Klimaschutz: Autarkes Wohnen im Wasserstoff-Haus

(25.07.21 , aus capital ) , Original : hier

Wasserstoff ist mittlerweile auch im Eigenheim angekommen. Dank einer Kombination aus Solarenergie und Wasserstoff können Verbraucher vollständig autark und klimaneutral wohnen – doch dafür müssen sie derzeit noch tief in die Tasche greifen von Marilena Piesker 25. Juli 2021

Hausbesitzer könnten in Deutschland künftig völlig autark leben: Denn dank Wasserstoff lassen sich Strom und Wärme einfach zu Hause produzieren. Das Prinzip dahinter ist simpel: Solarmodule auf dem Dach sammeln Sonnenenergie, die sich mittels Elektrolyse in Wasserstoff umwandeln lässt. Eine Brennstoffzelle im Keller des Hauses macht aus dem Wasserstoff Strom und speist ihn ins Haus ein.

Energie, die nicht genutzt wird, verbleibt in einem Speicher. Bei dem Prozess entsteht zusätzlich Wärme, die Hausbesitzer zum Heizen verwenden können. Das Neue daran: Weil der selbstproduzierte Solarstrom den Wasserstoff generiert, sind Strom und Heizung klimaneutral – sie verursachen also keine CO2-Emissionen mehr.

Verbraucher, die Elektrizität und Wärme mit Wasserstoff erzeugen, sparen nicht nur Strom- und Heizkosten, sondern schonen zugleich auch die Umwelt. Dennoch setzen in Deutschland immer noch die wenigsten Hausbesitzer auf diese Technologie. Der Grund: Wer mit Hilfe von Wasserstoff autark leben will, muss derzeit noch viel Geld in die Hand nehmen. Oft rechnet sich die Investition erst nach einigen Jahren und längst nicht jeder Wasserstoff ist auch klimaneutral.

Nutzung von Brennstoffzellen-Heizungen

Eine Möglichkeit, Wasserstoff zu Hause zu nutzen, besteht in der Installation von Brennstoffzellen-Heizungen. Die Nachfrage danach ist groß, wie eine Umfrage des Portals Hausfrage.net zeigt: Demnach möchten rund 31 Prozent der deutschen Verbraucher in Zukunft auf eine Brennstoffzellen-Heizung umsteigen.

ImmobilienSo rentiert sich die Solaranlage auf dem DachViele Hausbesitzer hätten gern eine Solaranlage auf dem Haus, scheuen aber die Kosten. Dabei sind Solarmodule inzwischen nicht nur effizienter, sondern auch deutlich günstiger als früher. Welche Renditen möglich sind und worauf Eigentümer achten sollten

Zwar funktionieren die meisten Brennstoffzellen-Heizungen ähnlich wie eine klassische Gasheizung mit Erdgas. Allerdings verbrennen sie dieses Gas nicht, sondern erzeugen Wärme und sogar Strom stattdessen mittels einer chemischen Reaktion: Aus dem Erdgas wird zunächst Wasserstoff gewonnen, der dann mit dem Sauerstoff aus der Umgebung reagiert.

Brennstoffzellen sind im Vergleich zu anderen Heizsystemen sehr effektiv. Laut einer Studie der deutschen Gaswirtschaft lassen sich mit dieser Technologie im Schnitt bis zu 66 Prozent an Energiekosten einsparen im Vergleich zu einer klassischen Gasheizung.

Ein weiterer Vorteil: Brennstoffzellen-Heizungen sind relativ emissionsarm. Im Schnitt verbrauchen sie 69 Prozent weniger CO2 als ein klassischer Gas-Heizkessel. Da die Brennstoffzelle Wasserstoff aus fossilem Erdgas gewinnt, ist diese Form des Heizens allerdings nicht klimaneutral. Diese Form des Wasserstoffs bezeichnet man auch blauen Wasserstoff.

Anmerkung BoKima :

Zitat:
Von der staatlichen Förderbank KfW können Interessenten zurzeit einen Zuschuss von bis zu 10.000 Euro für ein Brennstoffzellen-Heizung bekommen, und sogar bis zu 15.000 Euro für die Installation des regenerativen Picea-Systems.

Die Förderung der Brennstoffzellenheizung auf Basis von Erdgas ist klimaschädigend und müsste sofort eingestellt werden.

Einsatz von Photovoltaik

Wasserstoff lässt sich aber auch aus regenerativen Energien wie Photovoltaik gewinnen. Diese Variante wird als sogenannter grüner Wasserstoff bezeichnet.  Das Besondere daran: Wenn Solarenergie in Wasserstoff umgewandelt wird, lässt er sich speichern. Dieser Vorgang macht den Solarstrom sogar im Winter nutzbar, weil sich der überschüssige Wasserstoff in einem Tank speichern lässt.

Deutschlandweit ist bisher allerdings nur ein Anbieter dieser regenerativen Technik bekannt. Das Berliner Start-up Home Power Solutions (HPS) hat mit Picea einen Speicher entwickelt, der Hausbesitzern das gesamte Jahr über eine vollständig CO2-freie Energieversorgung garantieren soll.

Preis schreckt viele ab

Doch so romantisch das autarke Leben auch klingt und so wichtig die Umstellung auf Wasserstoff für den Klimawandel langfristig ist – sie hat für Verbraucher auch ihren Preis und der schreckt viele ab. Egal ob Eigenheimbesitzer auf die Brennstoffzellen-Heizung mittels Erdgas oder regenerativer Energien umsteigen wollen – die Anschaffung ist in jedem Fall teuer und amortisiert sich erst nach vielen Jahren.

Dabei müssen Verbraucher, die klimaneutral heizen wollen, nochmal deutlich tiefer in die Tasche greifen: Während Eigenheimbesitzer für eine Brennstoffzellen-Heizung mit Erdgas durchschnittlich 30.000 Euro an Anschaffungskosten hinlegen müssen, kostete das regenerative System Picea im Schnitt zwischen 70.000 und 100.000 Euro. Käufer sparen zwar erheblich an Energiekosten ein, trotzdem amortisiert sich die Anschaffung einer Brennstoffzellen-Heizung erst nach knapp 15 Jahren, die von Picea sogar erst nach 26 Jahren.



