Nachhaltige Hard- und Software – für eine bessere (IT-)Welt (heise)

Langlebig, ressourcensparsam, offen: Das sind Forderungen an eine nachhaltige IT-Landschaft. Hinweise zu Gestaltungsoptionen und notwendigen Handlungsvorgaben.

26.07.2020 , Von heise.de

Die Herstellung und Nutzung digitaler Technologien und Dienste ist mit ökologisch und sozial problematischen Entwicklungen verbunden. Diese hängen sowohl mit der Art und Weise der Herstellung, Nutzung und Entsorgung von IKT-Geräten als auch mit der Gestaltung und Nutzung der Software und dem damit verbundenen Ausmaß des Datenverkehrs zusammen. Diese Einflussfaktoren sind vielfältig miteinander verflochten; grundlegende Ansatzpunkte für eine nachhaltige Gestaltung von Hardware und Software müssen bei den politischen Weichenstellungen berücksichtigt werden.

Der Einsatz IKT-basierter Technologien und Dienste macht derzeit etwa 4 bis 7 Prozent des weltweiten Strombedarfs aus und bis 2030 wird mit einem Anstieg auf bis zu 15 Prozent gerechnet. Entsprechend sieht es mit den CO2-Emissionen dieses Sektors aus, die sich im Jahr 2018 auf 2,5 bis 3 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen beliefen und bis 2030 sogar auf einen Anteil von bis zu 8 Prozent anwachsen können. Der Energie- und Ressourcenverbrauch sowohl für die Produktion von Endgeräten, als auch den Betrieb von Geräten, Netzen und Rechenzentren ist also erheblich.

Jährlich steigt die Anzahl an Geräten weltweit um durchschnittlich 10 Prozent, wobei insbesondere das Wachstum an vernetzten Geräten des Internet der Dinge besonders stark zunimmt. Doch nicht nur Produktion und Betrieb von Hardware, sondern auch die Gestaltung und der Betrieb von Software haben bedeutende Auswirkungen auf den Gesamtenergieverbrauch von IKT.

Der Energie- und Ressourcenverbrauch von digitalen Geräten und Anwendungen ergibt sich in einem vielschichtigen Zusammenwirken zwischen der Ausgestaltung, dem Einsatz und den Nutzungsmustern von Hard- und Software. Deshalb müssen die materielle (Energie und Ressourcen zur Produktion, Betrieb und Entsorgung von Hardware) und die immaterielle Basis (Software, Informationen, Wissen) der Digitalisierung stärker zusammengedacht werden, wenn wir eine nachhaltige Digitalisierung erreichen wollen.

Bei der nachhaltigen Erzeugung und Nutzung von Hardware spielen Aspekte wie Langlebigkeit, Reparierbarkeit und der schonende Einsatz von Ressourcen eine entscheidende Rolle. Bei der nachhaltigen Gestaltung und Anwendung von Software geht es neben der Energiesparsamkeit auch um die Langlebigkeit und Verfügbarkeit der Ressource. Offene Standards und Lizenzen können hier wichtige Grundlagen für eine nachhaltige Nutzung von Software und Hardware schaffen. Über Bits & Bäume, über die Autoren:

Bits & Bäume ist eine Bewegung, die Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammendenkt. Erstmals fand Bits & Bäume im November 2018 in Form einer Konferenz mit knapp 2.000 Teilnehmenden an der TU Berlin statt. Ziel war es, Umweltaktivist*innen und digitale Menschenrechtler*innen zusammenzubringen, damit diese voneinander lernen, Gemeinsamkeiten erkennen und sie zusammen umsetzen. Bei der Konferenz wurde auf fünf Bühnen, elf Räumen und mehr als 120 international besetzten Panels, Workshops oder Talks zu Themen in Schwerpunkten wie “Digitaler Kapitalismus”, “Stadt-Land-Smart” oder “Alternatives Wirtschaften” in die Zukunft geblickt. Die ausrichtenden Organisationen von Bits & Bäume haben auf der Konferenz politische Forderungen für eine nachhaltige Gestaltung von Digitalisierung veröffentlicht. Die Ergebnisse der Konferenz sind in einem Creative-Commons lizenzierten Buch dokumentiert, an dem mehr als 50 Autor*innen mitwirkten.

Nach der Konferenz wurde der Name “Bits & Bäume” von den Veranstalter*innen freigegeben, damit auch andere Akteure diesen für Veranstaltungen an der Schnittstelle zwischen kritischer Digitalisierung und Nachhaltigkeit verwenden können. Voraussetzung dafür ist, dass diese sich vor allem an Aktivist*innen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft richten, die Forderungen von Bits & Bäume mittragen und eine nachhaltige Veranstaltungsorganisation umsetzen. So sind bereits mehrere regelmäßig stattfindende Stammtische in verschiedenen Städten entstanden und auch eine kleine Konferenz an der Universität Dresden in 2019. Es gibt eine Mailingliste und ein Online-Diskussionsforum.

Das “Forum Bits & Bäume” findet seit 2019 statt und bietet einen Ort für die Vernetzung von Politik, angewandter Wissenschaft und Zivilgesellschaft aus der Tech- und Nachhaltigkeits-Community und möchte Handlungsvorschläge erarbeiten, wie Digitalisierung zukunftsfähig gestaltet werden kann. Es wird von der Forschungsgruppe “Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation” am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Technischen Universität Berlin ausgerichtet und in Kooperation mit dem Einstein Center Digital Future und weiteren wechseln-den Partnern veranstaltet.

Dieser Artikel entstand im Rahmen der 3. Veranstaltung des Forum Bits & Bäume zum Thema “Langlebig, offen, reparabel und datensparsam. Gestaltungsoptionen für nachhaltige Hard- und Software”. Die Autor*innen möchten damit einen Vorschlag für die inhaltliche Zuspitzung und Strukturierung des Themas unterbreiten. Die politischen Gestaltungsansätze sind ein wesentliches Ergebnis der Diskussion auf dem Forum Bits & Bäume und können eine Grundlage für die Formulierung eines politischen Gestaltungsrahmens für nachhaltige Hard- und Software schaffen.

Autor*innen:

Johanna Pohl forscht am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin zu ökologischen Bewertungsmethoden der Digitalisierung. Sie arbeitet in der Forschungsgruppe “Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation” zum Thema nachhaltige Digitalisierung. Mehr Informationen unter www.nachhaltige-digitalisierung.de und auf Twitter unter @SustDigi.

Friederike Rohde ist Techniksoziologin und beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von gesellschaftlichem und technologischen Wandel. Sie arbeitet zu Themen wie der Digitalisierung des Energiesystems, Smart Cities und algorithmischer Entscheidungsfindung. Seit 2018 promoviert sie am IÖW im Rahmen der Forschungsgruppe “Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation” zu technologiebezogenen Zukunftsvorstellungen vom vernetzten Wohnen und koordiniert die Gesprächsreihe Forum Bits & Bäume.

Erik Albers ist Programmmanager der Free Software Foundation Europe und engagiert sich dort seit vielen Jahren für Nutzer*innen- und Softwarefreiheit. In den letzten Jahren hat er einen Schwerpunkt auf nachhaltiger Software und arbeitet dabei mit Bundesämtern und Forschungsinstituten zusammen an der Gestaltung und Erforschung nachhaltiger Software und deren Obsoleszenz. Erik ist zu finden auf Mastodon und Twitter und betreut die Plattform //foss.events.

Anja Höfner ist Mitarbeiterin beim Konzeptwerk neue Ökonomie in Leipzig, das sich mit alternativen Wirtschaftskonzepten und der Suche nach einem guten Leben für alle befasst. Sie beschäftigt sich aus sozial-ökologischer Perspektive mit Fragen rund um den Sammelbegriff “Digitalisierung” und erarbeitet unter anderem Bildungsmaterialien zum Thema. Sie hat die Konferenz Bits & Bäume mitgestaltet und ist Mitherausgeberin des daraus entstandenen Buchs “Was Bits und Bäume verbindet”.

Ein Großteil der Umweltwirkungen von Hardware (Globale Erwärmung, Versauerung, Süßwasser-Eutrophierung oder Humantoxizität) entstehen während ihrer Produktion. Insbesondere die Herstellung der Elektronikkomponenten ist sehr umweltintensiv und findet häufig an Standorten mit hohen Kohlestromanteilen im Strommix statt. Gleichzeitig steigt die absolute Anzahl der digital vernetzten Geräte weltweit bei stets kürzeren Verwertungszyklen dieser Geräte. Aus ökologischer Perspektive ist die Weiterverwendung bestehender Hardware der Neuanschaffung eines Notebooks oder Smartphones stets vorzuziehen. Insbesondere die Bereitstellung eines neuen Gerätes zieht einen hohen Ressourcenverbrauch nach sich, teilweise benötigen neuere Modelle aufgrund gesteigerter Rechenleistung mehr Energie in der Nutzungsphase.

