Wissenschaftler und Forstwirte schlagen Alarm. Nach zwei Jahren extremer Trockenheit befinden sich viele unserer Wälder in besorgniserregendem Zustand. Nicht nur der Klimawandel, auch Pilze und Schädlinge setzen den Bäumen stark zu. Es rächt sich, dass viele Forstwirte auf schnellwachsende Fichtenmonokulturen anstatt auf klimaresistentere Mischwälder gesetzt haben. Könnte großflächige Aufforstung mit Mischwäldern, vielleicht auch neuen, robusteren Baumarten dem Wald helfen?
Auch den Regenwäldern in den Tropenregionen droht der Kollaps. Für den Hunger nach dem Rohstoff Holz, für profitträchtige neue Acker- u. Weideflächen wird immer mehr Regenwald vernichtet. Welche Bedeutung haben die Tropenwälder für das Ökosystem Erde? Könnten auch wir Verbraucher etwas gegen die Regenwaldvernichtung tun?
Zu Gast im Studio:
Prof. Dr. Pierre Ibisch ist Biologe und lehrt “Nature Conservation” an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Er glaubt an die Selbstheilungskräfte der Natur.
Prof. Dr. Pierre Ibisch, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Der Forstwissenschaftler untersucht, welche Stressfaktoren den Wäldern zusetzen und welche Chancen Aufforstungen bietet. Er plädiert dafür, nicht nur auf neue, klimaresistentere Baumarten zu setzen, sondern auch auf die Regenerationsfähigkeit der Natur zu setze
Der Wald regeneriere sich von selbst, wenn man ihn denn lasse, so Ibisch. Von aktivem Waldmanagement durch den Menschen hält er nicht viel. Das Ökosystem Wald werde dadurch nicht ausreichend gefördert. Pierre Ibisch hat bereits in vielen Wäldern der Welt geforscht und war unter anderem in den Regenwäldern Südamerikas, in den Urwäldern Russlands und in unseren heimischen Wäldern als Wissenschaftler unterwegs.
Im Oktober entscheidet die EU über die Agrarsubventionen der nächsten sieben Jahre. Ihre bisherige Klima-Bilanz ist verheerend. CORRECTIV hat recherchiert, dass EU-Geld für grüne Projekte etwa in Betonbrücken verschwindet und Empfänger häufig über ihre eigenen Zuschüsse entscheiden.
„Das soll nun Klimaschutz sein, diese Biodiversität, von der alle sprechen?“ Landwirt Thomas Eckardt deutet auf sein Feld. Hier wächst großflächig Wermutkraut, nur vereinzelt strecken sich gelbe und weiße Blüten aus der sonst eintönigen Pflanzendecke. „Das ist reine Verunkrautung!“, sagt Eckardt und drückt seine Zigarette im Acker aus. Das Feld, auf dem er steht, ist dauerhaft stillgelegt und erfüllt alle Vorgaben der Europäischen Union (EU) einer Greening-Fläche. Jene Flächen, für die Landwirte eine extra Prämie von der EU erhalten – für Klima- und Umweltschutz.
Am 12. Oktober gehen die Beratungen des Europäischen Parlamentes für das größte Budget der EU in die entscheidende Runde. Jeder dritte Euro des EU-Budgets geht an Bauern, jährlich sind es rund sechs Milliarden Euro allein in Deutschland, 60 Milliarden Euro in der EU. Doch die bisherige EU-Subventionspolitik orientiert sich kaum am Klimaschutz. Die Recherche von CORRECTIV zeigt, wie Fördergelder ohne Klimavorgaben in Beton und touristische Projekte fließen.
Eckardt ist Geschäftsführer der Saatzucht Steinach, mit 4.500 Hektar zu bewirtschafteter Fläche in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern gehört er zu den Top-Empfängern von EU-Subventionen. „Ohne Flächenförderungen wäre bei einem Großbetrieb wie dem unseren sofort das Licht aus!“, erzählt er. Wenn davon mehr in Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen fließen müsse, wäre es so „als würde man den Lehrern das Gehalt kürzen, um die Schule zu streichen!“, sagt Eckardt. „Denn das Gesamtbudget der EU für die Landwirtschaft wächst ja nicht.“
„Die Konsumenten wollen Nachhaltigkeit und entscheiden sich an der Theke doch für die billigen Produkte“, sagt Eckardt. Tatsächlich wurden die EU-Agrarsubventionen in den 1960er Jahren eingeführt, um mit den niedrigen Weltmarktpreisen mitzuhalten. Billige Produkte bedeuten Massentierhaltung und überdüngte Monokulturen. Damit widersprechen sie dem Klimaschutz. Deswegen ist dieser bis heute das Stiefkind der Agrarkommission.
