Wasser und Klimaschutz: Fliegende Flüsse

(11.06.21 , von taz.de , Original : hier ,
interessanter Artikel der Wissenschaftsseite der taz zur Bedeutung von Bäumen für das Stadtklima)

Begrünung kann eine Landschaft um bis zu 20 Grad runterkühlen, sagt eine Studie. Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem Wald zu.

Wasser kühlt – das wissen wir alle. Und dennoch wird dieser Umstand in der Klimadebatte massiv unterschätzt. Viele glauben, es reiche, den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu reduzieren. Dabei sind die Dinge viel komplexer, denn es gibt weitere, biophysikalisch sehr unterschiedlich wirkende Treibhausgase, wozu auch Wasserdampf gehört.

Der Übergang von flüssigem Wasser zu Wasserdampf sorgt erdnah für Verdunstungskühlung

Bis vor Kurzem war Wasserknappheit in Deutschland undenkbar. Doch mehrere Dürresommer in Folge ließen Unterböden in der Tiefe von 1,80 Metern so austrocknen, dass im Harz und anderswo der Wald stirbt.

Angesichts sinkender Grundwasserpegel warnte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sogar schon vor längerfristig drohender Knappheit von Trinkwasser.

Wie erklärt sich der Wassermangel im regenreichen Deutschland? Me­teo­ro­lo­g:in­nen sagen, die früher beginnende Vegetationsperiode verbrauche das Wasser im Boden schneller, so dass es im Sommer fehlt. Aber neue Studien liefern wichtige Hinweise darauf, dass auch Abholzungen und Versiegelungen enorm zur Zerstörung der großen und kleinen Wasserkreisläufe beitragen.

Wenn die Sonne auf eine begrünte Fläche scheint, nutzen die Pflanzen über 70 Prozent der Sonnenenergie für die Verdunstung („Transpiration“). Ist die Fläche nackt, spricht man von „Evaporation“. Pflanzen nehmen Wasser als Transportmittel für Nährstoffe und Kühlmittel über ihre Wurzeln auf und geben es über die Spaltöffnungen ihrer Blätter an ihre Umgebung ab. Der Übergang von flüssigem Wasser zu Wasserdampf sorgt erdnah für Verdunstungskühlung, während die dabei „verbrauchte“ Energie als „latente Wärme“ in die Atmosphäre hochsteigt. Pflanzen leisten also einen entscheidenden Beitrag zum Transfer von bodennaher Wärme und zur Kühlung des Planeten.

Städte werden im Sommer zu Hitzeinseln

An einem Sonnentag kann ein einziger Baum mehrere 100 Liter Wasser transpirieren und seine Umgebung mit 70 Kilowattstunden pro 100 Liter kühlen, was der Leistung von zwei 24 Stunden lang laufenden Klimaanlagen entspricht. In Tschechien wurden laut einer Studie in Ecological Engineering an einem Sommertag in einem Wald 28 Grad gemessen, während die Temperaturen auf einem abgeernteten Feld 42 Grad und über Asphalt 49 Grad betrugen. Da Städte meist viel Asphalt und wenig Grün haben, werden sie im Sommer zu Hitzeinseln. Auch nackte Erde erhitzt sich schnell.


Die Autoren

Stefan Schwarzer ist Mitarbeiter der UN-Umweltorganisation UNEP und hat dort einen wissenschaftlichen Artikel mit ähnlichem Tenor veröffentlicht. Zusammen mit Ute Scheub schrieb er 2017 „Die Humusrevolu­tion – wie wir den Boden retten, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen“.


Fast die Hälfte der Niederschläge über den Kontinenten entsteht durch Verdunstungsprozesse über dem Land, davon 60 bis 80 Prozent aus der Transpiration von Pflanzen. Das bedeutet, dass globale Landnutzungsänderungen Wasser- und Energieströme verändern und somit enormen Einfluss auf das Klima haben. Schwindende Wälder und nackte Böden führen zu höheren Bodentemperaturen, weniger Niederschlag und längeren Trockenzeiten. Eine Studie in Nature fand heraus: Luftmassen, die über kahle Gebiete ziehen, produzieren um die Hälfte weniger Regen als Luftmassen über stark bewachsenen Flächen.

Vermehrt ab 1950 wurden weltweit Wälder in Äcker und versiegelte Flächen umgewandelt. In Indien veränderte sich das Muster des Monsuns parallel zur Entwaldung. Auf Borneo führen die Abholzungen des Urwalds für Palmölplantagen zu signifikant weniger Regen. Global reduziert sich die Verdunstung seit 1950 jährlich um etwa 5 Prozent, was die Durchschnitts-Temperatur um 0,3 Grad erhöhte. Allein die jetzige Abholzungsrate der Tropenwälder könnte bis 2100 für eine Klimaerhitzung um 1,5 Grad sorgen.

Wälder produzieren ihren Regen selbst

Zudem scheinen große Wälder biochemische Reaktoren zu sein: Sie lassen Bakterien, Pilzsporen und Pollen in die Luft steigen, wo diese als Kondensationskerne für Wolken und Niederschläge dienen. Und sie senken die Gefriertemperatur von Eiskernen, was Wolkenbildung und lokalen Regen begünstigt. Wälder produzieren somit ihren Regen selbst. Sie dienen womöglich auch als Wind- und Wettermacher, als „biotische Pumpe“, die das Nass rund um die Erde transportiert, sagt die russische Klimaforscherin Anastassia Makarieva.

Millionen von Bäumen erzeugen in Form von Wolken riesige Wasserflüsse in der Luft, die „fliegenden Flüsse“. Der von Bäumen erzeugte Wasserdampf kann dabei in 8 bis 10 Tagen etwa 500 bis 5.000 Kilometer zurücklegen. Die über Eurasien aufsteigende Feuchtigkeit beeinflusst wesentlich das Wetter und die Wasserressourcen in China. Die Feuchte über Ostafrika ist Miterzeuger der Niederschläge im Kongobecken. Der westafrikanische Regenwald sorgt für Wasser im Nil. Und das Amazonasgebiet lässt Regen über dem Nordwesten der USA und Südamerika entstehen. Entwaldung führt auch zu stärkeren Aufwinden und höheren Wolken, die Niederschläge geringerer Menge, aber stärkerer Intensität produzieren.