Eine zentrale Stellschraube für die ökologisch nachhaltige Gestaltung von Hardware ist die Verlängerung der Lebensdauer der Geräte. Dies kann Hardware-seitig beispielsweise durch modulare Gestaltung und möglichst vollständige Reparierbarkeit unterstützt werden. Ein “Recht auf Reparatur” wird seit langem gefordert und umfasst Aspekte wie reparaturfreundliches Produktdesign, den Zugang zu Ersatzteilen und den Erhalt der Garantie auch bei Reparatur. Auch die Recyclingfähigkeit muss bereits beim Design der Geräte mitgedacht werden, um zum Beispiel Metalle beim Recycling extrahieren zu können.

Die Verwendung von Open Hardware unterstützt ebenfalls die Reparierfähigkeit von Geräten, da jederzeit Baupläne einsehbar sind und einzelne Ersatzteile nachgebaut werden können. Die Verwendung von Hardware geschieht zudem immer im Zusammenspiel mit Software, beide bedingen sich gegenseitig. Ohne passende Software kann eine Hardware oft nicht länger genutzt werden und umgekehrt. Aktuelle Betriebssysteme beispielsweise werden auf aktuelle Hardware-Konfigurationen ausgerichtet. In dem Moment, in dem der Hersteller jedoch den Support für dieses Betriebssystem einstellt, kann dieses nicht länger sicher benutzt werden.

Damit steht auch die zugrunde liegende Hardware zunächst ohne sicheres Betriebssystem da. Ein danach neu veröffentlichtes Betriebssystem hingegen kann eventuell auf der alten Hardware nicht zum Laufen gebracht werden. So wird durch mangelnde Interoperabilität von Software und (älterer) Hardware im Zusammenspiel mit dem frühzeitigen Supportende von Software eigentlich noch funktionsfähige Hardware vermehrt vor Ablauf der Produktlebensdauer ersetzt. Die Langlebigkeit von Software und ihre Verfügbarkeit in der Zukunft hat damit auch direkten Einfluss auf die Verwendbarkeit heutiger Hardware in der Zukunft.

Dies betrifft auch die nachhaltige Verfügbarkeit der ‘Ressource Software’ selbst. Heutzutage können bereits viele Dokumente aus vergangenen Jahrzehnten nicht mehr geöffnet oder die zugehörige Software nicht mehr zum Laufen gebracht werden, obwohl die Hardware gleichzeitig immer leistungsfähiger wird. Dies ist meist die Folge einer künstlich erzwungenen Verkürzung der Lebensdauer unserer IKT-Systeme durch proprietäre Lizenzen und Herstellerbindung. Eine nachhaltige Lösung ist die Verwendung von Software unter freier Lizenz (Freie und Open-Source-Software, FOSS).

Freie Lizenzen gewähren jedem Menschen die uneingeschränkte und zeitlich unbegrenzte Verwendung der Software sowie den Zugang zu ihrem Quellcode. So kann keine Entität ein “Ende des Supports” für eine FOSS-lizenzierte Software erzwingen oder deren Verfügbarkeit oder Archivierung für die Zukunft unterbinden. Mit offenen Schnittstellen wird zudem Interoperabilität gewährleistet. Inner- und außerhalb des FOSS-Ökosystems ermöglicht die freie Lizenzierung eine vollständige oder modulare Einbindung spezifischer Software-Lösungen im Zusammenspiel mit anderen Systemen. Weiterhin wird die technisch und juristisch einwandfreie Archivierung und Wiederverwendung digitaler Ressourcen im Sinne der digitalen Generationengerechtigkeit gewährleistet.

Um die Langlebigkeit der digitalen Infrastruktur zu unterstützen, gilt es vonseiten der Politik sicherzustellen, dass mit öffentlichen Geldern entwickelte Software und Hardware unter einer freien und Open-Source-Lizenz veröffentlicht wird (“Public Money Public Code” beziehungsweise “Public Money Public Hardware”). Die Veröffentlichung von Source-Code unter freier Lizenz nach dem Supportende einer Software oder eines Elektrogerätes (“Upcycling von Software”) würde einen Meilenstein gegen erzwungene Software-Obsoleszenz darstellen.

Geräte und Anwendungen werden relativ immer effizienter, zum Beispiel durch LED-Bildschirmbeleuchtung, sinkende Energieintensität pro Rechenleistung und verbesserte Strommanagementsoftware. In der EU-Ökodesign-Richtlinie sind dazu gesetzliche Mindestanforderungen formuliert. Labels wie Energy Star oder Blauer Engel bewerten elektronische Geräte nach ihrer Energieeffizienzklasse und bieten somit auch Verbraucher*innen transparente Entscheidungshilfen. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass Geräte der Unterhaltungselektronik immer größer werden, Leistung und Bildschirmauflösungen steigen, was absolut betrachtet zu steigenden Energie- und Ressourcenverbräuchen führt.

Parallel kann auch die absolute Zunahme an Geräten und steigende Energieverbräuche zum Beispiel im Internet der Dinge aufgrund der immer effizienter und damit günstiger werdender Elektronikkomponenten konstatiert werden – ein klassischer Rebound-Effekt. Energie- und ressourcensparsame Hardware zeichnet sich also nicht nur durch relative Ressourcensparsamkeit aus, sondern auch durch ein absolutes Sinken von Energie- und Ressourcenverbräuchen. Es ist also geboten, Effizienzmaßnahmen durch Konsistenz- und Suffizienzstrategien zu flankieren.

Für Rechenzentren steht die Bewertung in Effizienzklassen noch ganz am Anfang. Bei der Beurteilung der Energieeffizienz von Rechenzentren sind Faktoren wie Abwärmenutzung, Art der Kühltechnik oder die Serverauslastung entscheidend. Es liegen hier erste Methoden zur Energieeffizienzberechnung von Rechenzentren vor. Die Umweltrelevanz von Software entsteht durch die Beanspruchung von Hardware- und Übertragungskapazitäten (Rechenleistung, Arbeitsspeicher, Netze) bei deren Entwicklung, Nutzung und Deinstallation.

Auch wenn eine absolute Bezifferung der Relevanz von Software auf den Gesamtenergieverbrauch von IKT noch am Anfang steht, so ergaben Untersuchungen, dass unterschiedliche Softwareprodukte, die die gleichen funktionellen Anforderungen erfüllen, sich signifikant in ihrem Stromverbrauch unterscheiden können. Im Sinne energie- und ressourcensparsamer Software gilt es also, diese so zu gestalten, dass der Strom- und Ressourcenbedarf in der Nutzungsphase minimiert wird.

Software-Designprinzipien sollten dies gleich zu Beginn des Software-Lebenszyklus berücksichtigen. Das Umweltbundesamt hat hierzu bereits erste Kriterien für die nachhaltige Gestaltung von Software vorgelegt. Kriterien wie die Nutzungsautonomie – darunter die FOSS-Lizenzierung, Offlinefähigkeit und Werbefreiheit – sind wichtige Ansatzpunkte, bei deren Nutzung Verbraucher*innen und Industrie heute bereits mit wenig Aufwand viel erreichen können.

Die Politik sollte dabei unterstützend tätig werden, indem sie Verbraucher*innen mit verpflichtenden Infolabels beim bewussten Konsum hilft und die Industrie bei der gemeinsamen Gestaltung offener Standards unterstützt.

Endgeräte, Server und Netzwerke bestehen aus einer Vielzahl von endlichen Ressourcen. Bei steigender Gesamtanzahl der Geräte erhöht sich der Bedarf an Ressourcen für deren Herstellung. Digitale Geräte bestehen neben Plastik, Glas und Keramik aus diversen Metallen, die als Konfliktrohstoffe beziehungsweise besorgniserregend eingestuft sind. Geschürft werden Tantal, Wolfram, Gold, Zinn oder Kobalt vor allem in Ländern des Globalen Südens, unter anderem im Kongo, in Süd-Afrika, Ruanda, Peru oder Chile oft unter gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen, mangelnder Schutzkleidung, massiven Arbeitsrechtsverletzungen, sowie teilweise unter dem Einsatz von Kinderarbeit. Zudem kommt es zu erheblichen Umweltbelastungen durch die Verseuchung von Flüssen, Abholzung und Luftverschmutzungen. Auch bei der Produktion von digitalen Geräten sind massive Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten, zum Beispiel in chinesischen Fabriken bekannt.

Wie begonnen, so endet auch der Produktlebenszyklus vieler Geräte im Globalen Süden, zum Beispiel in Agbogbloshie in Ghana auf der größten Müllhalde auf dem afrikanischen Kontinent. Auch dort leben und arbeiten Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen und gesundheitlicher Gefährdung, um wiederverwertbare Rohstoffe aus dem Elektroschrott zu gewinnen. Der Produktionsprozess ist zudem von großer Intransparenz geprägt und es ist vielfach nicht nachvollziehbar, welche Bestandteile wo und unter welchen Bedingungen hergestellt wurden oder entsorgt werden.