…
Grau statt grün trotz Milliarden
Die EU zeichnet ein klimafreundliches Bild über ihren größten Geldtopf, den für Subventionen für Landwirte und Bäuerinnen: Sie füttere vor allem Bauern mit vielen Hektaren Land und belohne diese dafür, wenn wieder mehr Bienen fliegen und die Emissionen von Treibhausgasen sinken. „Die Subventionen unterstützen unsere Bauern und helfen, den Klimawandel zu bewältigen“, heißt es in der Selbstdarstellung der EU.
Das mit dem Füttern stimmt. Nur leider ist der grüne Anstrich, den sich einige EU-Fördertöpfe geben, häufig betongrau. Die EU hat es versäumt, sich nicht nur Klimaschutz auf die Fahnen zu schreiben, sondern ihn auch durchzusetzen. Viele Landwirte und Bäuerinnen würden gerne ökologischer produzieren, doch das System hindert sie.
Das Ergebnis ist fatal. Die EU selbst räumt in einer Grafik ein, dass heute genauso viele Millionen Tonnen Treibhausgase in der Landwirtschaft emittiert werden wie zu Beginn der Förderperiode 2013. Warum das so ist, hat CORRECTIV recherchiert: Die Greening-Prämie spart kaum eine Tonne CO2. Und die zweite Säule, das grüne Gewissen der EU, vergibt manchmal Subventionen – auf legale Weise – für Brücken und Parkplätze.
Gemeinden bauen mit Agrargeld Spielplätze und Brücken
Zwar soll die „zweite Säule“ und ihr Programm namens „ELER“ zunächst den ländlichen Raum fördern – aber eben auch den Klimaschutz. Doch es fließt häufig in Spiel- und Marktplätze, Turnhallen und Ferienbauernhöfe. Ohne vorzugeben, wie viel Treibhausgase eingespart werden müssen. So hat das Schaumburger Land mit dem Agrar-Geld an einer der meist befahrenen Bundesstraßen Hinweisschilder für Touristen angebracht. Manche Gemeinden bauen auch neue Brücken mit dem EU-Geld, wie etwa die Stadt Aschersleben oder die brandenburgische Stadt Lübben, die mehr als 400.000 Euro für die längste Fußgängerbrücke Brandenburg
Die Stabsstelle Klimaschutz der Stadt Bochum möchte mit einem Solarstrom-Anreizprogramm noch ungenutzte Potentiale in Bochum heben und stellt in einer Sonderaktion einen Fördertopf von 30.000 Euro zur Verfügung.
In Bochum sind von den rund 57.000 Wohngebäuden viele Dächer für eine solare Nutzung geeignet. In Verbindung mit stark gesunkenen Anlagen-Preisen und durch den möglichen Eigenverbrauch des selbst erzeugten Sonnenstroms kann man bares Geld sparen. Das Solardachkataster und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung bis hin zur Handwerkersuche für die Installation eines eigenen Solarkraftwerks finden sich auf der Webseite: https://solar.metropole.ruhr/solardachkataster
Auch die Energieberatung der Verbraucherzentrale ist an der Aktion beteiligt. Die Verbraucherzentrale NRW bietet kostenlose Videoberatungen zur Solarstromnutzung auf Ihrem Gebäude an. Diese Beratung zur sinnvollen Anlagengröße und zur Eigenstromnutzung ist neben der fristgerechten Inbetriebnahme der neuen Anlage eine der wenigen Fördervoraussetzungen.