Wenn Pflanzen und Bäume so existenziell wichtig sind für das lokale, regionale und globale Klima, dann beinhaltet das aber auch positive Nachrichten. Erstens: Klimaschutz durch Wiederbegrünung ist hochwirksam. Konkret bedeutet das, Entwaldung auf allen Ebenen zu stoppen und Wiederaufforstung zu erhöhen.

Hecken und Blühstreifen als Pflicht

Auch die Landwirtschaft sollte auf regenerative Praktiken umgestellt werden: Der Boden sollte mit Mulch, Zwischenfrüchten und Untersaaten immer bedeckt und begrünt werden. Ausgeräumte Agrarlandschaften wie in den jetzt von Wasserknappheit bedrohten östlichen Bundesländern sollte es nicht länger geben. Hecken, Baum- und Blühstreifen sollten zur Pflicht gemacht werden, damit die Feuchte im Boden erhalten, von den Pflanzen transpiriert und damit wieder zu Niederschlag umgewandelt werden kann.

Waldumbau und Wasserrückhaltung sollten gefördert werden. Ebenso Agroforstsysteme, wie es jetzt auch ein Bundestagsbeschluss vom Januar 2021 vorsieht. All diese Maßnahmen sorgen für mehr Wasser im kleinen Verdunstungskreislauf und sind deshalb weit wirksamer als Wassersparen.

Zweitens: Stadtregierungen und zivilgesellschaftliche Gruppen können sehr viel tun. Berlin, Hamburg und andere Metropolen haben begonnen, sich in „Schwammstädte“ zu verwandeln, auch wenn das Umsetzungstempo noch zu wünschen übrig lässt. Das Konzept beinhaltet, kostbaren Regen nicht länger in die Kanalisation zu leiten, sondern aufzufangen – mittels Flächenentsiegelungen, Regenspeichern, Ausweitung von Parks und Grünflächen, flutbaren Plätzen oder Mulden unter jedem einzelnen Stadtbaum.

Häuser könnten mit Gründächern und Grünfassaden ausgestattet, Terrassen mit Pergolas gekühlt werden. Urbane Gärt­ne­r:in­nen könnten auf jeder Brache dafür sorgen, dass sie begrünt und begärtnert wird. Kleine Gruppen können zwar nicht für eine messbare CO2-Absenkung sorgen, aber für eine deutliche Abkühlung des lokalen Klimas. Das heißt: weniger Hitzetote, mehr Gesundheit, mehr Wohlbefinden. Jede einzelne Pflanze und jeder einzelne Baum zählt!

Drittens: Wenn die „fliegenden Flüsse“ Eurasiens etwa das Wetter von China mitbestimmen, bedeutet das eine ganz neue Perspektive für die Weltgesellschaft: Internationale Klimakooperation wird zum Muss. Jeder Staat ist von jedem anderen abhängig, jeder wird zum Sender und Empfänger von Feuchte und Kühle.


(Tip von Holger)

Versorgungs-Report Klima und Gesundheit

Siehe hierzu auch in unserem Presse-Archiv den Artikel der WAZ

(09.06.21 , Wissenschaftliches Institut der AOK , Original : hier )

Der  Report geht der Frage nach, welche Auswirkungen der Klimawandel auf unsere Gesundheit hat und welche Konsequenzen sich daraus für die medizinische Versorgung in Deutschland ergeben. Dabei bringt er die unterschiedlichen Perspektiven von Umweltepidemiologen, Medizinern und Gesundheitspolitikern zusammen. Expertinnen und Experten analysieren in insgesamt 16 Fachbeiträgen den Einfluss des Klimawandels auf Erkrankungshäufigkeiten, gefährdete Bevölkerungsgruppen und Infrastrukturen der Gesundheitsversorgung.


Der Report verfolgt das Ziel, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse für die Versorgungspraxis aufzubereiten und so zu einer stärkeren Sensibilisierung für die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels in der Gesellschaft beizutragen. Dargelegt werden:

  • klimawissenschaftliche Grundlagen und Gesundheitsfolgen der Klimaveränderungen
  • versorgungsbezogene Analysen zu bedeutsamen Gesundheitsrisiken und Präventionsempfehlungen
  • Verhalten der Bevölkerung auf Basis einer aktuellen deutschlandweiten Befragung
  • Anpassungsbedarf auf infrastrukturell-organisatorischer Ebene


Der Teil „Daten und Analysen“ informiert umfassend über die Häufigkeit von Erkrankungen und Behandlungen in Deutschland.

  • Klimawandel und gesundheit: wissenschaftliche Erkenntnisse und Prognosen
  • Handlungsbedarfe für die Gesundheitsversorgung
  • Präventionsverhalten und gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Teil I Grundlagen und die globale Bedeutung des Klimawandels für die Gesundheit

1

Der anthropogene Klimawandel und seine Folgen: Wie sich Umwelt- und Lebensbedingungen in Deutschland verändern

Veronika Huber2

Klimawandel und Gesundheit aus globaler Perspektive – eine Übersicht über Risiken und Nebenwirkungen

Alina Herrmann und Ina Danquah

Teil II Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels und Herausforderungen für die medizinische Versorgung in Deutschland

3

Der Einfluss von Temperatur auf die Mortalität

Elke Hertig und Alexandra Schneider4

Der Einfluss des Klimawandels auf das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Handlungsansätze und die besonderen Herausforderungen durch Arzneimittelwechselwirkungen

Bernhard Kuch5

Individuelle und regionale Risikofaktoren für hitzebedingte Hospitalisierungen der über 65-Jährigen in Deutschland

Hannah Klauber und Nicolas Koch6

Hitzewellen: neue Herausforderungen für die medizinische Versorgung von älteren Menschen

Clemens Becker, Jochen Klenk, Julia Frankenhauser-Mannuß, Ulrich Lindemann und Kilian Rapp7

Hitzebelastungen im Arbeitssetting: die Sicht der Arbeitsmedizin

Julia Schoierer, Hanna Mertes, Katharina Deering, Stephan Böse-O’Reilly und Caroline Quartucci8

Interaktion von Temperatur und Luftschadstoffen: Einfluss auf Morbidität und Mortalität