Tip von Ingo

Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird (WDR5-Quarks, Gespräch mit dem Autor)

Aprikosen aus Hamburg, Kühlräume für Berlin und Hochleistungskühe im Hitzestress.

(25.07.21, WDR5-Quarks) Ab Minute 15:15
Gespräch mit Nick Reimer

  • (31:25′) Wir müssten unsere Lebensweise ändern – wer will das
  • (33:10′) grönländisches Eisschild taut nach unten , es kann nicht mehr aufgehalten werden
  • (33:41′) Wenn der abschmilst dann steigt der Meeresspiegel um 7m – Emden liegt auf 1m.
  • (33:58′) (Alle Eisschilde schmelzen) — Düsseldorf wäre dann weg


Spätestens die Hitzesommer 2018 und 2019 sowie die auch 2020 anhaltende Trockenheit haben es deutlich gemacht:

Der menschengemachte Klimawandel ist keine Bedrohung für die ferne Zukunft ferner Länder, der Klimawandel findet statt – hier und jetzt. Doch welche konkreten Auswirkungen wird er auf unser aller Leben in Deutschland haben? Selbst wenn es Deutschland und der Welt gelingen sollte, den Ausstoß von Treibhausgasen in den nächsten Jahrzehnten drastisch zu reduzieren – bereits jetzt steht fest: Das Klima in Deutschland verändert sich.

Im Jahr 2050 wird es bei uns im Durchschnitt mindestens zwei Grad Celsius wärmer sein. Was sind die praktischen Konsequenzen dieses Temperaturanstiegs? Wie wird unser Leben in Deutschland in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts konkret aussehen, wenn es immer heißer, trockener und stürmischer wird? Welche Anpassungen werden nötig und möglich sein? In ihrem neuen Buch geben die Autoren Nick Reimer und Toralf Staud konkrete Antworten auf die Frage, wie der Klimawandel uns in Deutschland treffen wird. Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse aus zahlreichen Forschungsfeldern schildern sie, wie wir in dreißig Jahren arbeiten, essen, wirtschaften und Urlaub machen. Welche neuen Krankheiten uns zu schaffen machen. Wie sich unsere Landschaft, unsere Wälder, unsere Städte verändern.

Entstanden ist eine aufrüttelnde Zeitreise in die Zukunft: Selbst wenn wir den Klimawandel noch bremsen können, wird sich unser Land tiefgreifend verändern. Ohne verstärkten Klimaschutz jedoch wird Deutschland 2050 nicht wiederzuerkennen sein


„Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“- Es wird bald sehr ungemütlich

(22.06.21) Besprechung bei Deutschlandfunk Kultur , Original : hier (Von Günther Wessel)

Das Wasser wird knapp, Schienen verbiegen sich und es wird Kälteräume brauchen. In knapp 30 Jahren wird sich vieles in Deutschland wegen des Klimawandels ändern. Was genau, das beschreiben Nick Reimer und Toralf Staud erschreckend realistisch.

Die beiden Journalisten Nick Reimer und Toralf Staud haben für ihr Buch „Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ mit zahlreichen Wissenschaftler*innen gesprochen, unter anderem mit denen vom Deutschen Wetterdienst. Deren Prognose: 2050 wird es in Deutschland zwischen 1,9 bis 2,3 Grad Celsius wärmer sein als 1881, egal was wir tun. Denn die CO2-Mengen, die dann das Klima bestimmen werden, sind schon längst in die Atmosphäre emittiert.

Detailliert bröseln Reimer und Staud auf, was zwei Grad Erwärmung für uns Menschen konkret bedeutet: Das Leben in Deutschland wird ungemütlich.

Gab es beispielsweise im Südwesten von 1971 bis 2000 im Schnitt an 30 Tagen Temperaturen von über 25 Grad Celsius, werden es Mitte des Jahrhunderts bis zu 80 Tage sein – bei Spitzenwerten von 45 Grad. In Stuttgart wird es an 70 Tagen heißer als 30 Grad Celsius sein. In Hamburg herrscht dann ein Klima wie heute in Pamplona, in Berlin wie in Toulouse.

Kälteräume, Überschwemmungen, veränderte Landwirtschaft

Städte werden Kälteräume einrichten müssen und Altenheime müssen dauerhaft klimatisiert sein.

Außerdem wird es im Winter mehr, im Sommer weniger regnen und wenn, dann mehr als Starkregen mit Überschwemmungen. Trotzdem nimmt die Trockenheit zu, da der ausgedörrte Boden das Wasser nicht aufnehmen kann. Der sinkende Grundwasserpegel gefährdet die Wasserversorgung, und Konflikte um Wassernutzung sind programmiert.

Kaum eine Folge der Erwärmung bleibt so unerwähnt und genau das macht dieses Buch so lesenswert. Alles ist nachvollziehbar beschrieben. Denn Reimer und Staud haben fleißig die Ergebnisse verschiedener Studien zusammengetragen. Nichts dabei ist Kaffeesatzleserei, alles ist wissenschaftlich fundiert und abgesichert.

Leider, muss man sagen, denn die Befunde sind bedrohlich: So sind von den in Deutschland vorkommenden 71.900 Tier- und Pflanzenarten 30 Prozent durch den Klimawandel bedroht.

Zahlreiche einheimische Tiere sind bedroht

Die Brockenanemone wird ganz sicher aussterben. Das Hahnenfußgewächs gedeiht nur noch auf dem höchsten Gipfel des Harzes, denn es braucht bestimmte niedrige Temperaturen, aber die wird es in ein paar Jahren auf dem Brocken nicht mehr regelmäßig geben.

Oder der Moselapollofalter: Diese Schmetterlingsart kommt weltweit nur an der Mosel vor, wo sich die Raupen von der weißen Fetthenne ernähren. Normalerweise schlüpften die Raupen erst im April, jetzt aber wegen des fehlenden Frostes immer früher, und finden dann kein Futter, weil die Fetthenne noch nicht herangewachsen ist. Selbst Igel und Kuckuck werden 2050 bedroht sein.

Dafür wird es mehr asiatische Tigermücken geben, die das Denguefieber verbreiten können. Die Mückenart wurde 2007 erstmals im Südwesten Deutschlands nachgewiesen und wird sich bis 2050 im ganzen Land verbreitet haben.