Die Höchstsumme pro Antragsteller beträgt 1.000 Euro. Die Anlage muss zwingend auf Bochumer Stadtgebiet installiert werden und bis Jahresende in Betrieb genommen werden. Die Rechnung über die Installation der Anlage und der Nachweis der Inbetriebnahme müssen bei der Stadt Bochum bis zum 15. Januar 2021 eingereicht werden. Zuguterletzt bedarf es der Bescheinigung der Verbraucherzentrale über die durchgeführte Beratung.
Den Gutschein zur kostenlosen Beratung und den Förderantrag können Interessierte auf der Seite www.bochum.de/klimaschutz herunterladen. Der Förderantrag kann nach der Beratung durch die Verbraucherzentrale gestellt werden. Für Rückfragen wenden Sie sich gerne an die Stabsstelle Klimaschutz der Stadt Bochum. Per Mail an klimaschutz@bochum.de oder per Telefon 0234/910-1413.
Diese sehr versteckte Seite zur Förderung von Photovoltaik Anlagen ist im Original hier zu finden – ( leider wird sie durch die Bochumer Suche kaum gefunden 🙁 )
? soll sie etwa gar nicht gefunden werden. Klimaschutz ist in dieser Stadt wohl nicht gewollt und 30000 € sind ein Witz ?? :
unter dem Suchbegriff Klimaschutz kommt es dann ja als Punkt 26. Immerhin stand es ja in der Presse.
weitere Links
Stadtwerke Solar Paket Photovoltaik-Anlage günstig pachten https://www.stadtwerke-bochum.de/privatkunden/produkte/strom-erdgas/strom-erzeugen
“Freie Bahn” für Photovoltaik und Windkraft — Der 52 Gigawatt Deckel für Photovoltaik fällt http://www.photovoltaik-bochum.de/
Solaranlagen / Solarstrom Bauer in Bochum https://web2.cylex.de/suche/solaranlagen/Bochum
In Bochum-Weitmar entsteht eine energieeffiziente und CO2-minimierte Strom- und Wärmeversorgung https://www.pv-magazine.de/unternehmensmeldungen/in-bochum-weitmar-entsteht-eine-energieeffiziente-und-co2-minimierte-strom-und-waermeversorgung/
Solarer Mieterstrom in Bochum – Das Internetportal für erneuerbare Energien https://www.solarserver.de/2019/10/08/solarer-mieterstrom-in-bochum/
WAZ , Stadt Bochum fördert Aufbau von Solarstrom-Anlagen https://www.waz.de/staedte/bochum/stadt-bochum-foerdert-aufbau-von-solarstrom-anlagen-id230390672.html
Errichtung und Genehmigung von Eigenerzeugungsanlagen nach TAR NS https://www.stadtwerke-bochum-netz.de/index/netze/strom/dezentrale_erzeugungsanlagen/dezentrale_einspeisung.html
Wir regen an die ursprüngliche Entscheidung auf dem Grundstück Mietwohnungen zu errichten neu zu bewerten. Der größte Teil der zu bebauenden Fläche wird von einer Grünanlage eingenommen. Dort stehen mittelalte bis alte Buchen, Eschen, Eiben und Felsenbirne. Die großkronigen Bäume bilden ein geschlossenes Blätterdach aus
Ausgebremst beim Klimaschutz – Wie Behörden Bürger blockieren Die Sommer werden immer heißer und trockener. Ganz klar, der Klimawandel schreitet voran. Deshalb wollen Bund und Länder die Energieversorgung in Deutschland komplett umstellen: Weg von Kohle und Atom, hin zu erneuerbaren Energien wie Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse. Schönste Zukunftsvisionen mit grüner Energie zeichnen die Politiker.