Auch die Herstellung und Programmierung von Software ist häufig von großer Intransparenz geprägt. Proprietäre Software-Entwicklung liefert fertig kompilierten und verschlossenen Code an Nutzer*innen. Nutzer*innen haben keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Software das tut, was sie vorgibt zu tun. Das Wissen über die Software wird von Unternehmen geheim gehalten, damit können neue Versionen veröffentlicht und alte Versionen für ungültig erklärt werden. Daraus entstehen Abhängigkeiten, die nicht nur die Autonomie der Nutzer*innen beeinträchtigt, sondern auch Einfluss auf die Lebensdauer von Hardware haben kann, wie oben beschrieben. Durch diese Wissensmonopole könnte der Bankrott eines privatwirtschaftlichen Akteurs nicht nur einen enormen Wissensverlust bedeuten, sondern sogar zum Ausfall ganzer Infrastrukturen führen.

Für die Gewährleistung von Nachhaltigkeit in allen Dimensionen braucht es deswegen bei Hardware und Software Transparenz im gesamten Herstellungsprozess. Für Hardware bedeutet das transparente Lieferketten sowie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und faire Löhne über die gesamte Lieferkette. Die Verantwortung hierfür kann nicht auf die Nutzer*innen abgewälzt werden, sondern Unternehmen sollten verpflichtet werden, Transparenz in den Lieferketten zu gewährleisten, wie es derzeit verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen in der Initiative Lieferkettengesetz fordern.

Für anfallenden Elektroschrott, zum Beispiel durch defekte Teile, braucht es ein funktionierendes Recyclingsystem, um die wertvollen Inhaltsstoffe in den digitalen Geräten weiterzuverwenden. Elektroschrott darf nicht, wie derzeit, auf unklare Weise entsorgt werden und im Zweifelsfall wieder in die Länder des globalen Südens exportiert werden.

Eine transparente Entwicklung von Software bedeutet, dass der ursprüngliche Quellcode mit allen späteren Änderungen öffentlich nachvollzogen werden kann. Eine freie Lizenzierung des Quellcodes ermöglicht die Verwendung für alle, auch für geschäftliche Zwecke. Damit wird der Monopolisierung von Wissen, sowie gleichzeitig der Monopolstellung einzelner (privatwirtschaftlicher) Akteure vorgebeugt. Freie Lizenzen ermöglichen eine Archivierung und Wiederverwendung von Wissen. Wie im Modell einer Kreislaufwirtschaft können bereits entwickelte Programme oder Versionen wiederbelebt oder weiterentwickelt werden. Transparente Produktionskreisläufe, in denen jeder einzelne Code-Beitrag nachvollziehbar ist, sorgen zudem für mündige und unabhängige Nutzer*innen.

Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
Gestaltungsoptionen für nachhaltige Hard- und Software (Bild: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung)

Die Umweltwirkungen und sozialen Implikationen, die mit Produktion, Betrieb und Entsorgung von Hardware und Software verbunden sind, ergeben sich somit in einem vielschichtigen Zusammenspiel verschiedener Einflussgrößen. Die politische Gestaltung sollten diese zielgerichtet in den Blick nehmen:

“Right to Repair”: Das Recht auf Reparatur muss gesetzlich verankert werden und umfasst die verpflichtende Veröffentlichung aller für die Reparatur relevanten Informationen sowie ein diskriminierungsfreier und dauerhafter Zugang für alle (gewerblichen) Werkstätten und Endnutzer*innen zu allen für die Reparatur relevanten Mitteln und Werkzeugen. Vollständige Nutzungsrechte sowie Gewährleistung müssen erhalten bleiben – auch wenn die Reparatur durch freie zertifizierte Reparaturbetriebe erfolgt und dabei alternative Software oder Betriebssysteme zum Einsatz kommen.

“Lizenzierung von Hard- und Software”: Die Nutzungs- bzw. Eigentumsrechte für Bauanleitungen und Ersatzteile sollen nach Produktionsende für die Allgemeinheit zugänglich unter Freier Lizenz veröffentlicht werden, damit Nutzer*innen und Werkstätten Ersatzteile selber nachbauen können. Um zugehörige Software-Obsoleszenz zu vermeiden gilt es zudem, eine verpflichtende Veröffentlichung von Source Code unter Freier Lizenz nach Supportende einer Software oder eines Elektrogerätes einzuführen sowie das ungehinderte Aufspielen alternativer Software und Betriebssysteme zu ermöglichen.

“Transparente und geschlossene Produktkreisläufe”: Für Herstellung von Hardware braucht es transparente Lieferketten sowie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und faire Löhne über den gesamten Herstellungsprozess. Unternehmen sollten gesetzlich verpflichtet werden, Transparenz in den Lieferketten zu gewährleisten und menschenrechtliche sowie umweltbezogene Sorgfalt walten zu lassen. Es braucht ein funktionierendes Recyclingsystem, um die wertvollen Inhaltsstoffe der digitalen Geräte weiterzuverwenden. Für eine transparente Entwicklung von Software soll die Versionsgeschichte des ursprünglichen Quellcodes mit allen Änderungen öffentlich nachvollzogen werden können. Eine freie Lizenzierung von Quellcode ermöglicht eine Verwendung für alle (auch für geschäftliche) Zwecke.

“Energie- und Ressourcensparsamkeit”: Effizienzmaßnahmen digitaler Technik müssen durch Konsistenz- und Suffizienzstrategien flankiert werden, um Rebound-Effekten vorzubeugen. Es müssen verpflichtende Vorgaben eingeführt werden, energie- und ressourcensparsame Software so zu gestalten, dass der Strom- und Ressourcenbedarf in der Nutzungsphase minimiert wird. Ansatzpunkte dafür sind bereits im Blauen Engel für Software vorgelegt worden. Modularisierung und Standardisierung von Hardware trägt zur Vermeidung von Elektroschrott und zur Ressourcensparsamkeit bei. Dies kann auf EU-Ebene durch verpflichtende Vorgaben zur Standardisierung von Elektronikzubehör (unter anderem Ladekabel) und Elektronikbestandteilen erreicht werden.

“Public Money – Public Code”: Um öffentliche und nachhaltige digitale Infrastrukturen zu fördern braucht es eine rechtliche Verpflichtung, dass mit öffentlichen Geldern entwickelte Software unter einer Freie-Software- und Open-Source-Lizenz veröffentlicht werden. Von der Allgemeinheit bezahlte Anwendungen sollten allen zur Verfügung stehen. Der offene Code ermöglicht sowohl die nachhaltige Gestaltung und lange Nutzung von Software als auch der verwendeten Hardware.

“Security by transparency”: Ausschreibungs- und Beschaffungskriterien für die öffentliche Hand sollen so gestaltet werden, dass sowohl Freie und Open-Source-Software als auch Geräte bevorzugt werden, die offene Schnittstellen und modulare Designs bereitstellen. Die Verwendung offener Standards muss in allen öffentlichen Dienstleistungen verpflichtend werden und noch ausstehende Regulierungen und Standardisierungsprozesse von öffentlicher Hand unterstützt werden. Gerade auch im Bereich der kritischen Infrastruktur gilt es einen Paradigmenwechsel hin zu Freier und Open-Source-Software anzustreben.

Literatur

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VerkehrsWende Demo Bochum 24.07.20

Aufruf

Donnerstag 16.07.20, 09:24 Uhr Demonstration am Freitag, den 24. Juli, 16 Uhr, Hauptbahnhof

Verkehrswende jetzt!


Students for Future (SFF) und Fridays for Future (FFF) rufen für Freitag, den 24. Juli zu zu einer Demonstration für eine Verkehrswende auf: Es braucht eine sozialökologische Verkehrswende – deswegen setzen wir uns für gute und gerechte Bedingungen im ÖPNV ein und kämpfen gemeinsam mit Beschäftigten, ver.di und Bogestra und vielen weiteren Klimagerechtigkeitsgruppen und anderen SFF und FFF Ortsgruppen für eine klimagerechte Zukunft! Wir wollen mehr Platz für ÖPNV, Fahrrad, Fußgänger sowie Natur und dadurch mehr Lebensqualität in der Stadt. Nicht für Spritschlucker, Staus und Stickoxide. Kommt vorbei und setzt euch mit uns gemeinsam für eine Verkehrswende ein! Wann? 24. Juli, 16 Uhr! Wo? HBF Bochum, Laufdemo zum Rathaus über den Ring mit Zwischenkundgebung an der Kreuzung Westring/Alleestraße/Willy-Brandt-Platz!

Wir fordern #NahFAIRkehr, denn mehr Klimaschutz braucht mehr ÖPNV:

  • Fair für Beschäftigte: Belastung runter und Bezahlung rauf
  • Fair für alle Generationen: ÖPNV ausbauen für Klimaschutz
  • Fair für Fahrgäste überall: ÖPNV in Stadt und auf dem Land ausbauen
  • Fairer Preis: Solidarische Finanzierung auch durch Nutznießer wie Unternehmen
  • Fair geht vor: Vorfahrt für ÖPNV im Stadtverkehr
  • Fair verteilt: Mehr Platz für ÖPNV, Fahrrad und Fußgänger

Bringt auch gerne ein Fahrrad mit und bitte denkt auch daran eine Mund-Nasen-Bedeckung mitzunehmen.


