren und so zu “Trendsettern für einen kohlenstoffarmen Lebensstil” zu werden, liest man im Text. Zehn bis 30 Prozent der Bevölkerung müssten mitmachen: “Dann entwickeln sich neue gesellschaftliche Normen.”
Windkraftanlagen werden immer größer – aber nicht alle. Weltweit stellen sich immer mehr Menschen kleine Windturbinen hinters Eigenheim. Das Ziel: Unabhängigkeit. Funktioniert das? von Katja Maria Engel
Eigentlich sagt sie Physik: hohe Windräder ernten mehr Energie als niedrigere, denn in der Höhe weht der Wind schneller. Doch das scheint Hugh Pigott nicht zu scheren. Der schottische Ingenieur fertigt handgeschnitzte Holzklingen für Kleinwindräder. Und so sägt, hobelt und stemmt er seit mehr als zwei Jahrzehnten aus massivem Holz die Flügel für Windräder, die so niedrig sind, dass sie kaum einen ausgewachsenen Baum überragen.
Doch während Pigott unermüdlich aus Passion für eine Back-To-The-Roots-Bewegung für Selbstversorger zimmert, könnte die Kleinwindbranche dank Hightech neuen Auftrieb erhalten. Fachleute haben nicht nur ein Kleinwindrad konstruiert, das sich auch bei einer schwachen Brise im Binnenland noch effizient drehen soll. Es ist zudem klein genug, dass Privatleute sie in ihrem Garten aufstellen können.
Das Problem: wie die Windkarte des Deutschen Wetterdienstes zeigt, weht ausreichend starker Wind meist nur nahe der Küste. Wenn Kleinwindanlagen aus der Liebhaberecke herauskommen sollen, müssen sie sich daher auch bei einer schwachen Brise drehen. Eine Arbeitsgruppe der Fraunhofer-Gesellschaft will das mit einem neuen Windradflügel ändern. Denn an den Orten, wo eine leichte Brise gerade einmal leicht spürbar ins Gesicht haucht und die Blätter am Baum rascheln lässt, könnte damit auch dieser Wind effizient geerntet werden. »Zwar gibt es schon Kleinwindanlagen, aber jetzt kann ich auch im Binnenlandbereich und nicht nur in den Küstenregionen eine ausreichende Leistungsausbeute bekommen«, sagt Professor Holger Seidlitz vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung in Potsdam. »Und zwar dort, wo ich Windgeschwindigkeiten mit weniger als drei Meter pro Sekunde habe«,
Wo der Wind weht
Laut einer weltweiten Marktuntersuchung des Windenergie-Weltverbands WWEA gab es Ende 2011 weltweit 334 Hersteller für Kleinwindkraftanlagen. Die meisten mit je knapp 60 sitzen in den USA und China. Auch in Deutschland gibt es immerhin 27 Hersteller, sie allerdings exportieren einen großen Teil ihrer Produktion. In Deutschland ist die Bedeutung von Kleinwindenergieanlagen (KWEA) für die Deckung des Gesamtenergieverbrauchs gering. In einer Studie von 2019 des Zentrums für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung in Stuttgart liefern solche Anlagen hierzulande knapp 40 Megawatt, weniger als 0,1 Prozent der gesamten an Land installierten Windkraftleistung von über 55 Gigawatt.
Die Zahlen basieren allerdings überwiegend auf Schätzungen. Im Gegensatz zu Photovoltaik werden Kleinwindanlagen in Deutschland nicht statistisch erfasst. Meist decken sie dem Eigenbedarf von Eigenheimbesitzern, kleinen Gewerbebetrieben und landwirtschaftlichen Betrieben. Ein Grund dafür sind auch die ungünstigen Windverhältnisse. Normalerweise gilt auch bei Kleinwindanlagen: Orte mit weniger als vier Metern pro Sekunde sind eher kein guten Standort für die drehenden Windsammler. Dabei überwiegen in Deutschland genau diejenigen Orte mit der schwachen Brise mit drei Metern pro Sekunde in zehn Meter Höhe.