Susanne Breitner, Regina Pickford und Alexandra Schneider9

Klimawandelbedingte Veränderungen in der UV-Exposition: Herausforderungen für die Prävention UV-bedingter Hauterkrankungen

Jobst Augustin, Brigitte Stephan und Matthias Augustin10

Der Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition: Herausforderungen für die Versorgung von allergischen Erkrankungen

Alika Ludwig, Daniela Bayr, Melanie Pawlitzki und Claudia Traidl-Hoffmann11

Der Einfluss des Klimawandels auf die Ausbreitung von Infektionskrankheiten – am Beispiel der Lyme-Borreliose

Martín Lotto-Batista, Christiane Behrens und Stefanie Castell12

Klimawandel und Gesundheit: Welche Rolle spielt der Klimawandel im Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung? Ergebnisse einer deutschlandweiten Bevölkerungsbefragung

Caroline Schmuker, Bernt-Peter Robra, Kai Kolpatzik, Klaus Zok und Jürgen Klauber13

Gut für das Klima, gut für die Gesundheit: Perspektiven für individuelle Verhaltensänderungen

Timothy McCall, Tatjana P. Liedtke, Claudia Hornberg und Michaela Liebig-Gonglach

Teil III Strukturelle und organisatorische Anpassungen an den Klimawandel

14

Notwendige Anpassungen in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung aufgrund hitzebedingter Dehydrationsrisiken

Stephanie Krebs, Anna Larina Lietz und Martina Hasseler15

Klimasensible Stadtplanung und Stadtentwicklung

Judith Schröder und Susanne Moebus16

Den Klimawandel bewältigen: Herausforderungen an die institutionelle Organisation des Gesundheitswesens

Ingo Bode

Teil IV Daten und Analysen

17

Diagnosehäufigkeit und Inanspruchnahme des Gesundheitswesens

Caroline Schmuker, Ghassan Beydoun und Christian Günster

zur Übersicht Versorgungs-Report

Führt XR die NRW-Polizei an der Nase herum (WAZ) – Leserbrief

(07.06.21, WAZ.de , Tobias Blasius , Original : hier — Leserbrief s. unten)

Düsseldorf 
Aktivisten können immer wieder gesicherte Gebäude im Düsseldorfer Regierungsviertel besetzen, so auch am Montag. Das hat jetzt ein Nachspiel.

… Am Montag konnten erneut mehrere Aktivisten auf das Hauptportal des eigentlich besonders geschützten NRW-Innenministeriums klettern und dort ein Transparent enthüllen mit der Aufschrift: ‟Stoppt die Klimakrise, nicht den Protest.”

Erst ein Großaufgebaut der Polizei zeigte sich in der Lage, den Protest nach mehr als einer halben Stunde zu beenden. ….

Eigentlich sollte der Objektschutz verdoppelt werden

Es ist nicht der erste Einsatz dieser Art. Immer wieder war es Extinction Rebellion zuletzt gelungen, mit der bloßen Ankündigung von Aktionen in den Sozialen Netzwerken die Polizei in Düsseldorf auf Trab zu halten. Im Landtag ist bereits von einem ‟peinlichen Katz- und Maus-Spiel” die Rede. Es könne nicht sein, dass die Landesregierung allerorten ihre ‟Null-Toleranz-Strategie” rühme, aber im Zentrum der NRW-Demokratie permanent von ein paar jungen Leuten vorgeführt werde.

… Damals war es einer größeren Formation von Extinction Rebellion gelungen, ungehindert einen bunten Wohnwagen bis direkt vor das Hauptportal des Parlaments zu schieben. Einige Umweltaktivisten kletterten mühelos die Landtagsfassade hoch und befestigten ein Banner. Andere ketteten sich an eine mitgebrachte Windrad-Attrappe.

Landtagspräsident sieht eine gefährliche Entwicklung

Wie aus einem in den Sozialen Netzwerken veröffentlichten Video von Extinction Rebellion hervorgeht, waren die Objektschützer offenbar nicht durchgehend auf dem Posten. Die Aktivisten konnten in Ruhe vor dem Parlamentsgebäude mit Fotografen-Begleitung Position beziehen. Erst nach Stunden war die Ordnung auf dem Landtagsvorplatz wieder hergestellt.


(Tip von Petra)


Leserbrief :

Betreff: Führen Umweltaktivisten NRW vor? – Ist das wirklich die Frage?

Die Fragen, die hier meiner Meinung nach zu stellen sind, WARUM? und WOZU?

Fangen wir mit dem “Warum” an:
Nachdem 1984 der Club of Rome erstmals auf die Auswirkungen des ungebremsten Ressourcenverbrauchs hingewiesen hat, haben seitdem viele tausend Wissenschaftler den Klimawandel bestätigt. Jahrzehntelang wurde friedlich demonstriert und Petitionen unterschrieben, und wo stehen wir heute?

2018 hat der Weltklimarat in einem Sonderbericht erklärt, dass wir noch 420 Gigatonnen CO2 emittieren können, um das 1,5°C Ziel zu erreichen. Im gleichen Jahr wurden 42 Gigatonnen verbrannt. Bei gleichbleibenden Emissionen haben wir das vorgegebene Kontingent 2028 verbraucht!!!Haben wir seitdem irgendwas unternommen, um den CO2 Ausstoß einzudämmen? Ach ja wir hatten CORONA, und damit den Lockdown!

Jetzt zur Frage “Wozu“:
Es brennt, die Zeit läuft uns davon! Es ist der verzweifelte Versuch von FFF und auch von Extinction Rebellion, u.a. Klimagerechtigkeitsbewegungen, -in gewaltfreien und friedlichen Protesten und/oder Aktionen des zivilen Ungehorsams die Politik und die Medien wachzurütteln! z.B. waren Deutschlands CO2 Emissionen pro Kopf höher als in China!

Die pro Kopf Emissionen waren in Deuschland mit 9,6t ( China 7,6t ) pro Jahr doppelt so hoch wie der internationale Durchschnitt mit 4,8t CO2. Wann wird die Politik und die Medien endlich aufwachen und den drohenden Klimakollaps und das massive Artensterben endlich ernst nehmen, angesichts der ungebremsten Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und der existenziellen Zerstörung allen Lebens auf unserem Planeten.