Beeindruckende Lektüre

Den beiden Autoren ist ein beeindruckendes und irritierendes Buch gelungen. Beeindruckend ob der Faktenfülle und der Anschaulichkeit, irritierend, weil der Klimawandel, die Klimakrise so nahe rückt. Das Fazit: Alles wird sich ändern, wenn wir nichts ändern.

Nick Reimer/Toralf Staud: „Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“
Kiepenheuer & Witsch 2021
388 Seiten, 18 Euro

Was wir endlich über die Klimakrise begreifen müssen, um uns zu schützen

(22.07.21) , vice.com , Original : hier

Die Wissenschaft warnt seit Jahren davor, dass die globale Erwärmung unsere Lebensgrundlagen zerstört. Wir können es uns nicht mehr leisten, wegzuhören.

Die Hochwasserkatastrophe der vergangenen Tage hat eins schlagartig klar gemacht: Niemand ist sicher in der Klimakrise. In Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Österreich haben Starkregen verheerende Schäden angerichtet und allein in Deutschland mindestens 170 Menschen getötet. Wenn jetzt diskutiert wird, ob diese Ereignisse in Zusammenhang mit der Erderhitzung stehen, zeigt das vor allem eins: Die Klimakrise ist gesellschaftlich, politisch und medial noch nicht begriffen.

Denn selbst wenn die sogenannte Attributionsforschung, die Zusammenhänge zwischen Klima und Extremwetter ergründet, in den kommenden Wochen feststellen sollte, dass die Flutkatastrophe nur zu einem geringeren Teil von der globalen Erwärmung verstärkt wurde, so ist doch völlig klar, dass Extremwetterereignisse wie Starkregen und Hitzewellen zunehmen und immer öfter verheerende Schäden anrichten werden. Genau davor warnt die Klimawissenschaft seit Jahrzehnten.

Fünf Dinge, die wir jetzt verstehen müssen, um uns noch effektiv zu schützen: 



1. 1,5 Grad sind nichts Gutes

Im Pariser Klimaabkommen haben sich die Regierungen dieser Welt 2015 darauf geeinigt, die globale Erwärmung auf “deutlich unter 2 Grad” im Vergleich zu vor der Industrialisierung zu begrenzen – möglichst sogar unter 1,5 Grad. Wenn man sich anschaut, wie wenig sich Politikerinnen und Politiker anstrengen, diese Limits einzuhalten, kann man den Eindruck gewinnen, sie seien willkürlich gesetzt, sie zu überschreiten sei nichts Schlimmes.

Das heißt: 1,5 Grad bedeuten nicht, dass wir sicher sind. Schon sie verursachen auch in Deutschland extreme Veränderungen. Spätestens 2050 werden etwa Dachgeschosswohnungen wegen der Hitze im Sommer wochenlang nur noch schwer bewohnbar sein. Schon in den vergangenen Jahren mussten bei Niedrigwasser in Flüssen regelmäßig Industrieanlagen und Kraftwerke abgeschaltet werden, weil nicht genug Wasser da war, um sie zu kühlen. 

1,5 Grad Erderhitzung sind ein Kompromiss. Ein Level, von dem die Wissenschaft sagt, wir könnten noch vergleichsweise gut mit den immer größer werdenden Risiken leben. Je wärmer es wird, desto mehr steigen die Gefahren, dass Zuhause zerstört werden, Menschenleben gefährdet und Krankheiten sich ausbreiten, dass Ernteausfälle und Trinkwasserknappheit zu Hungersnöten und im schlimmsten Fall auch internationalen Konflikten führen.

Zusammenbruch der Zivilisation in 30 Jahren: Neue Forschung bestätigt MIT-Studie von 1972

Die meisten dieser Risiken wachsen graduell. Im Klimasystem gibt es aber auch sogenannte Kippelemente, “kritische Schwellenwerte, bei deren Überschreiten es zu starken und teils unaufhaltsamen und unumkehrbaren Veränderungen kommt”, wie das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) erklärt. Das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes etwa wird einen Meeresspiegelanstieg von etwa sieben Metern nach sich ziehen. Die Kippelemente reagieren Untersuchungen zufolge oft lange Zeit nur wenig auf den Klimastress, aber wenn die Belastung dann nur ein wenig zunimmt, kippen sie um.

Derzeit steuern wir noch immer auf eine Erderhitzung von bis zu 4 Grad bis 2100 zu. Das würde ein komplett andere Welt bedeuten, von der fraglich ist, wie unsere heutigen Zivilisationen darin funktionieren sollen. 2100 ist in 80 Jahren. Heutige Kindergartenkinder würden das erleben.

2. Wir haben nur noch wenig Zeit

Um 1,5 Grad noch zu halten, sind die Jahre bis 2030 entscheidend. Global müssen in dieser Zeit die Treibhausgasemissionen, die die Erderhitzung vorantreiben, im Vergleich zu 1990 halbiert werden. Deutschland und die EU haben jedoch schon einen großen Teil ihres CO2-Budgets aufgebraucht und müssen ihre Emissionen daher sehr viel schneller reduzieren. Zudem trägt Deutschland eine besondere Verantwortung, weil es historisch zu den größten Emittenten überhaupt zählt.

Selbst wenn man diesen Aspekt der globalen Gerechtigkeit außen vor lässt, bedeutet das, dass Regierungen in den kommenden fünf Jahren bereits weitreichende Maßnahmen umsetzen (!) müssen, um Emissionen einzusparen. Denn entscheidend ist nicht, wann wir aufhören, Treibhausgase auszustoßen, sondern wie viel wir bis dahin in die Luft geblasen haben. Stattdessen steigen die Emissionen aller Voraussicht nach weiter – nach einem kurzen Einbruch 2020 aufgrund der Corona-Pandemie.

3. Es braucht große, strukturelle Veränderungen

Im deutschen Bundeswahlkampf wurde in den vergangenen Wochen leidenschaftlich über die Erhöhung des Benzinpreises gestritten, über die Streichung von Kurzstreckenflügen und – mal wieder – die Einführung eines Tempolimits. 