Dass man zehn Meter als Richtwert ansetzt, hat einen guten Grund. Zwar fallen auch höhere Windräder mit bis zu 50 Meter unter die Definition von Kleinwindenergieanlagen (KWEA). Doch Windräder von der Höhe eines durchschnittlichen Einfamilienhauses können in einigen Bundesländern ohne Genehmigung aufgestellt werden. »In den meisten Bundesländern reicht dafür eine Bauanzeige« erklärt Beloch, Projektpartner der Fraunhofer-Arbeitsgruppe. Die Regeln seien allerdings so unterschiedlich je Land wie die für die Corona-Pandemie, sagt Seidlitz. Und so sind sie in NRW genehmigungsfrei, außerhalb von Wohn- und Mischgebieten.
Das Problem mit dem Vogelschutz
In den windreicheren Gegenden in Brandenburg und Niedersachsen müssen sie dagegen immer genehmigt werden. Und in Baden-Württemberg und Bayern sind sie wiederum nur dann genehmigungsfrei, wenn keine Naturschutzgründe dagegen sprechen. Mögliche Faktoren dabei nennt Kai-Michael Thomsen vom Michael-Otto-Institut im Naturschutzbund NABU – so seien auch zehn Meter hohe Windräder nicht unbedenklich für Vögel. Thomsen ist zusammen mit anderen Forschern und Forscherinnen Autor einer ersten Studie zu Kleinwindanlagen. Wie diese Gefährdung am jeweiligen Standort abgeschätzt werden kann, demonstrieren sie in einem praktischen Modell. Demnach seien bei Kleinwindanlagen eben nur nicht Rotmilan und Mäusebussard gefährdet, sondern eher die tiefer fliegenden Stare und Dohlen. Es ist aber immer durchschnittlich ein Vogel, der je Anlage pro Jahr getötet wird. Kleinwindräder führen so gemessen an der installierten Leistung theoretisch zu mehr Opfern.
Das liegt daran, dass man für die gleiche Leistung mehr kleine Windräder braucht. So kann ein neu errichtetes Großwindrad an Land inzwischen schon mehr als 5 Megawatt Leistung abgeben. Die der Kleinwindanlagen reicht von 300 Watt bis zu 100 Kilowatt, was der eines Autos mit 135 PS entspricht. Von allen diesen kleinen Windsammlern soll es in Deutschland um die 20 000 Stück geben, schreibt Patrick Jüttemann in seinem Fachportal für Kleinwindkraftanlagen. Er berät als Experte private und gewerbliche Betreiber von Kleinwindanlagen und schätzt, dass 80 Prozent kleiner als zehn Meter sind und ein Großteil eine Leistung von zwei Kilowatt hat.
Für diesen Typ Anlagen optimiert die Arbeitsgruppe um Seidlitz ihren Windradflügel. Die Leistung des neuen Designs soll drei Kilowatt betragen. Die Flügel sind aus Faserstreifen aufgebaut, die in eine Form eingelegt werden und, getränkt mit flüssigem Harz, zu einem stabilen Leichtbauteil verkleben. Geschieht dieses sehr präzise und ohne Überlappungen zwischen den Streifen, verringert sich das Gewicht des Rotorblattes um bis zu 35 Prozent im Vergleich zu üblichen Kleinwindrotoren, so das Team.
Klein, leicht – wirtschaftlich?
Das Gewicht aber ist ein wesentlicher Faktor für die Effizienz. Gleichzeitig konnten sie die Fläche um 45 Prozent vergrößern, damit die Flügel auch bei einer schwachen Brise noch Schwung aufnehmen. Und stürmt es zu sehr, sind sie elastisch genug, um sich selbstständig aus dem Wind zu drehen. Das erspart Elektronik oder mechanische Elemente fürs Abschalten der kleinen Windflügel, die nur drei Meter lang sind. Zum Vergleich: Rotorblätter der neuesten Generation der größten Windräder sind inzwischen 115 Meter lang, so lang wie ein Fußballfeld.