Wann nehmen sie Ihren Autrag zur journalistischen Aufklärung endlich ernst und berichten zum Wohl und Erhalt der Menschen und ihrer Lebensgrundlagen anstatt dagegen zu polemisieren, oder von den entscheidenden zukunftsfördernden Inhalten und Fragen abzulenken, indem sie die Empörung auf Nebenschauplätze lenken.

Petra


Essen in Zeiten der Klimakrise

(06.06.21 , von orf.at , Original : hier )

Hipster-Bashing, das Aufräumen mit Nachhaltigkeitsmythen und ganz viel Pragmatik stehen im Vordergrund bei drei Buchveröffentlichungen zum Thema Ernährung und ökologischer Fußabdruck. Konsens herrscht mittlerweile in der Frage, ob nun Konsumierende, Wirtschaft oder Politik die Verantwortung fürs Klima tragen.

Mike Berners-Lee ist britischer Ökologieprofessor, dabei Experte für den ökologischen Fußabdruck – und nicht zu verwechseln mit seinem Bruder, dem HTML-Erfinder Tim Berners-Lee. Sein Buch heißt „Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem“. David Höner ist ein Schweizer Koch, Entwicklungshelfer und Ernährungsaktivist. Er lebt in Ecuador, wo er unter anderem Avocados im privaten Garten anbaut, und hat nun mit „Köche, hört die Signale“ ein „kulinarisches Manifest“ verfasst. Und Cornelia Diesenreiter hat das Buch „Nachhaltigkeit gibt’s nicht“ geschrieben und führt ein Geschäft auf dem Wiener Schwendermarkt, wo gerettete Lebensmittel zu allerlei möglichst nachhaltigen Produkten weiterverarbeitet werden.

„Möglichst nachhaltig“ – das führt bereits zum Kern der Problematik. Diesenreiter erklärt das anhand einer Marmelade. Damit die ökobewusste Käuferschaft zugreift, muss die Unternehmerin den Sechserpack in einer Schachtel aus recyceltem Karton verkaufen. Als studierte Expertin für Umwelt- und Bioressourcenmanagement weiß sie: Der Karton hat einen sechsmal größeren ökologischen Fußabdruck als eine dünne Plastikfolie. Bei Nachhaltigkeit geht es allzu oft nur ums Image – das von Produkten, aber auch das eigene.

Hipster vs. Klimawandelleugner

Berners-Lee, Höner und Diesenreiter haben einen gemeinsamen Feind: Das Mittelklasse-Hipstertum in seiner Bobo-Variante. Da wird in den Urlaub geflogen, mit dem SUV zum Zweitwohnsitz gefahren, aber das Ökoimage richten Jutesackerln und fair gehandelter Biokaffee aus der Rösterei ums Eck genauso wie das vor sich hergetragene Angeekelt-Sein von den Klimawandelleugnern in den billigen Vorstadtbezirken. Dabei sind es gerade ärmere Menschen, die einen viel kleineren ökologischen Fußabdruck haben, erklärt Diesenreiter im Interview – eben mangels SUV und weil sie nicht mit dem Flugzeug regelmäßig ans andere Ende der Welt fliegen.

Ums Image geht es auch den Unternehmen, und allzu oft nicht um Nachhaltigkeit. Diesenreiter führt als Beispiel die Kennzeichnung „ohne Palmöl“ an. Viele Produzenten hätten auf Kokosöl umgestellt, weil Palmöl nicht mehr opportun sei. Für Kokosöl muss eineinhalbmal so viel Regenwaldfläche gerodet werden wie für dieselbe Menge Palmöl. Hier hakt der Koch Höner ein: Wer vegan ist und dann Butter aus Kokosöl isst, tut der Umwelt nichts Gutes.

Heikle Frage Fleischkonsum

Berners-Lee vergleicht das mit jenen, die als Vegetarier oder Vegane Fleisch weglassen und durch eingeflogenes Gemüse ersetzen. Wobei er Obst und Gemüse, etwa Bananen und Orangen, die mit dem Schiff kommen, als recht unproblematisch einstuft. In seinem Buch finden sich detaillierte Fußabdrucktabellen mit Erklärungen zu den unterschiedlichsten Produkten. Diesenreiter sagt auch, dass es immer noch besser sei, tierische Lebensmittel zu essen als vegane Produkte, die nur noch aus Chemie bestehen.

Buchhinweise:

  • Cornelia Diesenreiter: Nachhaltig gibt’s nicht. Molden, 158 Seiten, 22 Euro.
  • David Höner: Köche, hört die Signale. Ein kulinarisches Manifest. Westend, 175 Seiten, 18,50 Euro.
  • Mike Berners-Lee: Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem. Midas, 278 Seiten, 22,70 Euro.

Also doch zurück zum bedenkenlosen Fleischkonsum und zu Milchprodukten? Dem widersprechen sowohl Berners-Lee als auch Höner und Diesenreiter. Nur soll man beim Ersatz nicht auf Greenwashing und Ökomythen hereinfallen. Warum Fleischkonsum trotzdem ineffizient und dadurch unökologisch ist, erklärt Berners-Lee in einfach verständlichen Worten: 100 Gramm Sojabohnen enthalten mehr Eiweiß und Vitamin A als 100 Gramm Rindfleisch.

Man könne die 100 Gramm Sojabohnen selbst essen. Verfüttere man sie an ein Rind, erhalte man dafür zehn Gramm Rindfleisch, weil das Rind selbst einen Großteil der Energie der Sojabohnen verbrauche. Zehn Gramm Rindfleisch seien erst recht nährstoffärmer als 100 Gramm Sojabohnen. Man mache also ein riesiges Verlustgeschäft. Noch dazu würden Rinder durch ihre Verdauung viel CO2 ausstoßen. Wie man es auch drehe und wende, die Ökobilanz von Fleisch und Milchprodukten sei nicht gut.

Good News statt Apokalypsengezeter

Aber, und auch hier sind sich alle drei einig: Es bringt nichts, wenn das Thema Nachhaltigkeit rein aus dem Negativen heraus gedacht wird. Predigt man Selbstkasteiung, Verzicht und die Angst vor der ganz bald drohenden Apokalypse, bringt das ähnlich viel wie das Leugnen der Klimakrise. Berners-Lee sagt, er ist jetzt optimistischer als noch vor zehn Jahren, weil der Mainstream der Menschen jetzt endlich aufgewacht sei.