Schon diese Vorschläge stießen auf massiven Widerstand, dabei sind sie nicht annähernd ausreichend, um uns auf unserem Planeten irgendwo in der Nähe lebenswerter Zustände zu halten.  Politik

So müsste sich Deutschland umkrempeln, um die Pariser Klimaziele zu erreichen

(Theresa Locker13.10.20)

Um unsere Lebensgrundlagen zu schützen, müssen wir nicht nur Emissionen einsparen, sondern komplett aufhören, zusätzliche auszustoßen. So schnell wie möglich, in jedem Land, in jedem möglichen Sektor. Die Zeit zu diskutieren, wer anfangen soll, ist seit mindestens 15 Jahren vorbei.

Das zeigt auch der Climate Action Tracker, eine unabhängige wissenschaftliche Analyse, die Regierungspläne mit den Pariser Klimazielen abgleicht. Demzufolge muss Deutschland bis 2030 unter anderem aus der Kohle aussteigen, mindestens 90 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen beziehen und den Anteil der zugelassen E-Autos auf wenigstens 95 Prozent erhöhen, um seinen fairen Anteil zum 1,5-Grad-Ziel zu leisten.

Was es braucht, sind ernsthafte und tiefgreifende Veränderungen in allen möglichen Bereichen: Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft, Bauen, Heizen, Energie.

Klingt radikal? Ist es auch. Dass dies nötig ist, ist der konservativen Politik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte zu verdanken, die die nötigen Maßnahmen verschleppt und aktiv verhindert hat.

4. Die aktuellen Pläne der Politik reichen nicht ansatzweise aus

Obwohl aus wissenschaftlicher Sicht seit Langem klar ist, dass immer mehr und heftigere Extremwetterereignisse auf uns zukommen, sind wir in Deutschland bisher nicht ausreichend aufgestellt, was etwa Warnsysteme und Hochwasserschutz angeht. Das hat die Flutkatastrophe klargemacht. So gibt es derzeit kein flächendeckendes Netz von Sirenen und keine Warn-SMS, wie sie in anderen Ländern bereits genutzt werden. Konzepte gegen Hochwasser wie sogenannte Schwammstädte, Überlaufflächen und ein Stopp der Flächenversiegelung werden bisher zu wenig umgesetzt

Gleichzeitig tut bisher kein einziges industrialisiertes Land genug, um eine dramatische und gefährliche Erderhitzung abzuwenden. 

Auch das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes überarbeitete deutsche Klimaschutzgesetz ist nicht mit dem 1,5-Grad-Limit vereinbar. Die kommende Bundesregierung ist die letzte, die Deutschland noch auf einen 1,5-Grad-Pfad bringen kann. Außer der AfD haben sich alle Parteien im Bundestag in den vergangenen Wochen vollmundig dazu bekannt. Aber nicht eine von ihnen hat bisher einen ausreichenden Plan dafür. Menschen

Klimakrise: Fotos aus einem schrumpfenden Inuit-Dorf

Théo Giacometti1.3.21

CDU, SPD und FDP setzen in ihren vorläufigen Wahlprogrammen auf noch nicht in großem Maßstab einsatzfähige Zukunftstechnologien wie Wasserstoff und bleiben so unkonkret, dass es extrem fraglich ist, ob sie das Problem ansatzweise verstanden haben. Am nächsten dran sind die Grünen und die Linken. Es mag kritisiert werden, dass deren Vorstöße gesellschaftlich schwer umsetzbar erscheinen. Sie orientieren sich in vielen Punkten aber einfach an dem, was aus wissenschaftlicher Sicht notwendig ist. 

Ähnlich sieht es auf EU-Ebene aus: Die neuen Klimaziele der EU-Kommission, genannt “Fit For 55”, sind historisch, keine Frage. Keine Kommission davor hat derartig weitreichende Pläne für den Klimaschutz vorgelegt – und es mag politisch nicht einfach gewesen sein, das überhaupt so durchzukriegen. Die Vorhaben wirken allerdings nur deswegen ambitioniert, weil bisher nichts ansatzweise ausreichendes geschehen ist. Laut Climate Action Tracker landen wir damit weiterhin bei 2 bis 3 Grad Erderhitzung.

Das Problem: Keine der angestrebten Maßnahmen wird morgen umgesetzt. Und die jetzt schon unzureichenden Vorstöße werden in den Mühlen der EU-Politik in den kommenden zwei Jahren weiter zermahlen und ausgefasert. Selbst an und für sich sinnvolle Maßnahmen (Kerosinsteuer, Emissionshandel für Industrie) greifen erst nach 2030 voll. Dabei hatte das EU-Parlament einen wirklich guten Plan vorgelegt. Der hätte zwar noch immer nicht für 1,5 Grad gereicht, wäre aber sehr viel näher dran gewesen. Und jedes Zehntel Grad zählt, um möglichst viel Schaden abzuwenden. 

Nicht mal auf ein Ende der fossilen Subventionen konnte sich die Kommission verständigen. Laut einer Recherche von Investigate Europe befeuern die EU-Regierungen (inklusive Norwegen, Schweiz und Großbritannien) die Klimakrise jedes Jahr mit Steuergeldern in Höhe von 137 Milliarden Euro. Allen voran Deutschland, das fossile Brennstoffe jährlich mit 37 Milliarden Euro fördert.  

Und bevor jetzt wieder jemand sagt, allein könnten Deutschland und die EU das Klima nicht retten: natürlich nicht. Das entlässt sie allerdings nicht aus der Verantwortung, ihren Anteil zu leisten. Zudem haben sie eine Vorbildfunktion: Die EU ist der größte Binnenmarkt, Deutschland der größte Verschmutzer der EU. Wenn beide endlich angemessen aktiv werden, könnte das international ähnlich stark ausstrahlen wie die Initiativen der USA seit dem Amtsantritt von Joe Biden. 

5. All das müssen auch die großen Medien begreifen 

Noch immer behandeln viele große Redaktionen Klima wie ein Thema unter vielen. Längst nicht alle Journalistinnen und Journalisten scheinen mitbekommen zu haben, dass sich der Klimawandel in den vergangenen Jahrzehnten des Nichtstuns zu einer lebensbedrohenden Klimakrise ausgewachsen hat, die schon heute viele Bereiche unseres Lebens betrifft.

Damit dies einer breiteren Öffentlichkeit – und vor allem Verantwortlichen in der Politik – stärker bewusst wird, spielt die mediale Berichterstattung eine zentrale Rolle. Angesichts dessen wie akut die Klimakrise ist und wie wenig Zeit bleibt, dramatische, irreparable Schäden abzuwenden, gehört die Klimakrise auf die Titelseiten und in die Hauptnachrichten. Und das nicht nur, wenn gerade eine extreme Katastrophe diese Bedrohung sichtbar macht.