Wie gut ihre Windanlage im Binnenland funktioniert, testen sie zusammen mit der Firma Beloch für Gebäudetechnik in Luckau unter realen Bedingungen. Seit einem Jahr dreht sich im 1000 Quadratmeter großen Garten eines Eigenheimbesitzers im Ortsteil Cahnsdorf, rund 80 Kilometer südlich von Berlin, schon das Vorgängermodell. Seit August 2021 dreht sich auch der superleichte neue Rotor unter realen Bedingungen. Der Standort ist gut gewählt, auf drei Seiten gibt es freie Ackerflächen, ein Baum und die Gebäude haben auch einen größeren Abstand. Denn schaut man in die Windkarte des Deutschen Wetterdienstes, so findet man hier im Durchschnitt eher extrem ungünstige Verhältnisse.
In zehn Meter Höhe herrschen durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten von unter drei Metern pro Sekunde. 2020 Jahr war dennoch wohl ein gutes Windjahr, so hatten sie Windgeschwindigkeiten von vier bis fünf Meter pro Sekunde und 900 Betriebsstunden. Mit dem neuen Flügeldesign erwarten sie auch bei den unteren Windgeschwindigkeiten einen Zuwachs, so der Geschäftsführer Beloch. Damit könnten sehr viele mehr kleine Windräder im Binnenland in Deutschland wirtschaftlicher werden. Eine Windanlage ist dann effizient, wenn sie auch aus diesen geringen Windstärken Energie erzeugt und sich die Flügel möglichst schnell zu drehen beginnen.
Der Traum von der Unabhängigkeit
Einer der Gründe für eigenen Windstrom sei es, eigenen Ökostrom zu erzeugen, sagt Patrick Jüttemann vom Fachportal Kleinwindanlagen. Allein mit Photovoltaik seien die Erträge dagegen im Herbst und Winter zu gering. Ein zweiter Grund für private Hausbesitzer und Gewerbetreibende sei der Wunsch nach Energieautarkie. Und mit Wind und Sonne seien 80 Prozent Autarkie realistisch für Strom und Wärme.
In Deutschland beträgt nach einer groben Abschätzung der solare Energieertrag rund 800 Kilowattstunden je Kilowatt installierter Leistung. Kleinwindkraft kann da nicht mithalten. Auch ein Kleinwindrad im Binnenland kann zwar 900 Volllaststunden erreichen, aber in zehn Meter Höhe bremst schon ein Baum oder ein Haus, das zu nah am Windrad steht, den Wind aus. Jüttemann hält drei Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit für »definitiv zu wenig«. Er schreibt, dass kleine private Windanlagen mit einer Leistung von unter fünf Kilowatt in der Regel zwar Strom erzeugen, der aber teurer als der aus dem Stromnetz ist.
Auch Seidlitz berichtet, den meisten Interessenten gehe es nicht um die Entscheidung zwischen Photovoltaik oder Windrad, sondern darum, unabhängig zu werden. Diese Kombination aus beidem mit einem langfristigeren Speicher als Batterien schaffe einem hohen Grad an Autarkie. Denn der Wind blase meist zu anderen Zeiten als die Sonne scheine. Und so entwickelt die Arbeitsgruppe zurätzlich ein Konzept, um die ganze Energie in einem optimierten Langzeitspeicher mit Wasserstoff zu bunkern. Besitzer von Wasserstoffautos könnten ihr Auto dann zukünftig direkt zu Hause mit eigener Energie betanken, bewerben die Kooperationspartner ihre Entwicklung.