„Los Leute, wir haben’s in der Hand“

Auch Höner setzt auf Signale des Aufbruchs. Sein Motto: „Los Leute, wir haben’s in der Hand!“ Aber liegt die Verantwortung überhaupt in unserer Hand? Oft hört man in Debatten, dass es nicht an der Konsumentenschaft liegen dürfe zu entscheiden, ob nachhaltige Produktion forciert werde oder nicht. Da sei die Politik am Zug, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen.

Einig sind sich Diesenreiter, Höner und Berners-Lee, dass niemand ohnehin schon finanziell benachteiligte Menschen zwingen könne oder solle, zu deutlich teureren Ökoprodukten zu greifen. Wer es sich leisten könne, solle aber seinen Beitrag leisten. Und Politik und Unternehmen seien gleichermaßen für nachhaltigen Fortschritt verantwortlich und müssten dafür sorgen, dass Ökoprodukte eben nicht mehr teurer seien.

Der Dreischritt der Nachhaltigkeit

Dabei geht es um Innovationen, Regionalität und Effizienz. Problematisch findet Diesenreiter hingegen Förderungen für Ökoprodukte – Förderungen, die durch Steuern finanziert werden, die auf Produkte eingehoben werden, deren Herstellung und Transport der Umwelt schadeten. Sprich: Wenn ökologische Produktionsweise von unökologischer abhänge, beiße sich die Katze in den Schwanz. Soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit müssen Hand in Hand gehen, sind sich Diesenreiter, Höner und Berners-Lee einig.

Marie-Therese Mürling und Alice Pfitzner (Recherchen und Video), beide ORF TV Kultur, Simon Hadler (Text), ORF.at

Links:


(Tip von Ingo)

Der Klimawandel lässt den Permafrost schwinden. Das krempelt die Landschaft um – nicht nur in den Alpen

(05.06.21 , neue Züricher Zeitung , Original : hier )

Weltweit transformiert tauender Permafrost die Erdoberfläche. In den Alpen rechnen Forscher mit Felsstürzen und Muren; in der Tundra entstehen Seen, Häuser bekommen Risse. Die Ungewissheit, wie schnell das weitergeht, ist noch sehr gross. (Sven Titz)

Der Spitze Stein, eine Felsnase oberhalb von Kandersteg im Kanton Bern, droht zu zerbrechen. 20 Millionen Kubikmeter Gestein seien in dem Gebiet in Bewegung, sagt Nils Hählen, der Leiter der Abteilung Naturgefahren im Kanton Bern. Kleinere Rutschungen seien am Spitzen Stein ebenso möglich wie Felsstürze und grosse Bergstürze.

Bohrungen in steilem Gelände

Wie gravierend, wie verbreitet ist dieses Problem? Antworten können Forscher geben, die seit vielen Jahren verfolgen, wie der Permafrost im Hochgebirge auftaut. Seit 2000 werden die Veränderungen in den Schweizer Alpen vom Permafrost-Überwachungs-Netzwerk «Permos» beobachtet. Eine wichtige Messstation wurde aber schon 1988 unterhalb des Piz Corvatsch im Engadin eingerichtet.

Eine Frage des Eisgehalts

In welchen Gebieten der Schweizer Alpen Permafrost auftritt, haben die SLF-Mitarbeiter in einer Karte festgehalten. Wenig überraschend sind viele felsige Areale rings um die höchsten Gipfel ständig gefroren. Diesen «trockenen Permafrost» findet man regelmässig an Nordhängen oberhalb von 2400 Metern Höhe. Weil das Gestein nur wenig Eis enthält, taut er bei Erwärmung schnell auf. In die Spalten dringt Wasser ein. Der Wasserdruck vergrössert die Spalten – auf diese Weise beschleunigt sich die Erosion selbst.

Wenn die Tundra auftaut

Der Permafrost schwindet nicht nur in den Alpen. Auch in den unendlichen flachen Landschaften des hohen Nordens setzt ihm der Klimawandel zu. Noch besitzt ein Viertel der Landoberfläche auf der Nordhalbkugel – das sind 14 bis 16 Millionen Quadratkilometer – einen permanent gefrorenen Boden. Diese Fläche ist eineinhalb Mal so gross wie die von Europa.

Die grössten Permafrostregionen liegen in Russland und Kanada

Die grössten Permafrostregionen liegen in Russland und Kanada

Quelle: Obu et al., 2019 NZZ / joe.

Doch die gefrorenen Böden tauen in der Tundra immer häufiger auf. Forscher können das anhand von Temperaturmessungen gut dokumentieren: Der Permafrost in den Weiten von Alaska, Kanada und Sibirien werde seit ungefähr 70 Jahren mithilfe von Bohrlöchern überwacht, berichtet Vladimir Romanovsky von der University of Alaska Fairbanks.

Einblick in die Klimageschichte

Die meisten Bohrungen sind nur wenige Meter tief. Einige wenige reichen aber 100 Meter und mehr hinab. Das Tiefenprofil der Messdaten aus solchen Löchern enthüllt die Klimageschichte der Region. Temperaturveränderungen an der Oberfläche – ganz gleich, ob Abkühlung oder Erwärmung – dringen im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte immer tiefer in den Boden ein. Die niedrigsten Temperaturen werden heute oft in mittleren Schichten gemessen, in zig Metern Tiefe. Dort ist die Kälte «gespeichert», die in früheren Jahrhunderten an der Oberfläche herrschte. Noch weiter unten macht sich dann die Wärme bemerkbar, die kontinuierlich aus dem Erdinneren aufsteigt.

Schäden an der Infrastruktur

«In der Arktis leben fünf Millionen Menschen auf Permafrost-Böden», sagt Romanovsky. Für sie bedeutet das grosse Tauen einen fundamentalen Wandel ihrer Umwelt. Ob Wohnhäuser, die schief stehen, Strassen, die Risse bekommen, Schienen, die sich verformen oder Flughäfen und Industrieanlagen, die unbrauchbar werden: Vielerorts richten Bodenabsenkungen erhebliche Schäden an.