Warum sie dort so selten zu finden ist? Weil die globale psychologische Verdrängung der Klimakrise auch vor Journalistinnen und Journalisten nicht halt macht. Und weil Lobbygruppen mit viel Zeit, Geld und Aufwand seit Jahrzehnten genau daran arbeiten. Sie streuen Zweifel an wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen und sind dabei erwiesenermaßen verdammt erfolgreich.Tech

Die 8 größten Mythen zum Klimawandel und was die Wissenschaft dazu sagt

Enno Park9.8.18

Was es jetzt braucht, sind erstens Bigger-Picture-Beiträge, die einer größeren Öffentlichkeit erklären, was die Klimakrise schon heute für ihr Leben bedeutet und welche Gefahren eine weitere Erhitzung des Planeten allein auf 1,5 Grad mit sich birgt. Schon heute gibt es immer wieder gute Berichte, die einzelne lokale Entwicklungen in der Klimakrise aufzeigen: das massive Waldsterben in Deutschland, die Dürren und Ernteausfälle der vergangenen drei Jahre, austrocknende Seen in Brandenburg, Niedrigwasser in Elbe und Rhein, die Zunahme von Allergien oder die Ausweitung sogenannter Todeszonen in Nord- und Ostsee, in denen nichts mehr lebt außer Bakterien. Wo bleiben die Dossiers, Titelthemen und Dokumentationen, die das prominent zusammendenken? 

Zweitens müssen vor allem Politik- und Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten sich mehr mit den Grundlagen der Klimakrise vertraut machen, um sie bei allen entsprechenden Punkten mitdenken zu können. Politische Vorstöße und Entscheidungen müssen konsequent mit der Wissenschaft abgeglichen werden. Wie groß die Lücke zwischen dem Nötigen und dem Angebotenen ist, muss klarer werden.

Zentral hierbei ist: Wer anfängt, sich ausführlicher mit den Fakten zur Klimakrise zu beschäftigen, ist schnell erschlagen und überwältigt vom Ausmaß und der Wucht der Krise. Und ja, die Situation ist ernst, sehr sogar. Die gute Nachricht ist: Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Tausende von Menschen damit, wie man diese Krise lösen kann. Die Mittel und Technologien, um eine Eskalation der Klimakrise zu stoppen, stehen bereit. Realistische Lösungswege aufzuzeigen, ist daher neben der verständlichen Vermittlung der Probleme eine der wichtigsten Aufgaben des Journalismus. 

Denn auch wenn wir nicht mehr alles retten können: Wir können noch immer viel Wertvolles bewahren – und Gutes gewinnen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Autofreie Innenstädte etwa sparen nicht nur Emissionen, sie sind auch sicherer, leiser, sauberer und damit gesünder und lebenswerter.

Die nötigen grundlegenden Veränderungen sind möglich. Auch, noch immer, zum Besseren.


Tip von Ingo

Düstere Aussichten? Wie der Klimawandel Deutschland verändern könnte

(21.07.21, heise.de ) , Original : hier

Spätestens 2050 will die EU klimaneutral sein. Dürre und Dauerregen bleiben Deutschland bis dahin trotzdem nicht erspart. Im Gegenteil.

Die Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat neuen Druck im Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel erzeugt. Kurz zuvor hatte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Auftrag der Deutschen Bahn eine Analyse zu klimatischen Veränderungen in der Bundesrepublik vorgelegt. Demnach wird es hierzulande etwa bis 2060 deutlich mehr Hitzetage und weniger harte Winter geben. Innerhalb der EU ist man sich weitgehend einig, dass man bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein will. Die Folgen des Klimawandels aufhalten wird man damit laut Experten nicht – höchstens abmildern. Wie es in Deutschland bis dahin aussehen könnte, zeigen Klimaforscher und andere Fachleute.

HITZE: Dass lang anhaltende hohe Temperaturen mit dem menschengemachten Klimawandel verbunden sind, daran gibt es in der Fachwelt kaum Zweifel. Für die Zukunft wird das die Menschen vor große Herausforderungen stellen, wie Daniela Jacob betont. Sie ist Meteorologin und Direktorin des German Institute for Climate Services (Gerics) in Hamburg. “Um 2050 müssen wir damit rechnen, dass die Sommermonate deutlich heißer und trockener sind”, so Jacob. Etwa für den Oberrheingraben bei Karlsruhe lasse sich schon heute projizieren, dass sich dort bis zur Mitte des Jahrhunderts die Zahl der heißen Tage (Tagesmaximum der Temperatur über 30 Grad Celsius) im Vergleich zum Zeitraum von 1970 bis 2000 circa verdoppeln werde.

GESUNDHEIT: Entgegen der Vorstellung von strahlendem Sonnenschein und Urlaubsatmosphäre kann “warmes Wetter” sehr schlecht für unsere Gesundheit sein. “Wenn die Temperatur auch nachts nicht unter 20 Grad fällt, bedeutet das, dass wir uns nicht richtig ausruhen können und weniger leistungsfähig sind”, erklärt Jacob. Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig geht davon aus, dass die Hitze das Gesundheitssystem zusätzlich belasten wird. So könne es etwa zu mehr Kreislauferkrankungen kommen.

Frankreich habe zum Beispiel 2003 eine große Hitzewelle gehabt und als Folge dauerhaft hoher Temperaturen damals gut 35.000 zusätzliche Todesfälle. Deutschland sei in dem Jahr weitgehend verschont geblieben, weswegen es hierzulande schlechtere Warnsysteme für Hitzewellen gebe. Bis 2050 werde sich das wahrscheinlich ändern, sagt Marx.

LANDWIRTSCHAFT: Anhaltende Hitze und langer, starker Regen wird Experten zufolge auch eine Umstellung für diejenigen bedeuten, die sehr auf das Wetter angewiesen sind. “In der Landwirtschaft müssen wir auf Sorten setzen, die mit diesen starken Temperatur- und Feuchtevariationen zurechtkommen”, sagt Forscherin Jacob. Ein Problem ist demnach auch, dass Wasser bis 2050 knapper wird. “Die Landwirtschaft muss sich so umstellen, dass sie die Böden nicht so oft bewässern muss”, ergänzt sie.