Nordrhein-Westfalen startet mit neuer Strategie in ein Jahrzehnt der Nachhaltigkeit
24. September 2020
Nordrhein-Westfalen ist der weltweit größte öffentliche Emittent von Nachhaltigkeitsanleihen / Ministerpräsident Laschet: Nordrhein-Westfalen setzt sich für eine Zukunft ein, in der Ökologie und Ökonomie verantwortungsvoll vereinbar sind
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat eine aktualisierte und um wichtige Zukunftsthemen ergänzte Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen. Mit vielfältigen Zielen und Maßnahmen zeigt die Strategie den Weg hin zu einem nachhaltigen Leben und Wirtschaften im bevölkerungsreichsten Bundesland.Umwelt, Nachhaltigkeitsstrategie, Nachhaltigkeitsanleihe
Die Landesregierung teilt mit:
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat eine aktualisierte und um wichtige Zukunftsthemen ergänzte Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen. Mit vielfältigen Zielen und Maßnahmen zeigt die Strategie den Weg hin zu einem nachhaltigen Leben und Wirtschaften im bevölkerungsreichsten Bundesland. Die Strategieerarbeitung erfolgte in Zusammenarbeit aller Ministerien der Landesregierung unter Federführung des Umweltministeriums. Die Landesregierung wird einen Nachhaltigkeitsbeirat einsetzen, der die Umsetzung, Evaluierung und Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie begleitet.
Ministerpräsident Armin Laschet: „Nordrhein-Westfalen leistet mit der neu vorgelegten Nachhaltigkeitsstrategie auf Basis der 17 UN-Ziele konkrete Beiträge zur Bewahrung der Schöpfung und für ein nachhaltiges Wirtschaften. Nordrhein-Westfalen ist Vorreiterland: Wir zeigen, wie Nachhaltigkeit bei uns, in einem hoch entwickelten und dicht besiedelten Industrieland im Herzen Europas gelingen kann. Damit können wir weltweit Vorbild sein. Nordrhein-Westfalen setzt sich für eine Zukunft ein, in der Ökologie und Ökonomie verantwortungsvoll vereinbar sind.“
„Indem wir uns als Gesellschaft und Volkswirtschaft nachhaltig aufstellen, gestalten wir Zukunft und Zukunftsmärkte. Jede und jeder Einzelne kann in diesem Jahrzehnt der Nachhaltigkeit dazu einen Beitrag leisten“, so Umweltministerin Ursula Heinen-Esser: „Gleichzeitig ist die neue Strategie auch eine zentrale Leitplanke für den Weg aus der Corona-Pandemie. Dieser muss mit spürbaren Schritten in Richtung Nachhaltigkeit verbunden sein, damit sich die Wirtschaft nicht nur erholen kann, sondern Nordrhein-Westfalen klimafreundlicher, ressourceneffizienter und nachhaltiger aus der Krise hervorkommt.“
Kernstück der neuen Nachhaltigkeitsstrategie ist ein Set aus 67 konkreten Zielen und Indikatoren. Diese sind eng mit den Zielen auf Bundesebene verzahnt und orientieren sich an den globalen Nachhaltigkeitszielen, die von den Vereinten Nationen am 25. September 2015 mit der weltweiten Agenda 2030 beschlossen wurden. Ökologie, Wirtschaft und das soziale Miteinander finden dabei gleichermaßen Berücksichtigung.
Weltweit größter öffentlicher Emittent von Nachhaltigkeitsanleihen
Eine Vorreiterrolle nimmt Nordrhein-Westfalen unter anderem bei der Ausgabe von Nachhaltigkeitsanleihen ein. Nordrhein-Westfalen hat in den vergangenen Jahren sechs Nachhaltigkeitsanleihen mit einem Gesamtvolumen von fast elf Milliarden Euro auf den Finanzmärkten platziert. Damit ist Nordrhein-Westfalen der größte öffentliche Emittent von Nachhaltigkeitsanleihen weltweit und das erste und bisher einzige deutsche Land, das Anleihen in diesem Bereich begibt. Die mehrfachen Auszeichnungen mit Branchenpreisen bestätigen den Erfolg der Nachhaltigkeitsanleihen des Landes.
„Das Nachhaltigkeitsprinzip ist uns besonders wichtig – ökonomisch und politisch“, bekräftigt Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen. „Wir erzielen eine hohe Nachfrage am Markt und ermöglichen gleichzeitig wichtige Investitionen für die Zukunft unseres Landes.“
Große Bandbreite von Zielen und Indikatoren
Die Bandbreite der Ziele und Indikatoren reicht von einer Erhöhung des Öko-Landbaus auf 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche, über die Stärkung der Umweltwirtschaft als wichtiges Zukunftssegment, bis hin zu einer Mindestinvestition von 3,5 Prozent des BIP in Innovationen und Lösungen für die Zukunft. Weitere Indikatoren beschreiben den Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter und die Steigerung der Rohstoffproduktivität bis 2030. Zudem beinhaltet die Strategie wichtige Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft und die Elektromobilität.