Die Gefahr von Rückkopplungen

Klimaforscher befürchten, dass es im Anschluss an das Auftauen des Permafrosts zu einer Selbstverstärkung kommt – einer «positiven Rückkopplung»: Wo die Trockenheit zunimmt, könnten Waldbrände die Erwärmung der Böden noch beschleunigen. Aus den mit Schmelzwasser gefüllten Tümpeln könnten vermehrt die Treibhausgase CO2 und Methan entweichen. Solche Prozesse würden die globale Erwärmung zusätzlich anfachen. Doch neuere Studien zeichnen ein differenziertes Bild: Zwar nimmt die Freisetzung von Treibhausgasen zu, aber eine «Methanbombe», wie manche früher dachten, sind die auftauenden Landschaften denn wohl doch nicht.

Szenarien mit Unsicherheiten

Die Ungewissheit sei aber noch sehr gross, sagt Romanovsky. Das liegt einerseits daran, dass man nicht genau weiss, welche Mengen an Treibhausgasen die Menschheit noch freisetzen wird, andererseits an Unsicherheiten in den Klimamodellen. Die Methoden, um die Entwicklung des Permafrosts vorauszuberechnen, sind noch lange nicht so ausgefuchst wie bei den Modellen zur Wettervorhersage. Im Extremfall könnte der grösste Teil der oberflächennahen Permafrostböden in der Tundra auftauen. Im optimistischsten Fall würden die meisten Areale bis 2100 überleben. Nur die südlichsten Randgebiete, wo der Schwund bereits begonnen hat, wären verloren.

Wenn das Gestein ins Wanken gerät

Wo der Permafrost schwinde, würden vermutlich Felsstürze zunehmen, sagt Phillips. Doch es mangle noch an Daten. Gut dokumentiert seien nur grosse Bergstürze, da gebe es noch keinen Trend. Man sei auf direkte Beobachtungen angewiesen, etwa von Wanderführern, Bergrettern und Hüttenwirten. Nützlich sind auch Messungen des Erdbebendiensts, der heftige Gesteinsbewegungen in seinen Seismogrammen identifizieren kann. «Möglicherweise löst das tiefe Eindringen von Wasser in Gesteinsspalten, das durch Eisverluste ermöglicht wird, bald grössere Ereignisse aus», mutmasst Phillips. Wanderer sollten Augen und Ohren offen halten – gerade im Sommer.


(Tip von Ingo)

“Klimaschutz ist zu sehr ein Projekt der Eliten” (Zeit, 01.06.21)

(01.06.21, Original bei Zeit.de : hier )

Jeder Mensch hat den gleichen Anspruch auf den Verbrauch natürlicher Ressourcen, sagt der Ökonom Marcel Fratzscher. Aber wie könnte eine gerechte Klimapolitik aussehen?

Interview: Petra Pinzler • Illustration: Annick Ehmann 1. Juni 2021,

“Klimaschutz ist zu sehr ein Projekt der Eliten” – Seite 1

Klimakrise, Artensterben, Ozeanverschmutzung: Bisher hat die Ökonomie die planetaren Grenzen und damit viele ökologische Probleme weitgehend ignoriert. Doch das ändert sich gerade rasant, Schlüsselbegriffe wie “Markt”, “Wettbewerb” oder “Schulden” werden neu gedacht und neu bewertet. Das wiederum wird die Spielregeln der Wirtschaftspolitik radikal verändern. Im Rahmen eines Fellowships beim THE NEW INSTITUTE haben wir bei neun führenden WissenschaftlerInnen nachgefragt:

Wie lässt sich die Wirtschaft-Natur-Krise lösen?


Marcel Fratzscher

ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin und zugleich Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist zudem Kolumnist auf ZEIT ONLINE.



ZEIT ONLINE: Herr Fratzscher, lassen Sie uns den entscheidenden Begriff unseres Gesprächs gleich zu Beginn klären. Sie haben viel darüber geforscht, was Gesellschaften gerechter macht. Trotzdem benutzen Sie häufiger das Wort Gleichheit – warum?

Marcel Fratzscher: Als Wissenschaftler ist es für mich wichtig, zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven zu unterscheiden. Gerechtigkeit ist subjektiv, jeder kann für sich anders bewerten, was gerecht ist. Gleichheit oder Ungleichheit – das sind hingegen objektivere Begriffe. Man kann objektiv beschreiben, ob beispielsweise Menschen die gleichen Chancen oder Einkommen haben. …

ZEIT ONLINE: Ist es wichtig für den Zusammenhalt von Gesellschaften, dass sie nicht zu ungleich werden?

Fratzscher: Sehr ungleiche Gesellschaften haben häufig einen geringen Zusammenhalt. Aber Ungleichheit wird von Bürgerinnen und Bürgern nicht per se als ungerecht empfunden. Die zentrale Frage ist, ob eine Ungleichheit durch freie Entscheidungen der Menschen zustande kommt oder ob diese fehlende Freiheiten und Chancen widerspiegelt. ….

Wenn allerdings der Input, also die Ausgangspositionen der Menschen, so unterschiedlich ist, wie heute bei uns, dann empfinden viele Menschen dies als ungerecht und nicht vereinbar mit unserem Gesellschaftsvertrag. Ein Beispiel dafür ist die fehlende Chancengleichheit bei der Bildung: 74 Prozent der Akademikerkinder gehen zur Uni, 21 Prozent der Nicht-Akademikerkinder. Das ist nicht die Folge einer freien Wahl der Kinder, sondern ist zu einem erheblichen Maße das Resultat einer Ungleichbehandlung und fehlender Chancen. ….

Die entscheidende Frage für eine Gesellschaft ist also, in welchem Maß es Chancengleichheit und Chancenfreiheit gibt. …

ZEIT ONLINE: Sind gleichere Gesellschaften automatisch auch umweltfreundlichere Gesellschaften?

Fratzscher: Das ist häufig so, denn wenn wir als Gesellschaft Chancengleichheit ernst nehmen, dann geht es ja nicht nur um das Hier und Heute, um Sie und mich und andere. Wichtig ist ….