Das kann den kleinen Anlagen vielleicht doch etwas mehr Auftrieb geben. Zusätzlich ist das Windrad im Garten auch noch verhältnismäßig leise, und »so ein kleines Windrad keinen Infraschall produziert und nicht dieses laute ›Wuch-Wuch‹ zu hören ist«, wie Seidlitz anmerkt. Wie laut die Neuentwicklung von ihm einmal ist, müssen sie erst noch messen. Das hat das Unternehmen iQRON in Dresden, das ebenfalls kleine Windräder baut, bereits getan. Die Firma bewirbt sie als »besonders geräuscharm«. Mit 35 Dezibel sind die Anlagen in etwa so laut wie ein Zimmerventilator.
Das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln IV hätte an seinem Standort nicht gebaut werden dürfen, das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan gekippt. Das Kraftwerk bleibt aber am Netz.
Datteln IV ist das einzige Kohlekraftwerk in Deutschland, das trotz der Vereinbarung zum Kohleausstieg neu ans Netz ging. Jetzt hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster festgestellt, dass der Bebauungsplan ungültig ist. »Der Bebauungsplan der Stadt Datteln ist unwirksam«, sagte der Vorsitzende Richter Detlev Klein Altstedde zum Abschluss der Verhandlung in Münster. Die Standortauswahl für das Kraftwerk sei fehlerhaft gewesen.
Außerdem hätte der Regionalverband bei seiner Planung auch Alternativen wie beispielsweise die Errichtung eines Gaskraftwerks in Betracht ziehen müssen, urteilte das Gericht weiter. Ein solches Gaskraftwerk stelle »wesentlich geringere Anforderungen an den Raum« und habe »erheblich weniger Auswirkungen auf die Umwelt«.
Die Umweltorganisation BUND, die gegen Datteln IV geklagt hatte, begrüßte die Entscheidung. »Das ist ein ganz wichtiger Sargnagel für das Projekt Datteln IV«, sagte ihr NRW-Geschäftsleiter Dirk Jansen.
Datteln IV ist seit Mitte 2020 in Betrieb. Ein großer Teil des Stroms geht an die Deutsche Bahn. Nach der Rettung des Hambacher Forstes vor den Baggern des Energiekonzerns RWE haben Umweltschützer Datteln IV verstärkt ins Visier genommen. Mehr zum Thema
Das Kraftwerk geht aber nach der Entscheidung des Gerichts nicht vom Netz, denn sie betrifft nicht die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Kraftwerks. Diese will der BUND aber ebenfalls noch vor Gericht kippen, ein Verfahren ist vor einem anderen Senat des OVG in Münster anhängig.
»Das Gericht hat heute nicht über die Stilllegung von Datteln IV entschieden, sondern über formale Aspekte des Planungsrechts«, sagte der Uniper-Sprecher. Uniper gehe weiter von einer Rechtmäßigkeit der für das Kraftwerk erteilten Genehmigung aus, dieses werde weiter betrieben.
Der BUND erwartet indes, dass das Urteil Rechtskraft erlangen werde. Dann müsse die zuständige Bezirksregierung in Münster Datteln IV die Betriebsgenehmigung entziehen. Die Entscheidung des Gerichts sei auch eine »politische Klatsche« für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, der sich hinter Datteln IV gestellt habe
Die Klimakrise verändert das Wetter in Deutschland: Dem Deutschen Wetterdienst zufolge wird es in Zukunft weniger zu großflächigem Dauerregen kommen. Dafür stellt Starkregen ein immer größeres Risiko dar.
Im Juli kam es auch im Landkreis Miesbach in Bayern zu schweren Unwettern
Es wird in den kommenden Jahren weniger oft nieseln, aber immer häufiger schütten. Die steigenden Temperaturen verändern die Art der Niederschläge in Deutschland. Statt großflächigem Dauerregen werde es häufiger kleinräumigen Starkregen geben.
Das ist das Ergebnis einer Studie, die der Deutsche Wetterdienst vorgestellt hat. Erarbeitet wurde die Studie in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, dem Technischen Hilfswerk und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung.