Impressionen zur VerkehrsWende Demo

Von der WAZ :
Bochumer Klimaschützer erobern mit Demo die Straße zurück

Bochum.  Die Klimabewegung ist in Bochum trotz Corona lebendig. Rund 200 Aktivisten von „Fridays for Future“ und anderen demonstrierten in der City.

Zu einer der größten Klima-Demos in Bochum seit Beginn der Corona-Krise im März haben am Freitag eine ganze Reihe höchst unterschiedlicher Gruppierungen aufgerufen. Noch im April hatten sich die Aktivisten eher mit virtuellen Formaten zu Wort gemeldet. Vor dem Hauptbahnhof trafen sich rund 200 Menschen, um für eine Verkehrswende zu demonstrieren. Maren Solmecke, die für die Gruppe ‟Students for Future” spricht, sagte: ‟Wir denken, dass die kommende Kommunalwahl eine Klimawahl sein wird.” Fridays for Future Bochum: Fridays for Future streikt im Internet für das Klima

Bogestra beteiligt sich mit Linienbus

Wohl eine Premiere: Die Bogestra stellte einen Bus (Linie 0, Sonderwagen), der dem Demonstrationszug vorausfuhr. Aktivisten von ‟Fridays for Future” hatten zuvor Transparente an das Fahrzeug geklebt. Dort stand etwa: ‟Klimagerechter ×PNV geht nur mit Fair”. Ein Novum, dass die Bogestra als kommunales Unternehmen so explizit Flagge zeigt bei einer doch höchst politischen Veranstaltung. Unter den Aufrufenden der Demo befand sich auch die Gewerkschaft Verdi. Einige Teilnehmer und Teilnehmerinnen hatten – auch als deutliches Statement – ihre Fahrräder mitgebracht.

Mittlerweile hat sich eine gewisse Routine, doch trotzdem waren die Organisatoren gehalten, die Corona-Regeln vor Beginn der Veranstaltung laut vorzulesen. Die Demonstranten mussten sich in jeweils Zehner-Gruppen zusammenfinden, diese Gruppen wiederum mussten einen Abstand von 1,50 m zueinander einhalten. Extinction Rebellion Bochumer ‟Extinction Rebellion” protestiert gegen Klimakrise

Bündnis Radwende war mit dabei

Erneut mit dabei war auch das Bochum Bündnis ‟Radwende”, ein Zusammenschluss der unterschiedlichsten Gruppen, darunter ADFC, BUND, VCD und Greenpeace. Sprecher erinnerten daran, dass die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge in den letzten Jahren trotz aller Klimabemühungen auch in Bochum kontinuierlich gestiegen ist. Auf einem auf der Demo verteilten Flugblatt erinnerte Radwende an das von der Stadt selbst definierte Ziel, ‟den Radverkehrsanteil bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent zu steigern. Aber: ‟Das Zielt aufrecht zu erhalten, unterstützen wir. Doch dafür braucht es in bochum eine andere Infrastruktur und Mut zu echten Veränderungen!”, heißt es in dem Flugblatt dazu. Radwende-Bündnis 500 Radfahrer demonstrieren auf der Bochumer Königsallee


Bericht bei Bo-Alternativ


Eigene Impressionen ….

Übersicht

Die Bilder zum Download : hier


(Einzelbilder und share-Links kommen)

„Die Klimakrise ist gewaltig“

Grünen-Experte über Klimapolitik: „Die Klimakrise ist gewaltig“

Rainer Baake weiß, wie Deutschland klimaneutral werden kann.
Mit einer neu gegründeten Stiftung möchte er auf die Bundesregierung einwirken.

taz: Herr Baake, bis vor gut zwei Jahren haben Sie die energiepolitische Debatte in Berlin in diversen Funktionen mitgeprägt. Dann haben Sie im Wirtschaftsministerium Ihren Rücktritt als Staatssekretär eingereicht und sind von der Bildfläche verschwunden. Wo haben Sie seitdem gesteckt?

Rainer Baake: Ich bin mit meiner Frau um die Welt gereist. Wir waren 2018 im südlichen und östlichen Afrika, 2019 in Süd- und Nordamerika und dieses Jahr in Australien. Eigentlich sollte es am Schluss dann noch durch Europa gehen, aber dieser Teil ist wegen der Corona-Pandemie dann ausgefallen.

Verträgt sich eine solche Weltreise denn mit dem Ziel, den Klimawandel aufzuhalten?

Wir waren mit einem geländegängigen Fahrzeug unterwegs und haben zwei Jahre lang im Dachzelt geschlafen und fast keine Güter konsumiert. Keine Heizung, warmes Wasser aus der Solardusche und Strom aus unserer Photovoltaikanlage. Das Auto ist zwischen den Kontinenten mit dem Schiff transportiert worden. Wir selbst sind zwar geflogen, aber unterm Strich haben wir unseren CO2-Fußabdruck im Vergleich zum Leben in Deutschland nicht erhöht.

Rainer Baake

Der 64-jährige Volkswirt hat die deutsche Energiepolitik in vielen verschiedenen Funktionen mitgestaltet: Als Staatssekretär im Umwelt- und im Wirtschaftsministerium, dazwischen als Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe und Gründungsdirektor des Thinktanks Agora Energiewende. Seit kurzem leitet er die neu gegründete „Stiftung Klimaneutralität“.

Was war das Ziel der Reise?

Wir haben beide großes Interesse am Klimathema und am Natur- und Artenschutz. Über beide Themen haben wir viel gelernt. Meine Frau hat in ihrem Heimatland Norwegen viele Artikel veröffentlicht, ich habe einen Film für die Internationale Energieagentur produziert. Und jetzt arbeiten wir noch an einem Buch und einem Film über die Reise.

Welche neuen Erkenntnisse haben Sie mitgebracht?

Die Auswirkungen der Klimakrise sind heute schon gewaltig, die können Sie auf jedem Kontinent sehen. Im südlichen Afrika haben wir die Folgen der gewaltigen Dürre erlebt, in Nordamerika ausgetrocknete und großflächig abgebrannte Waldgebiete, in Australien die Buschbrände, die es dort zwar schon immer gegeben hat, aber nie in diesem Ausmaß.

Sind Sie jetzt optimistischer oder pessimistischer, dass die Klimakrise noch gestoppt werden kann?

Ich war immer Optimist, und ich glaube auch jetzt noch daran, dass wir unser eigenes Schicksal noch verändern können. Aber die Dringlichkeit ist mir noch sehr viel deutlicher geworden.

Hat das Leben im Ausland auch Ihren Blick auf die deutsche Klimadebatte verändert?

Die größte Überraschung war für mich die Fridays for Future-Bewegung. Ich hatte mir in all den Jahrzehnten vorher immer gewünscht, dass die junge Generation, die ja am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein wird, auf die Straße geht. Dass das jetzt passiert, ist eine großartige Veränderung. Leider war die offizielle Regierungspolitik mehr von der Angst vor der AfD beeinflusst als von den Forderungen der jungen Generation.

Sie haben Ihren Rücktritt als Staatssekretär damit begründet, dass Deutschland seine Klimaziele aufgrund des Koalitionsvertrags deutlich verfehlen wird. Jetzt wird das 2020-Ziel doch erreicht, die Erneuerbaren liefern mehr als die Hälfte des Stroms und der Kohleausstieg wurde auch beschlossen. Bedauern Sie im Nachhinein, dass Sie nicht mehr dabei waren?

Nein, ich glaube der Schritt war richtig. Dass Deutschland jetzt sein Klimaziel für 2020 möglicherweise erreicht, ist ein Einmaleffekt durch die Corona-Krise. Und für 2030 prognostizieren ja selbst die Gutachten der Regierung, dass das Ziel mit den bisher beschlossenen Maßnahmen deutlich verfehlt wird. Und das nationale Ziel wird ja noch weiter angehoben werden müssen, wenn die EU ein neues Ziel für 2030 beschließt.

In der Klimaszene geben Ihnen manche eine Mitschuld an den verfehlten Zielen. Denn Sie haben als Staatssekretär die Umstellung des Ökostroms von festen Vergütungen auf Ausschreibungen durchgesetzt. Danach ist der Wind-Ausbau eingebrochen.

Da sehe ich keinen Zusammenhang. Dass in Deutschland derzeit zu wenig Windräder gebaut werden, liegt nicht an den Ausschreibungen, sondern daran, dass es zu wenige rechtskräftig genehmigte Projekte gibt, was verschiedene Ursachen hat. Fast überall auf der Welt ist auf Ausschreibungen umgestellt worden. Der Markt kann die notwendigen Zuschüsse nun mal besser ermitteln als die Politik.