Weitere Informationen zu den Nachhaltigkeitsanleihen
Mit der Nachhaltigkeitsanleihe wendet sich das Land an Investoren, die Wert auf eine Geldanlage legen, die soziale und ökologische Konzepte unterstützt. Das Geld der Anleger fließt in nachhaltige Projekte des Landes aus insgesamt sieben Projektkategorien. Dazu gehören zum Beispiel die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr sowie der Ausbau von Radwegen und Breitbandinfrastruktur. Auch der Pensionsfonds des Landes Nordrhein-Westfalen wird zu 100 Prozent nachhaltig geführt. Das Land verfolgt bei seinen Anlageentscheidungen die Ziele Sicherheit, Rentabilität und Nachhaltigkeit.
Die Anforderungen an nachhaltige Kapitalanlagen umfassen sowohl allgemeine ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance – ESG) als auch gezielte Kriterien für den Ausschluss ethisch oder ökologisch besonders problematischer Geschäftspraktiken. So gelingt nachhaltiges Wirtschaften mit verbesserten Umweltstandards im Industrie- und Energieland Nordrhein-Westfalen. Das Land investiert dabei ausschließlich in Unternehmen, die in den Bereichen Ökologie, Soziales und Unternehmensführung auf Basis zahlreicher Kennzahlen zu den am besten bewerteten zählen. Dabei gelten insbesondere internationale Normen und Standards zum Schutz der Umwelt sowie ethische und soziale Kriterien, die die UN formuliert hat.
Die meisten Vorträge in unserer Vortragsreihe „Klimawandel und Klimaschutz“ werden aufgezeichnet und sind hier für Sie verfügbar. Die Videos wurden von der halbautomatischen Aufzeichnungsanlage des Hörsaals der Universität Osnabrück aufgezeichnet (OpenCast, vielen Dank auch an das VirtUOS für Unterstützung). Einige Videos durften wir auch auf unserem YouTube-Kanal zur Verfügung stellen. Auf den Videos nicht enthalten sind die Diskussionen – dazu müssen Sie uns vor Ort besuchen!
Durch die Corona-Krise erleben wir 2020 eine neue Normalität. Feste Bestandteile: Home Office, Videostreaming, Online-Shopping. Ende August vermeldete Greenpeace die Ergebnisse einer Studie: Durch wenige Tage Home Office in der Woche lassen sich Millionen Tonnen CO2 einsparen, die sonst durch tägliches Pendeln freigesetzt würden. Und Amazon stellte im März beachtliche 100 000 neue MitarbeiterInnen für ihre Paketzentren ein, um die gesteigerte Nachfrage an Online-Bestellungen zu bearbeiten.
Konsum gab und gibt es auch ohne das Internet und neue digitale Geschäftsmodelle. Die Digitalisierung ermöglicht es uns schneller und vielleicht auch unreflektierter zu shoppen. Sie versorgt uns aber auch mit Informationen, die uns unser Leben nachhaltiger gestalten lassen. In diesem Sinne ist die Digitalisierung auch Katalysator für eine smarte grüne Konsumwende. Oder vielleicht doch nicht?
Wir sprechen darüber mit Vivian Frick – Sozialpsychologin, Politikwissenschaftlerin, und Doktorandin am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin.
Durch die Corona-Krise erleben wir 2020 eine neue Normalität. Feste Bestandteile: Home Office, Videostreaming, Online-Shopping. Ende August vermeldete Greenpeace die Ergebnisse einer Studie: Durch wenige Tage Home Office in der Woche lassen sich Millionen Tonnen CO2 einsparen, die sonst durch tägliches Pendeln freigesetzt würden. Und Amazon stellte im März beachtliche 100 000 neue MitarbeiterInnen für ihre Paketzentren ein, um die gesteigerte Nachfrage an Online-Bestellungen zu bearbeiten.