Darüber hinaus sollten Landwirte die Böden aber auch möglichst nicht zu stark austrocknen lassen. Allgemein sei es wichtig, die in der Landwirtschaft erzeugten Lebensmittel auch sorgsam zu konsumieren, betont der Vorsitzende des Deutschen Klima-Konsortiums, Mojib Latif. Schon heute würden viel zu viel Lebensmittel weggeschmissen. “Da wird eine Menge Energie und Rohstoffe unnötigerweise verschwendet. Das kann einfach nicht angehen.”

HOCHWASSERSCHUTZ: Als Folge des menschengemachten Klimawandels werde Hochwasser mit Blick auf das Jahr 2050 vor allem in Gebieten in Nord- und Westeuropa zunehmend eine Bedrohung darstellen, sagt Ralf Merz. Der Hydrologe arbeitet am Standort Halle an der Saale des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung. Diese Entwicklung hänge vor allem mit dem sogenannten Jetstream zusammen. Dieser treibt in der oberen Atmosphäre die Hoch- und Tiefdruckgebiete über Europa hinweg, wie der Wissenschaftler erklärt. Wegen des Klimawandels habe sich der Strom verändert, sodass Hoch- oder Tiefdruck-Systeme länger an einem Ort stehen bleiben. “Und das ist auch jetzt wieder passiert bei dem Tiefdruckgebiet “Bernd”.” Demnach wäre früher ein solches Tief nach zwei Tagen weitergezogen, jetzt ist es an einem Ort stehen geblieben – mit verheerenden Folgen. Lesen Sie auch Infrastruktur im Katastrophenfall: “Im Extremfall sterben Menschen”

TOURISMUS: Die Themen Tourismus und Klimawandel sind heute schon eng verbunden. Zur Mitte des Jahrhunderts werden sich unsere Urlaubsziele nach Einschätzung der Meteorologin Jacob verändert haben. Nord- und Ostsee könnten damit rechnen, dass die Sommer dort einmal wärmer und stabiler werden. Die Bedrohung durch den steigenden Meeresspiegel sei dort bis 2050 gering – die deutschen Küsten darauf also “relativ gut vorbereitet”. Kritischer werde das jedoch bis zum Ende des Jahrhunderts. Andere Regionen werden laut Experten unter dieser Entwicklung leiden. “Ich glaube, der Mittelmeerraum wird in Zukunft nicht mehr so attraktiv sein”, sagt etwa auch der Vorsitzende des Klima-Konsortiums, Latif. Laut Jacobs werden dort über 40 Grad in den Sommermonaten herrschen. “Das ist für Urlaub zu warm. Diese Regionen gehören dann zu den Verlierern im Tourismus.”

WOHNEN: Wenn es draußen unerträglich warm ist, flüchten wir uns auch schon heute gerne in kalte Innenräume. Dass diese auch energieintensiv mit Klimaanlagen runtergekühlt würden, verschärfe das Problem des menschengemachten Klimawandels, sagt Jacob. Wissenschaftler Marx, Mitglied der Helmholtz-Klima-Initiative, empfiehlt daher, Gebäudehüllen wesentlich besser zu dämmen, “dann hat das auch im Sommer den Effekt, dass Hitze nicht so schnell ins Haus kommt.” Gerade deutsche Städte müssen seiner Einschätzung nach neu gedacht werden. “Wir brauchen in der Stadt grüne und blaue Infrastruktur, das heißt Parkanlagen und Gewässer.” So könne man für deutliche Abkühlung in heißen Häuserschluchten sorgen. “Das liegt daran, dass Pflanzen Wasser verdunsten und dabei Energie weggeführt wird.”

Dass mehr getan werden müsse, um den Anstieg des Klimawandels zu bremsen, betonen die Experten im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. “Wir verlassen gerade den Wohlfühlbereich”, warnt etwa Klimaforscher Latif. “Wie viele Jahrhundertfluten hatten wir eigentlich in den letzten 30 Jahren?” Es sei aber immer noch möglich, die Pariser Klimaziele einzuhalten – auch wenn das einer “Herkulesaufgabe” gleiche. Nach Einschätzung des Hydrologen Merz ist der Klimawandel zwar fortgeschritten, “aber wir stehen hoffentlich immer noch vor dem Kipppunkt, an dem sich das Klima auf Dauer stark verändert. Das heißt, wir müssen jetzt die Entwicklung aufhalten, bevor es zu spät ist.”

Nach dem Hochwasser: Umdenken beim Klimaschutz? Eher nicht

(24.07.21, WAZ )

Auf Bilder der Katastrophe reagieren viele mit großer Empathie. Warum Experten trotzdem nicht mit einer grundlegenden Verhaltensänderung rechnen. Es sind Bilder einer Katastrophe, die viele Menschen sehr betroffen machen: Die Folgen des Hochwassers, das in NRW, Rheinland-Pfalz und Bayern Existenzen zerstört, Häuser beschädigt und Menschenleben gekostet hat, haben eine Welle der Hilfsbereitschaft und viel Mitgefühl ausgelöst.

Zugleich hat die Flut ein Thema wieder in den Fokus gerückt, das von der Corona-Pandemie lange Zeit ins Abseits gedrängt worden war: den Kampf gegen den Klimawandel. Es gab kaum eine politische Stimme zum Hochwasser, die sich in den vergangenen Tagen nicht zum Klimawandel und seinen Folgen aufs Wetter geäußert hat. Sputen müssten wir uns, mehr Tempo machen, den Weckruf der Natur hören.

Doch was bleibt, wenn Häuser und Brücken aufgebaut, Bahnstrecken und Straßen repariert worden sind? Wie nachhaltig sind Zusagen der Politik? Und was verändert die Flut beim Einzelnen? Leben wir bald klimafreundlicher?