“Wir deutlich mehr tun, um einen intakten Planeten zu übergeben”

ZEIT ONLINE: Es wurde in den vergangenen Monaten viel über Generationengerechtigkeit diskutiert, nicht zuletzt durch die Proteste der Fridays-for-Future-Bewegung. Viele junge Protestierende haben das Gefühl, dass wir uns ziemlich wenig um ihre Zukunft scheren – weil wir tot sein werden, wenn es wirklich schlimm wird. Kann man eine Verpflichtung gegenüber der nächsten Generation eigentlich jenseits aller moralischen Fragen auch rational begründen?

Fratzscher: Der Naturforscher Pjotr Kropotkin hat argumentiert und Studien haben gezeigt, dass Gesellschaften, die einen hohen Wert auf Solidarität und Gemeinschaftssinn legen, große Krisen und Herausforderungen, wie Kriege, Naturkatastrophen oder eben Pandemien, sehr viel erfolgreicher bewältigen als individualistische und darwinistische Gesellschaften. Solidarität und Gemeinschaftssinn schließen eben nicht nur die eigene Generation, sondern auch die Generationen der Kinder und Enkel mit ein. ….

ZEIT ONLINE: Warum sollten wir uns an einen Gesellschaftsvertrag gebunden fühlen, den wir nie aktiv unterschrieben haben?

Fratzscher: Unser enormer materieller Wohlstand heute existiert, weil Generationen vor uns Entscheidungen getroffen haben, von denen wir heute profitieren. Sie haben in Technologie investiert, für gute Jobs, soziale Sicherheit und Frieden gesorgt, und sie haben mit der Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft eine Gesellschaftsform entwickelt, die die Basis unseres Wohlstands ist. Wenn wir heute diese Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen genauso ernst nehmen, wie die Nachkriegsgeneration unserer Eltern und Großeltern dies getan hat, dann müssten wir deutlich mehr tun, um einen intakten Planeten zu übergeben.

ZEIT ONLINE: Brauchen wir die nächste Generation nicht auch ganz einfach dafür, dass unsere Rente gezahlt wird, und damit die das kann, braucht sie wiederum eine einigermaßen intakte Umwelt. Und könnte man nicht schlicht daraus folgern, dass gute Umweltpolitik auch eine gute Sozialpolitik ist – weil sie am Ende allen Generationen nutzt?

Fratzscher: Dies ist sicherlich Teil des Generationenvertrags. Aber ich glaube, man muss noch einen Schritt zurückgehen und noch grundsätzlicher fragen: Wem schulden wir überhaupt Solidarität?

Wir haben doch inzwischen gemerkt, dass wir in einer globalen Welt leben. Keiner der großen Herausforderungen heute, weder die Klimakrise noch die Pandemien, lassen sich national lösen, sie stoppen nicht an Grenzen. Es kann uns also nicht egal sein, was Menschen beispielsweise in Asien machen. Heute leben aber zwei Drittel der Weltbevölkerung dort, fast 40 Prozent in China und Indien. Klimaschutz hilft auch ihnen, er hilft noch mehr den Ländern in Afrika, die am ärmsten dran sind, und in jenen Ländern wiederum den Allerärmsten. …

“Wir haben die Klimakrise überproportional stark zu verantworten”

Fratzscher: Ja, Klima- und Umweltschutz sind auch hierzulande zu sehr ein Projekt der Eliten, welches zu viele Menschen nicht mitnimmt. …

“Wir erfüllen unsere Verpflichtungen noch bei Weitem nicht”

ZEIT ONLINE: Ökonomen, die das sagen, geraten schnell unter den Verdacht, “linke” Themen zu bespielen.

Fratzscher: Es stimmt, die Frage, ob eine Gesellschaft ungleich ist, galt in den Wirtschaftswissenschaften in Deutschland lange als irrelevant oder links. Hier haben in der Vergangenheit die Ordoliberalen die Debatte dominiert. Das hat sich geändert, aber es fällt immer noch schnell das Wort von der angeblichen Neiddebatte, wenn ich zeige, wo die Ungleichheit zugenommen hat. Da ist man uns im angelsächsischen Raum gut 20 Jahre voraus.


Klimawandel: Interview-Serie Ecologisch

Monika Schnitzer über Innovation: “Wir müssen anders planen, bauen und wohnen” Veronika Grimm über Markt: “Es wird immer teurer, sich klimaschädlich zu verhalten” Tom Krebs über Wachstum: “Ich sehe keine Grenzen für nachhaltiges Wachstum” Weitere Beiträge


(Tip von Ingo )

Hitze und Dürre – So wird sich Deutschland verändern (Video , ARD, PLanet Wissen)

Beitrag mit Sven Plöger und Dr. Monika Steinrücke, Hitzeforscherin Uni Bochum

Die vergangenen fünf Jahre gehören zu den wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Und die Prognosen deuten darauf hin, dass es auch in Deutschland durch den Klimawandel stetig wärmer wird. Gleichzeitig trocknen die Böden aus, die Dürreperioden werden extremer und machen der Landwirtschaft zu schaffen. Wie stark werden die Temperaturen noch steigen? Wie können sich Mensch und Natur darauf einstellen

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zum Video als Link : Hier

Einige zentral Aussagen :

  • (20’13, Plöger) Vor 20, 30 Jahren hat uns die Klimaforschung genau diese Entwicklung für heute gesagt
  • (20’40, ) Co2 ist ein langlebiges Gas , das WIR in die Atmosphäre einbringen …
  • Wir bringen ungefähr das was die Natur in 1 Million Jahren raus zieht in einem Jahr rein !!
  • 50 – 100 Jahre müssten wir warten , selbst wenn wir ALLES stoppen würden , bis wir Effekte sehen wuerden
  • wir sind auf einer anderen Zeitskala unterwegs als der Klimawandel !
  • (21’45) Klimaforscherin Steinruecke zeigt Hitzeinseln in Bochum