Zurückgemeldet haben Sie sich in Berlin jetzt als Direktor einer neuen „Stiftung Klimaneutralität“. Was steckt dahinter?

Es geht genau um diese Frage: Wir wollen eine Klima-Roadmap für Deutschland entwickeln, eine sektorübergreifende Strategie, wie Deutschland im europäischen Kontext klimaneutral werden kann. Dabei soll es nicht nur um Szenarien gehen, sondern auch um politische Instrumente, mit denen Klimaziele tatsächlich erreicht werden.

Woher kommt das Geld dafür?

Von Climate Imperative, einer in Gründung befindlichen Stiftung in den USA, die global tätig ist. Dahinter stehen wohlhabende Privatpersonen, die etwas gegen den Klimawandel unternehmen wollen. Von dort haben wir eine siebenstellige Zuwendung erhalten, mit der wir arbeiten können.

Braucht es in der Klimapolitik wirklich noch einen weiteren Akteur?

Es geht nicht um Konkurrenz oder Dopplung, sondern um eine Ergänzung und Kooperation mit anderen Akteuren. Unser dreiköpfiges Team bringt seine Kompetenz ein, dazu bringen wir zusätzliches Geld mit. Damit können wir Studien und Gutachten erstellen und Dialogprozesse organisieren. Denn unsere Ergebnisse sollen nicht in irgendeinem Regal vergammeln, sondern Eingang finden in die klimapolitische Debatte.

Das klingt wie ein Vorbereitungsprogramm für die nächste Bundesregierung.

Absolut. Wir wollen als Teil der Zivilgesellschaft Vorschläge unterbreiten und hoffen, dass diese dann auch von den politischen Parteien aufgegriffen werden.

Und zieht es Sie dann noch einmal zurück in die Politik, um das Ganze auch selbst umzusetzen?

Ich bewerbe mich nicht um ein politisches Amt. Mein Anliegen ist der Klimaschutz, und den habe ich in den letzten 29 Jahren in verschiedenen Rollen vorangetrieben. Ich weiß, was man von außerhalb der Regierung machen kann, aber das Regierungsgeschäft kenne ich auch. Ich finde, man sollte weder das eine noch das andere unterschätzen.



Aus der Taz



Zum Schwerpunkt-Thema Klimawandel bei der Taz, mit vielen interessanten Beiträgen.

Vonovia entwickelt Bochum-Weitmar zum Innovationsquartier für Klimaschutz – Land fördert Projekt mit 6,2 Mio. Euro

  • Forschung mit renommierten Fraunhofer-Instituten
  • Ziel ist ein selbstlernendes Energiemanagementsystem
  • Projekte finden gemeinsam mit Quartiersentwicklung statt

Bochum, 23.01.2020. Vonovia möchte in ihren Quartieren auf der Gebäude- und Wohnungsebene die Energiewende einleiten. Zusammen mit renommierten Fraunhofer-Instituten, gefördert durch einen 6,2-Mio.-Euro-Zuschuss des Landes NRW, werden in Bochum-Weitmar in einer klassischen Siedlung des Wohnungsunternehmens neue Technologien im laufenden Betrieb entwickelt und getestet. Ziel des auf drei Jahre angelegten Projektes (ODH@Bochum-Weitmar) ist eine unabhängige und möglichst CO2-neutrale Strom– und Wärmeversorgung des Quartiers. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart begründet das Engagement des Landes so: „Bochum-Weitmar ist mit vielen Gebäuden aus der Mitte des 20. Jahrhunderts ein ideales Pilotquartier und ein innovatives Beispiel für die ökologisch und ökonomisch effiziente Energieversorgung in urbanen Quartieren. Hier sollen verschiedene Technologien auf neuartige, intelligente Weise kombiniert werden, um den Energieverbrauch zu senken und die Sektorenkopplung voranzubringen. Die hier ermittelten Synergien sind übertragbar und bieten damit auch wichtige Impulse für andere Quartiere in einem klimafreundlichen Ruhrgebiet.“

Warum sich Vonovia in Weitmar aktiv an der Erforschung neuer Technologien beteiligt, mit der eine CO2-Reduktion im Gebäudebestand erzielt werden soll, erläutert Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender von Vonovia SE, so: „Klimaschutz ist eine der wesentlichen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Vonovia fühlt sich dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet, bis zur Mitte des Jahrhunderts einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Dabei ist es wichtig, das Spannungsfeld zwischen bezahlbarem Wohnen und Klimaschutz sozial zu gestalten. Ein Teil der notwendigen CO2-Einsparung ist über die bewährte energetische Sanierung zu erzielen, ein weiterer Teil ist über technische Maßnahmen abzubilden, die jedoch heute nicht wirtschaftlich darstellbar sind. Für den noch fehlenden Teil erforschen wir, wie aktuell in Weitmar, technische Innovation.“

Insgesamt soll hier ein vernetztes, dezentrales Versorgungssystem entstehen, das eine möglichst autarke Strom- und Wärmeversorgung im Quartier ermöglicht. „Aus unserer Sicht ist die Sektorenkopplung entscheidend, dabei muss die Erzeugung von Strom und Wärme zusammengedacht werden“, so Buch weiter. Die erzeugte Energie soll mit Hilfe von künstlicher Intelligenz direkt im Quartier vom Mieter genutzt, und nicht wie oftmals üblich, ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Ein selbstlernendes Energiemanagementsystem wird dafür sorgen, dass die richtige Energie zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung steht – an E Ladesäulen, als Strom im eigenen Haushalt oder in Form von Wärme. Über eine digitale Marktplattform werden die Marktakteure für An-gebot und Nachfrage zum Handel und Austausch zusammengebracht. Die vorangelagerte Planung bestehender Quartiere hinsichtlich klimafreundlicher Versorgung und baulicher, energieeffizienzverbessernder Maßnahmen soll über ein integriertes Planungssystem optimiert werden.

Um Veränderungen dieser Art zu ermöglichen, gründete die Fraunhofer-Gesellschaft zusammen mit Vonovia und zwölf weiteren Partnern im April 2018 den Open District Hub e.V. Eines von sechs Innovations-Quartieren, das im Rahmen der Initiative entwickelt und erforscht wird, ist das Wohnviertel in Bochum-Weitmar. Hier plant Vonovia, – gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft (insb. den Instituten UMSICHT, FIT und IOSB) sowie dem Unternehmen Ampeers Energy GmbH – das Viertel in absehbarer Zukunft mithilfe von digitalen Instrumenten optimal und nachhaltig mit Energie zu versorgen.

Die Mieterinnen und Mieter kosten diese Projekte nichts. Und: Läuft es gut, wird Vonovia versuchen, die hier gewonnenen Erkenntnisse bundesweit in ihren Wohnungen einsetzen.

Quicklinks:

Downloadmaterial und mehr:

Vonovia entwickelt Bochum-Weitmar zum Innovationsquartier für Klimaschutz – Land fördert Projekt mit 6,2 Mio. Euro


Näheres sieh auch bei vonovia.de


9. Plenum TO 15.07. 18h (Umweltzentrum ggfls. Alsengarten, Alsenstr. 19)

Hallo,

am Mittwoch, 15.07.20 steht um 18 Uhr das nächste Bündnistreffen an. Der Ort wird witterungsabhängig kurzfristig bekanntgegeben.

Ein Themenschwerpunkt sollten die Wahlprüfsteine sein. Lest dazu bitte auf https://muenchen-muss-handeln.de/mitmachen/  unter Forderungen der Fridays for Future die Forderungen für München. Schreibt Eure Vorschläge bitte ins Forum unter https://boklima.de/?page_id=343&view=topic&id=144#postid-441  Wahlprüfsteine vom “Netzwerk f Bürgernahe Stadtentwicklung” und von “Stadt für Alle” stehen dort als Text (am Anfang) und unter “200626-wahlpruefsteine-stfa.pdf” z. Z. am Ende.

Ein weiterer Schwerpunkt wäre das Thema “Wie werden wir mehr” Für die Werbung von Mitarbeitern*innen steht ein Flyer-Entwurf unter https://boklima.de/?page_id=343&view=topic&id=150 Bitte auch dort Eure Kommentare reinschreiben.

Schickt bitte Eure Vorschläge zur Tagesordnung als Antwort an
boklima(.at.)boklime(.dot.)de

Viele Grüße Ingo


Die Coronaepedemie verdrängt zur Zeit alle anderen Themen. Aber auch wenn die Treibhausgasemissionen aktuell zurückgehen sind effektive Maßnahmen wegen der lang anhaltenden katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise dringend notwendig. Die Emissionen werden leider wieder ansteigen.