Klimakrise : Lesen Sie mehr über die neuesten Entwicklungen, Hintergründe und spannenden Lösungsansätze in unserem Themenspezial. Alle Artikel
Klimaprojektionen deuteten darauf hin, dass sich die Zahl der Extremwettereignisse durch den Klimawandel erhöhen und intensivieren könnten. Eine Folge ist die Zunahme starker Regenfälle.
Grundlage der Erhebung sind Niederschlagsdaten der Wetterstationen seit 2001. Aus diesen Daten erstellten die Expertinnen und Experten einen Katalog extremer Niederschläge in Deutschland. Dabei zeigte sich: In wärmeren Regionen tritt Niederschlag häufiger als kleinräumiger Starkregen auf und weniger in Form von Dauerregen, der über mehrere Stunden oder Tage anhält.
Extreme Starkregen von kurzer Dauer, wie bei Gewittern, könnten deutlich größer und stärker werden. Deshalb komme insgesamt auch nicht weniger Wasser vom Himmel: Vermehrter Starkregen führe zu einem erhöhten Gesamtniederschlag und zu potenziell größeren Schäden.
Die Gefahr hängt auch vom Wohnort ab
»Starkregen kann jeden treffen«, sagte Tobias Fuchs, der Leiter der Klima- und Umweltberatung beim Deutschen Wetterdienst. Doch bestimmte Faktoren wie die Topografie und der Grad der Flächenversiegelung hätten einen Einfluss auf die konkrete Gefahr. Die Orte, an denen Feuerwehren wegen Starkregens im Einsatz sind, befinden sich der Studie nach häufiger in Senken und in dicht besiedelten Gebieten, in denen viele Flächen versiegelt sind.
Die Behörden forderten, die Erfassung der Einsatzdaten weiterzuentwickeln. Bislang fehle eine Datenbasis für ein flächendeckendes und organisationsübergreifendes Lagebild, dass die Einsatzbelastung bei Starkregen abbildet. Eine Mehrbelastung der Einsatzkräfte des Bevölkerungsschutzsystems müsse sichtbar gemacht werden. »Die klimagerechte Stadt braucht Stadtgrün«
Peter Jakubowski, Präsident des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Die beteiligten Behördenvertreter und -vertreterinnen sprachen sich zudem für mehr Engagement aus, um den Temperaturanstieg zu begrenzen. Es sei notwendig, eine Infrastruktur aufzubauen, »die die Schadenswirkung von Starkregenereignissen, insbesondere in urbanen Regionen, abfedern kann«, sagte Fuchs.
Der Präsident des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Peter Jakubowski, sagte, Städte müssten »kompakt, klimagerecht und wassersensibel umgebaut werden«. Man müsse sicherstellen, dass möglichst viel Niederschlag versickern kann und Starkregen besser aufgehalten wird. Ein solcher Umbau sei teuer und zeitaufwendig.
Deswegen, forderte Jakubowski, müsse über zusätzliche Förderungen diskutiert werden. »Die klimagerechte Stadt braucht Stadtgrün und den Schutz von Freiräumen durch kompakte Bebauung«, sagte Jakubowski. Und: »Entsiegeln ist die Kernaufgabe, der sich die Stadtplanung und -entwicklung widmen muss.«
Die Hochwasserkatastrophe, die im Juli vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zu schweren Verwüstungen und mehr als 180 Toten führte, sei ein extrem seltenes Ereignis gewesen, hieß es vom Deutschen Wetterdienst. Derartige Niederschlagsmengen träten statistisch betrachtet alle 100 Jahre oder seltener auf.