weitere Links

  • Deutschland und der Klimawandel – Die Fakten von Harald Lesch
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    • Dürre, Überflutungen, Gletscherschmelze: Das Klima ändert sich auch in Deutschland. Die Dokumentation sammelt die Fakten und fragt, wie sich das Leben hierzulande verändern wird. 43 min 43 min 21.10.2020 21.10.2020 Verfügbarkeit: Video verfügbar bis 21.10.2021 Mehr von ZDFzeit
    • Klimaforscher fordern schon lange ein engagiertes Gegensteuern. Mittlerweile wird die Zeit knapp. Was passiert, wenn wir so weitermachen wie bisher? Und welche Maßnahmen werden helfen, den Klimawandel zu bewältigen?
    • Der industrielle Fortschritt, dem auch Deutschland seinen Reichtum verdankt, hat seinen Preis: Durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Gas werden Unmengen an Kohlendioxid freigesetzt, die den natürlichen Treibhauseffekt unseres Planeten verstärken. Es wird wärmer – und das hat Folgen, die auch in Deutschland nicht mehr zu übersehen sind.
    • Klimawandel sorgt für trockene Anbauflächen
      • Staubtrockene Ackerflächen stellen Bauern zunehmend vor Probleme. Viele der heutigen Nutzpflanzen können zukünftig wohl nicht mehr wie gewohnt angebaut werden. Dürre Wälder fallen in immer größerem Ausmaß Schädlingen oder Bränden zum Opfer. Die Trinkwasserversorgung wird immer aufwendiger. Auch die Industrie kämpft mit der Trockenheit. Sinken die Pegelstände in den Flüssen, steht beispielsweise nicht mehr ausreichend Kühlwasser für die Energieproduktion zur Verfügung. Im Gegensatz dazu bedrohen steigende Meeresspiegel die Küsten.

ZDFzeit – Dürre auf Feldern  (1/8)

Anhaltende Trockenheit bringt Bauern um ihre Ernte: Ein Landwirt im Film berichtet, in diesem Jahr wahrscheinlich nur 60 Prozent des erwarteten Ertrags ernten zu können. Anzahl Bilder 8 Bilder · Doku Quelle: dpa

ZDFzeit – Schädlinge in Wäldern  (2/8)

Die Trockenheit setzt auch den Wäldern zu. Sie schwächt die Bäume, macht sie anfälliger für Schädlinge. Von 2018 bis Juli 2020 starben 285.000 Hektar Wald – mehr als die Fläche des Saarlands. Anzahl Bilder 8 Bilder · Doku Quelle: dpa

ZDFzeit – Waldbrände  (3/8)

Neben Schädlingen steigt durch die Trockenheit die Gefahr von Waldbränden wie hier in der Nähe des Frankfurter Flughafens erheblich. Schäden von Waldbränden zu reparieren, dauert Jahrzehnte. Anzahl Bilder 8 Bilder · Doku Quelle: dpa

ZDFzeit – Trockenheit in Städten  (4/8)

Bäume in Städten wie hier in Frankfurt sind wichtig für das Klima, doch sie überleben nicht mehr allein. Städte müssen die Bäume mit Wasser versorgen, oder sie fallen der Säge zum Opfer. Anzahl Bilder 8 Bilder · Doku Quelle: dpa

ZDFzeit – Ausgetrocknete Flüsse  (5/8)

Flüsse und Seen in Deutschland, wie die Dove Elbe im Bild, trocknen zunehmend aus. Ein Problem für die Binnenschifffahrt: Niedrige Pegelstände können für Lieferengpässe sorgen. Anzahl Bilder 8 Bilder · Doku Quelle: dpa

ZDFzeit – Hochwasser  (6/8)

Andererseits kommt es häufig zu heftigen Regenfällen, die das Übertreten von Flüssen zur Folge haben. Wie hier auf der A8 in Bayern, die im August 2020 wegen Überschwemmung gesperrt war. Anzahl Bilder 8 Bilder · Doku Quelle: dpa

ZDFzeit – Hitze in Städten  (7/8)

Experten erwarten vor allem in Städten mehr Hitze. Temperaturen von 45°C könnten in 50 Jahren keine Seltenheit sein. In Frankfurt rechnen Forscher mit einem Klima wie in Norditalien. Anzahl Bilder 8 Bilder · Doku Quelle: dpa

ZDFzeit – Gletscherschmelze  (8/8)

Rund 5000 Gletscher haben die Alpen, doch wärmebedingt könnte Experten zufolge in den nächsten Jahren die Hälfte verschwinden. Das gefährde Pflanzenarten, Flüsse und Seen und die Berge selbst. Anzahl Bilder 8 Bilder · Doku Quelle: dpa

Höhere Temperaturen wirken sich auch auf die Gesundheit der Menschen aus. Mediziner fürchten eine Zunahme von Hitzegeschädigten, vor allem in den Städten. Auch die Tierwelt hierzulande verändert sich: Einerseits verschwinden Arten, denen es schlichtweg zu heiß wird, wie etwa der Hering in der Ostsee. Andererseits siedeln sich neue Bewohner wie tropische Stechmücken an, für die es in Deutschland bislang zu kalt war.

Was kann Deutschland gegen den Klimawandel tun?

Wie kann diese unheilvolle Entwicklung gebremst werden? Was bedeutet der Klimawandel vor der eigenen Haustür? Anhand vieler persönlicher Geschichten zeigt ZDFzeit, wie sich Deutschland jetzt schon verändert und fragt Wissenschaftler, wie man den Herausforderungen des Klimawandels begegnen kann. Der Streit um Gegenmaßnahmen und Anpassungsstrategien wird schon lange erbittert geführt. Fest steht vor allem eines: Der Klimawandel wird unsere Gesellschaft nachhaltig verändern


Zeit für den Kurswechsel: hin zu einer klimagerechten ressourcen-leichten Gesellschaft

Zukunftsimpuls 17 , Mai 2021 , Wuppertal-Institut , Original-Dok : hier
Site : hier
Beitrag für die politische Debatte im Wahljahr 2021


Die Umwelt- und Klimaziele sind gesteckt Jetzt kommt die Zeit der Umsetzung

Die kommende Bundesregierung muss aus ambitionierten Zielen eine erfolgreiche Ressourcen- und Klimapolitik machen und dabei alle Bürgerinnen und Bürger mitnehmen – so das Fazit des Zukunftsimpulses des Wuppertal Instituts zur Bundestagswahl 2021. Es zeigt, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Transformation in eine klimafreundliche und ressourcenleichte Zukunft jetzt konsequent einzuleiten.

Vollständiger Artikel : hier