Tip von Ingo

Szenarien zur Energieversorgung 100 Prozent Erneuerbare? So könnte es klappen

(23.07.21) aus tagesspeigel.de , Original : hier

Kritiker sind skeptisch, doch das DIW hat nachgerechnet: Deutschland kann seinen Energiebedarf bald komplett aus erneuerbaren Energien decken. Marion Koch

Ganz auf fossile Brennstoffe, auf Braunkohle, Steinkohle, Erdgas und auch Atomkraft zur Energieversorgung verzichten – das geht offenbar doch. Deutschland könnte seinen Bedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken, wenn das Ausbautempo bei Wind- und Solarenergie stark gesteigert wird, ergeben Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Das gab die Energieökonomin Claudia Kemfert, Leiterin der DIW-Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt, bekannt. Möglich werde das in zehn bis 15 Jahren nicht nur für die Stromnachfrage, sondern für die gesamte Energienachfrage.

„100 Prozent erneuerbare Energien sind technisch möglich und ökonomisch effizient“, sagte Kemfert. Für die aktuelle Studie berechneten die Wissenschaftler Szenarien einer Vollversorgung auf der Grundlage von Photovoltaik, Windkraft an Land und auf See und anderen erneuerbaren Energien.

Keine Atomkraft mehr, keine Kohle – wo soll dann der Strom herkommen?

Das Thema wird kontrovers diskutiert. Weil Deutschland seine Klimaziele erreichen muss, bis Ende 2022 aus der Atomkraft aussteigt und bis spätestens 2038 Schritt für Schritt aus der Kohle, geht es um die Frage, woher der Strom dann kommen soll – und ob die erneuerbaren Energien den kompletten Bedarf decken.

Laut der DIW-Studie würde zwar der Trend zur Elektrifizierung stark steigen und dadurch auch mehr Strom gebraucht. Die Wissenschaftler gehen von über 1000 Terrawattstunden aus, im Jahr 2018 lag der Bedarf bei 500 Terrawattstunden. Der gesamte Energieverbrauch sei aber mit 1200 Terrawattstunden weniger als halb so hoch wie 2018, als er bei 2600 Terrawattstunden gelegen habe.

Zwei Szenarien haben die Forscher entwickelt: Beide fußen auf einem Erzeugungsmix erneuerbarer Energien in ganz Europa

….

Wichtig dabei sei, dass das Potenzial für erneuerbare Energien in allen Regionen vorhanden sei. Es werde bisher nur sehr ungleich genutzt, sagt DIW-Forschungsdirektor für internationale Infrastrukturpolitik und Industrieökonomie, Christian von Hirschhausen. https://cdn.podigee.com/podcast-player/podigee-podcast-player.html?id=pdg-fcb8be2&iframeMode=script

Die Vollversorgung sei dadurch nicht gefährdet. Darauf ließen Berechnungen schließen, bei denen die Forscher:innen Stromerzeugung und Stromverbrauch im Winter zum Zeitpunkt der niedrigsten Einspeisung von Sonnen- und Windenergie gegenüberstellten. „Hohe Anteile fossiler Erdgasverstromung im Netzentwicklungsplan für Deutschland sind die Schatten einer Energiepolitik von gestern“, sagt Kemfert.

Wir brauchen mehr Windräder

Malte Küper vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht die Studie indes kritisch: „Das DIW hat Potenziale beleuchtet, die tatsächliche Umsetzung bei gleichzeitigem Erhalt der Versorgungssicherheit ist aber sehr ambitioniert, zumal allein die Anzahl der neuen Windräder in den letzten Jahren viel zu langsam gestiegen ist“, erklärt der IW-Referent für Energie auf Anfrage.

Auch den Verzicht auf außereuropäische Importe von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen hält Küper in Anbetracht der benötigten Mengen nicht für sinnvoll, da hier große Potenziale ungenutzt blieben. Das Ausbautempo bei Wind- und Solarenergie allerdings müsse tatsächlich stark zulegen.

Die fossile Stromversorgung hat weltweit ihren Zenit bereits im Jahr 2018 überschritten. Das besagt eine Studie zweier Nichtregierungsorganisationen, die auch am Mittwoch vorgestellt wurde.

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Weil Sonnen- und Windenergie immer weniger koste, würden viele Entwicklungsländer Kohle und Gas beim Ausbau ihrer Energieversorgung quasi überspringen, erklärten die britische Initiative Carbon Tracker und das indische Institut CEEW. Grundlage der Untersuchung sind die Daten und Prognosen der Internationalen Energieagentur IEA und der OECD. mit AFP/dpa


Tip von Ingo

Wetterextreme: das neue Normal? – Leschs Kosmos (ZDF)

(20.07.21) , ZDF , Original : hier ; bzw. direkt von MediaThekView : hier

Dramatische Bilder: Bei der Hochwasserkatastrophe im Westen und Süden Deutschlands haben mehr als 150 Menschen ihr Leben verloren. Werden solche Wetterextreme angesichts der Klimakrise zum Normalfall?
31 min Verfügbarkeit: Video verfügbar bis 20.07.2026

Professor Harald Lesch geht in der Sondersendung den Fragen nach, die sich jetzt stellen: Was ist über die Ursachen der Flutkatastrophe bekannt, und was ist in der Zukunft zu erwarten? Und er holt sich Expert*innen ins Studio: Klimaforscherin Professor Friederike Otto von der Universität Oxford und Professor Christian Kuhlicke vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung.

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Wie kam es zu den Überschwemmungen?

In verschiedenen Regionen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und auch im Süden, etwa im Berchtesgadener Land, herrscht vielerorts der Ausnahmezustand. Gegenden, in denen niemand eine Katastrophe solchen Ausmaßes vermutet hätte. Wieso hatte der Starkregen gerade in diesen Gebieten solche Auswirkungen? Heftige Unwetter und langanhaltender Starkregen mit Niederschlagsmengen von über 180 Litern pro Quadratmeter wurden gemessen. Damit gab es an einem einzigen Tag mehr als doppelt so viel Regen wie sonst in einem ganzen Monat. Das Problem war die sogenannte Trogwetterlage: Drei aufeinanderfolgende Tage bleibt das Wetter unverändert. Das ist kein neues Phänomen, doch bis Ende der 1960er Jahre trat eine solche Trogwetterlage durchschnittlich an 14 Tagen im Jahr auf. Seit 1970 hat sich die Anzahl der Tage auf etwa 28 Tage verdoppelt.