Tagesordnung:

  1. Begrüßung insbesondere neuer Mitstreiter*Innen
  2. Kurzberichte der AG’s und Unterstützer*innen
  3. Neuigkeiten zu den Klimanotstandsbriefen
    1. Antwort der Grünen zu allen Briefen gemeinsam
    2. Haus des Wissens
    3. Betriebskonzept Markthalle (im Haus des Wissens)
    4. ÖPNV
    5. Flächenfraß
    6. Weitere Ideen (wer ist bereit daran zu arbeiten?):
      1. zu aktuellen Bebauungsplänen (Zusammenarbeit mit BI‘s?)
      2. Solarinitiative
      3. Landwirtschaft
      4. Nachhaltigkeit in der Verwaltung
      5. Nachhaltigkeit bei den Beteiligungsgesellschaften
      6. Stadtwerke
  4. Schwerpunktthema Bochum Muss handeln (David) u Wahlprüfsteine
    1. Stand / Ziel / Vorgehen B muss handeln
    2. Diskussion ersetzt / ergänzt die Aktion / Kampagne WPS ?
    3. mögliche Themen unserer WPS :
      ( Klima , … , ÖPNV , Klimanotstand , Stadt – Ungamg mit … )
      1. Aktionsplan / weiteres Vorgehen
      2. Beispiele Netzwerk Stadtentwicklung erste Ruecklaeufe ….
  5. Schwerpunktthema Wie werden wir mehr? ( *Kurzer* Gedankenaustausch)
    Ideen, wie wir mehr Menschen für die Mitarbeit im Bochumer Klimaschutzbündnis begeistern können sind gefragt
    1. Flyer: Entwurf von Steffen , Angebot 1000 : 66Eu +MWst
      ( evtl. Problem Hintergrund )
    2. Film-Projekt Film-Projekt(e) Bericht und Ausblick/Diskussion über weitere Themen neben “StadtGrün”
      Weitere Stadt-Grün – Themen :
      1. Verkehr
      2. Dach-Nutzung ( Dach-Garten / Photovoltaik / … ) / Überfliegen der Dächer
    3. Social Media Nutzung
  6. Leitlinien , Vereins-Regeln , … (Philipp) , Diskussion, … , Brauchen wir das ?
  7. Verschiedenes
    1. Brainstorming Welche Aktivitäten / Schwerpunkte bieten sich für die nächsten Wochen an?

EU muss bis 2040 auf erneuerbar umstellen – Diskussion auf campact

Studie des DIW Berlin 08. Juli 2020

von Jörg Staude , Klimareporter.de

Um 65 Prozent muss die Europäische Union ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2030 verringern, um Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden. Die bisherigen Klimaziele reichen nicht aus, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in einer heute veröffentlichten Studie. 


Installation von Solarmodulen in München 100 Prozent erneuerbar in 20 Jahren: Theoretisch zu schaffen, praktisch bisher nicht in Sicht. (Foto: Solarinitiative)

Zu dem Ziel, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, haben sich schon alle Mitgliedsstaaten außer Polen bekannt, freute sich Bundeskanzlerin Angela Merkel letzte Woche im Bundestag. Heute stellt Merkel das Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel vor und der Klimaschutz soll dabei – neben der Coronakrise, der Digitalisierung und dem Brexit – zu den Schlüsselfragen gehören.

Was das Ziel “Klimaneutralität 2050” politisch wirklich bedeutet, haben heute zum Auftakt der deutschen Ratspräsidentschaft das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und die Technische Universität Berlin in einer Studie auf den Tisch gepackt.

“Bisher geht die EU-Kommission von einem CO2-Reduktionsziel von 40 Prozent aus. Doch damit wird Europa nicht bis 2050 klimaneutral, wie unsere Berechnungen zeigen”, sagt Studienautorin Claudia Kemfert. “Die Ziele müssen sehr viel ambitionierter sein.”

Für die Forscher sind dabei nicht nur die als offizielles Klimaziel vereinbarten 40 Prozent Reduktion bis 2030 zu wenig, sondern auch die von der EU-Kommission vorgeschlagenen 50 bis 55 Prozent. Damit die EU bis 2050 klimaneutral wird, müssen die CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent sinken, rechneten DIW und TU Berlin aus. 

Die Eckpunkte des entsprechenden, mit dem Paris-Abkommen kompatiblen Klimaschutzszenarios haben es in sich: Bereits 2040 muss die Energiegewinnung in der EU vollständig auf erneuerbare Quellen umgestellt sein.

Ein Bau neuer Atomkraftwerke komme nicht mehr infrage. Auch Kraftwerke mit CCS-Technologie – CO2-Abscheidung, -Transport und -Speicherung – stellen sich für die Forscher als “unrentabel” dar. Bis 2040 müsse neben der Kohle auch das fossile Erdgas aus dem Energieträgermix verschwinden.

Halbierter Energieverbrauch – doppelter Strombedarf

Die Studie geht dabei davon aus, dass der Primärenergiebedarf in der EU bis 2050 um mehr als 50 Prozent sinkt – von heute rund 75.000 Petajoule auf dann noch knapp über 30.000 Petajoule.

DIW-Energieökonomin Kemfert hält diese Reduzierung für machbar. Das liege vor allem daran, dass die bisher dominierenden konventionellen Energien enorm schlechte Wirkungsgrade haben – aus dem Grund sei auch der Primärenergiebedarf so hoch.

Dies ändert sich Kemfert zufolge in einem erneuerbaren System deutlich – wenn zudem der Ökoenergie-Ausbau nicht nur einfach beschleunigt, sondern auf kluge Lösungen wie E-Mobilität und Wärmepumpen statt auf Wasserstoff und Power-to-Gas gesetzt werde.

Wenn die EU ihre Efficiency-First-Strategie wirklich ernst nimmt und vor allem auch auf den Direkteinsatz von Ökostrom setzt, sei eine Halbierung des Verbrauchs realistisch, so die Energieexpertin gegenüber Klimareporter°. 

Der Trend zur Elektrifizierung führt laut Studie dazu, dass sich – innerhalb des sinkenden Energieverbrauchs – die jährliche Stromnachfrage in der EU bis 2050 ungefähr verdoppelt: von heute rund 4,5 Billionen auf dann neun Billionen Kilowattstunden. An die Stelle fossiler und nuklearer Stromerzeugung treten vor allem Windkraft und Photovoltaik.

Den gesamten Investitionsbedarf für erneuerbare Energien gibt die Studie mit etwa 3.000 Milliarden Euro an. Dem stünden jedoch Einsparungen von allein knapp 2.000 Milliarden Euro gegenüber, die nicht mehr für den Import fossiler Energieträger ausgegeben werden müssten. Zur Finanzierung bauen die Forscher vor allem auf die wegen der Coronakrise geschnürten Hilfspakete.

Das 65-Prozent-Ziel hatten bisher vor allem Umweltverbände und Grüne gefordert. Entsprechende Szenarien beinhalteten auch Lebensstiländerungen.

Redaktioneller Hinweis: Claudia Kemfert gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.


Von : klimareporter.de



Campagne und Diskussion von / bei campact.de

Bundestagswahl Klimakrise Klimawandel Kohle

Kohle – und jetzt?

Viel Kohleausstieg bringt es nicht: Das gerade verabschiedete Kohlegesetz ist schwach. Trotzdem hatten wir nie bessere Chancen auf ein schnelles Aus für die Kohlemeiler – die müssen wir jetzt gemeinsam richtig nutzen. Campact-Vorstand Christoph Bautz schreibt, wie das gehen kann.

Auf dem Gesetz steht Kohleausstieg – aber es ist viel zu wenig drin. Was die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD letzten Freitag im Bundestag beschlossen haben, ist gleich aus mehreren Gründen völlig aus der Zeit gefallen: 

Verzögert, verzockt, verzweifelt

  1. Verzögert: Bis 2038 sollen …
  2. Verzockt: Die Kohle-Konzerne bekommen …
  3. Verzweifelt: Dörfer im Rheinland sollen …

Die Bedingungen, das Ende der Kohle schnell einzuläuten, sind besser denn je

Ein ziemlich wirkungsloses Kohleausstiegsgesetz – haben wir damit den Kampf um einen Ausstieg vor 2030 verloren? Mitnichten. Denn die Bedingungen, das Ende der Kohle schnell einzuläuten, sind besser denn je. Auf dem Energiemarkt ist es derzeit eng für die Kohle. Sie bekommt immer mehr Konkurrenz durch günstigen Wind- und Sonnenstrom – dank des niedrigen Gaspreises auch durch Gaskraftwerke. Gleichzeitig macht der relativ hohe CO2-Preis den Kohlestrom teurer. Im Ergebnis wurde in der ersten Jahreshälfte 36 Prozent weniger Strom aus Braun- und 46 Prozent weniger aus Steinkohle erzeugt – schlicht weil der Kohlestrom am Markt zu teuer ist.

Also regelt der Markt den Ausstieg? Nein. Darauf zu vertrauen, wäre fatal. Denn die schlechte Marktlage für Kohle ist nur eine Momentaufnahme. Gas- und CO2-Preis schwanken heftig. Läuft es schlecht, ist die Kohle demnächst wieder konkurrenzfähig.