Die Zeiten sind vorbei, in denen der Stromverbrauch aufgrund der Corona-Pandemie sinkt. In diesem ersten Halbjahr wurden im globalen Mittel wieder mehr CO2-Emissionen durch den Stromsektor ausgestoßen als vor Pandemieeinbruch. Das geht aus dem globalen Elektrizitätsbericht hervor, der am Mittwoch von der Denkfabrik Ember veröffentlicht wurde. Demnach stiegen die Emissionen im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 um 12 Prozent und im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 um fünf Prozent an. Denn auch die Stromnachfrage liegt fünf Prozent über dem präpandemischen Niveau. Der Anstieg ist jedoch zu 90 Prozent auf China zurückzuführen. Auch wenn erneuerbare Energien weiter ausgebaut werden – als Stromquelle überholen sie erstmals die Atomkraft und sind damit Quelle für rund 10 Prozent des weltweit genutzten Stroms. Der Strombedarf nahm gerade in China so rasant zu, dass man nicht mehr hinterherkam. Deshalb musste man für die Stromdeckung zu über zwei Drittel auf Kohlestrom zurückgreifen. Damit stieg der Kohlestromanteil dortzulande um 15 Prozent.
Wenn man China aus der Statistik lässt, zeigt sich ein globaler Rückgang von Kohlestrom. Insgesamt stieg der Kohleverstromung jedoch um 5,6 Prozent. Damit bleibt Kohle weltweit die Stromquelle Nummer Eins, gefolgt von Gas und Öl. Der Ausbau erneuerbarer Energie vollzieht sich also nicht schnell genug. Denn die NET Zero Road Map der IEA rechnete aus, dass die weltweite Stromnachfrage bis 2030 um 50 Prozent steigen wird. Gleichzeitig muss man die weltweiten CO2-Emissionen des Stromsektors im Vergleich zu 2019 um 57 Prozent senken, um das 1,5-Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Der Hauptstudienautor Dave Jones von Ember bilanziert daher: „Die katapultartigen Emissionen im Jahr 2021 sollten weltweit die Alarmglocken schrillen lassen. Wir bauen nicht besser, sondern schlechter zurück. Eine superschnelle Umstellung der Stromversorgung in diesem Jahrzehnt ist entscheidend, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Energiewende findet statt, aber mit geringer Dringlichkeit: Die Emissionen gehen in die falsche Richtung.“
In Deutschland ist das Bild folgendes:
Laut europäischem Elektrizitätsbericht aus dem Juli diesen Jahres sank der Kohlestromanteil im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zu 2019 um knapp 15 Prozent. Auch der Anteil erneuerbarer Energien sank um 4 Prozent. Das liegt allerdings an schlechten Windbedingungen. Dieses Stromdefizit glich fossiles Erdgas aus – diese Stromquelle erfuhr einen Zuwachs von 12 Prozent. Trotzdem lag der Anteil erneuerbaren Stroms im Juli diesen Jahres bei 47,1 Prozent.
Tempo 30 innerorts soll für Fußgänger und Radfahrer die Straßen sicherer machen, den Verkehrslärm reduzieren und die Luftbelastung senken.
Sieben deutsche Großstädte wollen in einem Politprojekt großflächig Tempo 30 testen. Nur auf den wenigen Hauptverkehrsstraßen soll dann noch die vor 65 Jahren erstmals eingeführte, allgemeine innerörtliche Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h zulässig sein.
“Wir wollen den Verkehr in den Städten effizienter, klimaschonender und sicherer machen”, sagte Städtetagspräsident, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Dafür bräuchten die Städte mehr Entscheidungsspielraum als bisher. “Die Kommunen können am besten entscheiden, welche Geschwindigkeiten in welchen Straßen angemessen sind.”
Die sieben Städte betonen, dass es sich nicht um eine Initiative gegen Autofahrer handele. Es sei ein Projekt für die Bewohner der Kommunen. “Die Leistungsfähigkeit für den Verkehr wird durch Tempo 30 nicht eingeschränkt, die Aufenthaltsqualität dagegen spürbar erhöht”, heißt es in einer Erklärung der Städte. Besonders für Fußgänger und Radfahrer würden die Straßen sicherer. Zudem werde der Verkehrslärm reduziert und die Luftbelastung geringer. Unterstützt wird das Projekt auch von der Initiative Agora Verkehrswende, die neue Klimaschutzstrategien erarbeiten will.