Verwüstete Straße in Ahrweiler, Rheinland-Pfalz
Ein kleines Dorf im Kreis Ahrweiler wurde weitgehend zerstört und überflutet.
Quelle: dpa

In den betroffenen Regionen spielten auch die topographischen Bedingungen eine große Rolle. Wenn 150 Liter in bergigen Landschaften niedergehen und die Hänge runter rauschen, dann kann ein kleiner Fluss fünf bis sieben Meter anschwellen und schnell zu einem lebensgefährlichen Strom werden. Das Wasser ist dann kaum zu bewältigen. Vor allem weil die Böden zum Teil kaum Wasser aufnehmen können. Täglich werden 52 Hektar als Siedlungs- und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Seit 1992 ist der Anteil versiegelter Flächen in Deutschland um 20 Prozent gestiegen. Manche Gegenden wirken auf den ersten Blick naturbelassen. Doch rund die Hälfte der gesamten Fläche ist geprägt von der Landwirtschaft. Rollen Fahrzeuge oder Maschinen über die Felder, wird je nach Gewicht Druck auf die Böden erzeugt. Dadurch werden die Bodenpartikel dichter zusammengedrückt, die Böden so sehr verdichtet, dass Regenwasser und Wasseransammlungen nicht mehr richtig versickern können. So können Landschaften, denen man es auf den ersten Blick nicht ansieht, zu Katastrophengebieten werden.

Faktoren, die die Krise verstärken

Seit wir Menschen fossile Brennstoffe im Megamaßstab verheizen, haben wir etwa zwei Billionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre gepustet. Ein großer Teil ist wieder aus der Luft verschwunden. Denn ein Viertel des vom Menschen freigesetzten CO2 haben die Meere aufgenommen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die einzellige Alge Emiliania huxleyi, die gigantische Algenblüten bildet: Sie panzert sich mit Kalkplättchen, in denen Kohlenstoff gebunden ist. Sterben die Algen ab, sinken sie samt ihrer „Rüstung“ auf den Meeresgrund. Dabei entziehen sie der Atmosphäre viele Gigatonnen CO2 pro Jahr. Doch C02 in Verbindung mit Wasser bildet Kohlensäure. Dadurch wurden die Ozeane in den vergangenen 50 Jahren um fast 30 Prozent saurer. Versauerte Ozeane bedrohen Korallen, Fische und Kleinstlebewesen – und auch die Alge Emiliana selber. Die Folge: Sie vermehrt sich schlechter und bildet keine Algenblüten mehr. Das heißt, die Ozeane sind in ihrer Funktion als CO2-Puffer, also als Klimawandelbremse, deutlich geschwächt.

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Wie können Extremwetterlagen entstehen?

Dauerregen, der sich oft wochenlang hält, extreme Kälteeinbrüche oder – wie gerade entlang der Westküste der USA – Hitzerekorde mit verheerenden Folgen. Das Wetter spielt weltweit immer häufiger verrückt. Extremwetter scheinen zur Regel zu werden.
Forschende gehen davon aus, dass die Extremwetterlagen etwas mit dem Höhenwind, dem Jetstream, zu tun haben. Er zirkuliert an der Grenze zwischen Troposphäre und Stratosphäre in acht bis zwölf Kilometern Höhe und erreicht dabei Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro Stunde. Seit Jahren schon beobachten Forschende, dass der Jetstream schwächer wird und dadurch instabil. Die Ursache sehen sie in der rasanten Erwärmung der Arktis. Wenn das Eis schmilzt, wird von den dunklen Flächen mehr Sonnenlicht absorbiert. Seit 1971 hat sich die Polarregion dreimal schneller als der Rest der Erde erwärmt. In der Folge verringert sich der Temperaturunterschied zwischen Arktis und Tropen, der Jetstream verliert an Kraft. Er beginnt zu mäandern. Dadurch kann beispielsweise heiße Saharaluft bis weit in den Norden vordringen. Im Sommer 2019 war sie verantwortlich für den Hitzerekord in Deutschland. Auch die aktuelle Flutkatastrophe sehen Forschende im Zusammenhang mit dem geschwächten Jetstream. Expertinnen und Experten warnen, dass wir in Zukunft häufiger mit Extremwettern jeglicher Art rechnen müssen.

Alarmierende Prognosen

Die Prognosen, wie sich die globale Durchschnittstemperatur in Zukunft verändert, wenn wir so weitermachen wie bisher, sind alarmierend: Laut Weltklimarat könnte die Erwärmung um 1,5 Grad Celsius im Jahr 2030 erreicht sein, und um zwei Grad schon etwa 15 Jahre später. Welchen Unterschied auch nur ein halbes Grad mehr macht, haben Forschende ermittelt. Hier vier Beispiele:

Grafik Meeresanstieg bei Klimaerwärmung

Rotterdam – Leben mit der Flut

In der niederländischen Küstenmetropole Rotterdam müssen die Menschen ständig mit Hochwasser rechnen. 80 Prozent der Stadt liegen unter Meeresniveau. Das Risiko einer Überflutung ist hier allgegenwärtig. Doch der größte europäische Hafen ist mit einem umfassenden Hochwasserkonzept gesichert. Und auch im Rest der Stadt gibt es viele kleine und flexible Hochwasserlösungen. Alles ist auf die Macht des Wassers ausgerichtet. Auch auf die Wassermassen aus der Luft. Bei Trockenheit ist der Benthemplein bei Schülern einer angrenzenden Schule ein beliebter Spielplatz. Doch bei Starkregen wird die Fläche zu einem großen Rückhaltebecken. Später lässt man das aufgestaute Wasser von hier in den Hafen ablaufen. Auch jeder Quadratmeter, der nicht mit Beton versiegelt ist, hilft beim Hochwasserschutz. Immer mehr Dächer werden in Rotterdam bepflanzt. Bei Starkregen wird so das Wasser aufgenommen und dann nur noch zum Teil und vor allem erst viel später in die Kanalisation abgegeben. Ganz Rotterdam ist ein einziges großes Wasserlabor. Unzählige Pilotprojekte wurden hier entwickelt. Niederländische Architekten sind berühmt dafür, dass sie ständig auf der Suche sind nach neuen Formen des Wohnens am Wasser. Sogar ganze Siedlungen haben sie schon aus schwimmenden Häusern gebaut. Die Gebäude sind nicht nur hochwassersicher, sie schaffen auch neue Flächen. Eine Antwort auf den steigenden Platzbedarf in den großen Küstenstädten der Welt.

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