Mit diesem Dreischlag bekommen wir die Kohle-Meiler vom Netz

Genau hier können wir ansetzen: Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass die Bedingungen für Kohle am Markt schlecht bleiben. Dann schaffen wir den Ausstieg deutlich vor 2030. Und das geht so:

  1. Erneuerbare Energien massiv ausbauen: Je mehr Wind- und Solarstrom …
  2. Einen CO2-Mindestpreis einführen: Der europäische Emissionshandel, …
  3. Schadstoffe-Grenzwerte für Kohlekraft verschärfen: Quecksilber, Stickoxide, Feinstaub – …

Details und eine interessante Diskussion bei campact.de


Umstieg aufs Rad — Experten empfehlen den großen Wurf

Um den Menschen den Umstieg aufs Rad schmackhaft zu machen, braucht es mehr als kleine Verbesserungen am bestehenden Verkehrssystem, meinen die Forscher. © RUB, Marquard Mobilität im Ruhrgebiet

Experten empfehlen den großen Wurf

Nur wenn alle Akteure an einem Strang ziehen, kann integrierte Mobilität im Ruhrgebiet funktionieren.

Wie geht es mit der Mobilität nach Covid-19 im Ruhrgebiet weiter? Wenn der Verkehr künftig umweltfreundlicher und effizienter fließen soll, ist es mit Maßnahmen einzelner Städte nicht getan: Es müssen alle Kommunen, Unternehmen und anderen Akteure ihre Interessen koordinieren und gemeinsam an einem Strang ziehen. Nur so kann ein nachhaltiges integriertes Mobilitätsystem entstehen, das attraktiv genug ist, die Menschen von der individuellen Pkw-Nutzung hin zu nachhaltigeren Mobilitätsformen zu bewegen. Zu diesem Schluss kommt ein Team aus den Fakultäten für Sozialwissenschaft und für Wirtschaftswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Die gemeinsame Studie wurde von der Emschergenossenschaft gefördert und nun, nach einer Laufzeit von Herbst 2019 bis Frühjahr 2020, vorgestellt.

Eine gemeinsame Vision

Die Teams von Prof. Dr. Ludger Pries und Prof. Dr. Michael Roos gründen ihre Arbeit auf der Befragung aller Studierenden und Beschäftigten der RUB zu ihren Mobilitätsgewohnheiten und -erwartungen. Eine zentrale Erkenntnis: Um die Menschen zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, zum Teilen von Autos, zum Radfahren und zum zu Fuß gehen zu bewegen, reichen einzelne Verbesserungen des bestehenden Verkehrsangebots nicht aus. Ziel muss ein nachhaltiges integriertes Mobilitätsystem, kurz NIMS, sein, das von einer gemeinsamen Vision getragen wird. „Die Abstimmung zwischen den Verkehrsmitteln muss über die Grenzen der Kommunen hinweg erfolgen“, unterstreicht Ludger Pries. „Mit gemeinsamen Plattformen zur Streckensuche und Buchung ist es dabei nicht getan. Auch Fahrpläne, Routen und Haltestellen müssen optimiert werden.“

Neu planen statt Bestehendes verbessern

Die Experten plädieren für eine grundlegende Neugestaltung des Mobilitätssystems, wobei ihnen bewusst ist, dass das eine tiefgreifende Veränderung bedeutet. „Ein neues Mobilitätssystem verändert auch die gewachsenen Machtstrukturen zwischen den beteiligten Akteursgruppen“, so Michael Roos. Für notwendige Übergangsstrategien veranschlagen die Forscher Zeiträume von mindestens zehn Jahren.

Eine herausragende Bedeutung messen sie der Governance bei. Denn: „Die einzige Chance für das Ruhrgebiet besteht in netzwerkförmiger Koordination und starker Kooperation unterschiedlichster Akteursgruppen wie Staat, Unternehmen, Genossenschaften, Universitäten, Stiftungen und vielen mehr“, so die Autoren der Studie. Die gegenwärtig im Ruhrgebiet praktizierten Koordinations- und Entscheidungsmechanismen und die suboptimale Koordination und Kooperation der Akteure sehen sie als ein zentrales Hemmnis für die Realisierung eines NIMS an.

Hemmnisse identifizieren

„Als naheliegenden nächsten Schritt schlagen wir vor, die bestehende Governance-Struktur der Mobilität im Ruhrgebiet durch Interviews mit Expertinnen und Experten sowie die Analyse von Dokumenten kritisch zu untersuchen“, so Michael Roos. Auf dieser Grundlage könne man dann die Erwartungen und Vorschläge aller Akteure erheben und wesentliche Hindernisse identifizieren, die der Entwicklung eines NIMS im Ruhrgebiet im Wege stehen.


Mehr weiteres siehe bei der RUB



( Hinweis von Holger )

Kohleausstiegsgesetz Der Wald vertrocknet, die Regierung zündelt

SPIEGEL, 05.07.20

Eine Kolumne von Christian Stöcker Wer sich nicht vorstellen kann, was die Klimakrise bei uns anrichtet, sollte mal über Land fahren. Die klar erkennbare Zerstörung der Wälder ist nicht nur alarmierend: Wir alle finanzieren sie mit. 05.07.2020, 16.21 Uhr

Waldsterben im Naturpark Arnsberger Wald Jochen Tack/ imago images

Wer im Moment durch Deutschland fährt, kann die Katastrophe schon sehen, mit bloßem Auge, fast überall. Bewaldete Hänge, egal ob in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen oder Bayern, sehen aus wie die Rücken räudiger Tiere: überall hässliche braune Flecken, schüttere Stellen, große Flächen mit schon von Weitem als tot erkennbaren Bäumen. Es sind vor allem Fichten, die unter der Dürre, die Deutschland mittlerweile im dritten Jahr plagt, leiden: Wenn sie zu trocken werden, sind sie leichte Beute für Borkenkäfer.

Auch wenn es in der zurückliegenden Woche vielerorts viel geregnet hat: Es ist auch 2020 viel zu trocken in Deutschland. Und natürlich auch zu warm, wie fast jedes Jahr mittlerweile.

Die deutschesten aller Bäume, vom Tode bedroht

Jahrgang 1973, ist Kognitions­psychologe und seit Herbst 2016 Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Dort verantwortet er den Studiengang “Digitale Kommunikation”. Vorher leitete er das Ressort Netzwelt bei SPIEGEL ONLINE.

Auch Buchen und Eichen, die gewissermaßen deutschesten aller Bäume, sind durch klimabedingten Schädlingsbefall in teils dramatischen Prozentsätzen vom Tode bedroht. Von der Waldbrandgefahr ganz zu schweigen. Seltsam, dass gerade die, die so gern über die “Heimat” schwadronieren, das Problem nach wie vor nicht sehen wollen.

Schon im Mai 2020 lag die Expertenschätzung für die Waldfläche, die dieses Jahr zugrunde gehen wird, bei 400.000 Hektar. Das ist, sorry, zweimal so viel wie die Fläche des Saarlandes. Und es entspricht einem wirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe.

“Dass der Klimawandel im Gange ist, das war uns allen bekannt. Aber dass es uns jetzt in dieser Intensität so schnell überrollt hat, das haben wir, glaube ich, alle nicht geglaubt”, hat ein Forstwirt dem ZDF dieses Frühjahr gesagt.

Jetzt überlegen Sie mal kurz, was Sie lieber mögen: Wälder oder Kohlekraftwerke?

Zu späte Reue

Deutsche Regierungen sind bekannt für euphemistisch benannte Gesetzesvorschläge, aber “Kohleausstiegsgesetz” dürfte, was die Schönfärberei angeht, zur Spitzengruppe gehören. Die Bundesregierung will deutsche Kohlekraftwerke noch bis 2038 weiterlaufen lassen. Der heutige Wirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier wird dann, es sei ihm ein langes Leben gewünscht, 80 Jahre alt sein, genauso wie Finanzminister Olaf Scholz, Angela Merkel wird 84 Jahre alt sein. Sie alle werden bis dahin mit eigenen Augen zunehmend entsetzt wahrnehmen, was der Klimawandel nicht nur mit bemitleidenswerten Schwellenländern, sondern auch mit dem früher einmal in einer gemäßigten Klimazone gelegenen Deutschland anstellt. Sie werden zu spät Reue empfinden.

Das Umweltbundesamt schätzt, dass eine Tonne aus fossilen Brennstoffen erzeugtes CO2 Folgeschäden in Höhe von 180 Euro erzeugt. Die Branchen, deren Geschäftsmodell in der Erzeugung von CO2 besteht, müssen für diese Schäden aber nicht aufkommen, im Gegenteil: Sie werden subventioniert. Daran ändert auch die immer noch lächerlich niedrige CO2-Steuer nichts.

Hunderte Milliarden Euro Schaden, alle kräftig subventioniert


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Allein in die Steinkohle hat Deutschland seit den Sechzigern Hunderte Milliarden Steuergelder gesteckt, die Braunkohle wird auf Umwegen ebenfalls mit Abermillionen pro Jahr gefördert. Dem “Kohleausstiegsgesetz” zufolge sollen RWE und Leag, die größten Braunkohlekonzerne, am Ende noch 4,35 Milliarden Euro dafür bekommen, dass sie ihre unfassbar schädlichen Kraftwerke und landschaftszerstörenden Tagebaue bis 2038 endlich stilllegen.

Deutsche Kohlekraftwerke sind, kombiniert, klimaschädlicher als alle anderen in Europa. Sieben der in absoluten Zahlen zehn größten CO2-Emittenten der Europäischen Union stehen in Deutschland. Und Deutschland ist mit weitem Abstand der Top-Treibhausgas-Emittent in der EU.

Allein die deutschen Braunkohlekraftwerke haben im Jahr 2018 noch 131 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. In den Jahren davor war es noch mehr. Multipliziert man 131 Millionen Tonnen Kohlendioxid mit der Schadensschätzung des Umweltbundesamtes von 180 Euro pro Tonne, kommt man auf eine erstaunliche Zahl:

Knapp 23,6 Milliarden Euro Schaden. In einem Jahr.

23,6 Milliarden Euro. In dieser Größenordnung liegen die Schäden durch Braunkohlestrom in Wahrheit jährlich. Wir alle bezahlen dafür. Man nennt das Vergesellschaftung von negativen Externalitäten. Oder kürzer: Ihr macht es kaputt, verdient dabei kräftig, und wir alle bezahlen.

Noch nach dem Beginn der sogenannten Energiewende im Jahr 2011 haben deutsche Braunkohlekraftwerke nach dieser Kalkulation Hunderte Milliarden Euro CO2-Schäden verursacht, immer fleißig bezuschusst vom Steuerzahler. Jetzt sollen manche davon noch weitere 18 Jahre weiterlaufen dürfen. Und am Ende gibt es dann noch einen Milliardenbonus.

Wir gehören zu den Langsamsten in Westeuropa

Sicher, die Schäden, die so eine Tonne CO2 verursacht, fallen vermutlich nicht nur innerhalb der Landesgrenzen an. Und andere Länder produzieren auch CO2. Aber erstens ist “sollen die anderen doch anfangen” bei einem globalen Problem wie dem Klimawandel eine kleinkindhaft unsinnige Position. Und zweitens steigen zumindest in Westeuropa nahezu alle anderen Staaten deutlich früher aus der Kohleverstromung aus als Deutschland. Anzeige

Das Experiment sind wir: Unsere Welt verändert sich in einem so atemberaubenden Tempo, dass wir von Krise zu Krise taumeln. Wir müssen lernen, diese enorme Beschleunigung zu lenken.

Herausgeber: Karl Blessing Verlag Seitenzahl: 300 Für 22,00 € kaufen Bei Amazon bestellen Bei Thalia bestellen Produktbesprechungen erfolgen rein redaktionell und unabhängig. Über die sogenannten Affiliate-Links oben erhalten wir beim Kauf in der Regel eine Provision vom Händler. Mehr Informationen dazu hier

Frankreich: 2021. Italien: 2025. Belgien: schon kohlefrei. Niederlande: Ausstieg bis 2030. Großbritannien und Österreich: 2025, vielleicht noch früher. Schweden: 2022. Norwegen: kohlefrei. Finnland, der skandinavische Top-Emittent und Nachzügler: 2029.

Renitenter als Deutschland sind in Sachen Kohleverstromung nur noch Spanien und Länder wie Polen und Tschechien, die bekanntlich in vielfacher Hinsicht eher nicht als vorbildhaft gelten können.

Deutschland müsste dringend Vorbild sein, ist es aber nicht. Genauer: Wir …..


Mehr siehe Spiegel.de

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/kohleausstieg-der-wald-vertrocknet-die-regierung-zuendelt-kolumne-a-4d73cec2-3cb1-4b86-a649-5f1198aa8c84

Tunnel ohne Ende ( Stuttgart 21 )

Von Oliver Stenzel| , Datum: 01.07.2020

Auf einmal sind für Stuttgart 21 ein neuer Gäubahntunnel auf den Fildern und zusätzliche Gleise im Norden im Gespräch. Die sollen Probleme lösen, die es ohne das Bahnhofsprojekt gar nicht gäbe. Was nun als Verbesserung verkauft wird, ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung.

Für große Aufregung in der Landespresse hatten sie nicht gerade gesorgt, die vergangene Woche bekannt gewordenen Pläne der Bundesregierung, zugunsten des Deutschlandtakts neue Tunnel zu bauen – darunter im Rahmen von Stuttgart 21 einerseits einen neuen Gäubahntunnel auf den Fildern, zum anderen im Norden Stuttgarts zusätzliche Zuläufe zum geplanten Tiefbahnhof für die Schnellfahrstrecke aus Mannheim. Dabei sind diese Pläne im Grunde nichts anderes als eine Bankrotterklärung für das Projekt, ein Offenbarungseid. Denn vor allem die Überlegungen für einen Gäubahntunnel zeigen, wie ein zentraler Bestandteil von S 21, der bis vor Kurzem noch als problemlos umsetzbar behauptet wurde, nun im Handumdrehen entsorgt wird – weil dieser Bestandteil nichts anderes ist als eine planerische Katastrophe. Murks. Letzteres sagt, oh Wunder, nun sogar die bei S 21 sonst so unkritische CDU im Landtag.

Zusätzlich 44 Tunnelkilometer – zu bislang 62

Was nun folgen soll: Zusätzlich zu den schon jetzt gebauten und geplanten 62 Tunnelkilometern unter und um Stuttgart auf den Fildern noch 20 bis 24 Kilometer – und eine Milliarde Euro Kosten mehr. Die trägt möglicherweise hauptsächlich der Bund, falls der Abschnitt in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird. Und bei den Zulaufstrecken im Norden kämen bei der vorgestellten Ausbau-Option noch einmal rund 20 Kilometer Tunnel hinzu, so der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Matthias Lieb. Laut Klaus Gebhard von der Gruppe “Umstieg 21” sogar rund 24 Kilometer. Damit “werden die Tunnelkilometer für Stuttgart 21 auf die Spitze getrieben”, sagt Lieb.

Scheuers Masterplan

Die Pläne für neue Tunnel im deutschen Schienennetz wurden erstellt im Rahmen des „Masterplans Schienenverkehr“, den Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am 30. Juni mit viel Show vorgestellt hat. Er soll dem Ziel dienen, den „Deutschlandtakt“ umzusetzen, „um bis 2030 doppelt so viele Bahnkundinnen und Bahnkunden im Schienenpersonenverkehr zu gewinnen“. In dem Dokument ist dabei auch von einem „Ausbau der Planungs- und Baukapazitäten“ von momentan zwei Milliarden Euro hin zu drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr die Rede. Allerdings enthält die präsentierte Fassung des Masterplans noch keine Liste konkreter Infrastrukturprojekte; diese soll bis zum 15. Juli folgen. (os)

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Noch einmal mindestens rund 44 Kilometer zusätzlich, auf einen Schlag noch einmal über zwei Drittel der bisherigen Menge mehr, man wäre dann am Ende bei bald 110 Kilometern. Riesige Mengen zusätzlich an Beton, dessen Bedarf S 21 schon in der bisher geplanten Dimension zu einer CO2-Schleuder macht (Kontext berichtete), und das in einer Zeit, in der die Folgen des Klimawandels nicht mehr zu leugnen sind. Dies führt jede Argumentation, die klimafreundliche Bahn jetzt durch den Deutschlandtakt attraktiver zu machen, ad absurdum.

Kurz: enorme zusätzliche Kosten, enormer zusätzlicher CO2-Ausstoß, ein Umsetzungszeitraum, den man mit Planung, Planfeststellung, Einwendungen, Ausschreibungen und Bau vermutlich eher auf 20 als auf zehn Jahre taxieren kann. Und das alles, um für die neue Station eine Betriebsqualität zu schaffen, die der alte Kopfbahnhof ohnehin schon hat. “Wahnsinn wird mit Wahnsinn bekämpft” beschreibt das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 den in seinen Augen “sündhaft teuren Versuch (…) noch irgendwie zu retten, was nicht mehr zu retten ist”.

Auf den Fildern: Von Anfang an Murks

An wenigen Stellen des Projekts trat der Murks so offen zutage wie bei der Filderplanung für die Gäubahn, oder konkret, dem Planungsfeststellungsabschnitt ….

Bahnvertreter argumentierten auf Informationsveranstaltungen zu diesem Abschnitt gegenüber Kritikern auch mit Simulationen, die angeblich eine gute Betriebsqualität und Fahrbarkeit der Strecke nachweisen sollten. Die stimmten nun offenbar doch nicht so ganz, und die Kritiker haben Recht behalten. Gutes Futter für Gedankenspiele, wie sich dereinst dieses Szenario in der zu klein dimensionierten Tiefhaltestelle im Stuttgarter Talkessel wiederholen wird.


Weiter siehe : Kontext Wochenzeitung 01.07.20



( Hinweis von Holger )