Konsum gab und gibt es auch ohne das Internet und neue digitale Geschäftsmodelle. Die Digitalisierung ermöglicht es uns schneller und vielleicht auch unreflektierter zu shoppen. Sie versorgt uns aber auch mit Informationen, die uns unser Leben nachhaltiger gestalten lassen. In diesem Sinne ist die Digitalisierung auch Katalysator für eine smarte grüne Konsumwende. Oder vielleicht doch nicht?
Wir sprechen darüber mit Vivian Frick – Sozialpsychologin, Politikwissenschaftlerin, und Doktorandin am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin.
liefert Basiswissen, Daten und konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz in Deutschland.
beantwortet eine der drängendsten politischen Fragen unserer Zeit.
kann der Politik helfen, das Versprechen des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten.
fasst über 300 aktuelle Studien zusammen. Für Laien verständlich und mit vielen Grafiken.
legt den ersten Plan vor, der sich am 1,5-Grad-Ziel orientiert.
Softcover, 128 Seiten Format: DIN A4 über 20 farbige Info-Grafiken Erscheinungstermin: 03.09.2020 oekom verlag, München
Dieses Buch ist für…
interessierte Laien – um sich einen Überblick über das Thema zu verschaffen
politische Entscheider*innen – um wissenschaftlich fundierte Entscheidungen zu treffen
Aktivist*innen und Engagierte – um ihre Forderungen auf einen konkreten Plan stützen zu können
Statements
Das sagt die Wissenschaft
Hintergrund
Deutschland muss sich ums Klima kümmern. Jetzt!
2018 erschien ein großer Bericht des Weltklimarates (IPCC). Er stellt fest: Wir müssen die von Menschen verursachte Erderwärmung auf 1,5-Grad begrenzen. Die Folgen des Klimawandels werden sonst dramatisch und vielleicht unkontrollierbar.
Die meisten Maßnahmenpläne und Politikpakete bisher wollen die Gesellschaft bis 2050 treibhausgas-neutral gestalten. Das würde aber auf eine Erwärmung von mindestens 2,5 Grad hinauslaufen. Das 1,5-Grad-Ziel erfordert laut IPCC-Bericht „rasche, weitreichende und beispiellose Veränderungen“ und „hohe Investitionen“. Aber es ist machbar und für die Wirtschaft unter dem Strich sogar günstiger als abzuwarten und dann mit den schwereren Folgen umzugehen.
Im Klimaschutz-Abkommen von Paris hat sich Deutschland dem 1,5 Grad-Ziel auch politisch verpflichtet. Wenn man dies ernst nimmt, bedeutet das: Uns bleibt nur noch ganz wenig Zeit, bis keine Emissionen mehr ausgestoßen werden dürfen.
Die gute Nachricht ist: Wir wissen sehr viel und haben gute technische Möglichkeiten, um es schaffen zu können. Die weniger gute Nachricht ist: Die Politik handelt viel zu zögerlich…
In Deutschland…
müssen wir unsere Gesellschaft innerhalb von nur 20 Jahren komplett umbauen
können wir den jährlichen Treibhausgas-Ausstoß schon bis 2035 um 90 Prozent senken
müssen wir die politischen Entscheidungen den wissenschaftlichen Erkenntnissen anpassen
werden wir zum Klimaschutz-Vorbild für andere, wenn wir jetzt die Weichen stellen
können wir durch Klimaschutz unseren Wohlstand bewahren und unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Welt erhalten
Die Umstellung auf Klimaneutralität ist leichter, wenn Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehören auch Veränderungen unserer Gewohnheiten, zum Beispiel in der Ernährung. So lässt sich neben Treibhausgasen auch Energie einsparen, sodass weniger Energieimporte stattfinden müssen. Große Vorhaben wie das Bauen von Stromnetzen dauern heute oft zu lange und müssen zukünftig beschleunigt werden. Dafür ist es auch wichtig, frühzeitig genug Personal auszubilden. Eine konsequente Wiederverwertung garan-tiert in Zukunft, dass keine Rohstoffe mehr verschwendet werden. Viele Menschen sorgen sich wegen der großen Kosten für Klimaschutz. Studien zeigen aber: Zwar erfordert Klimaschutz am Anfang hohe Inves-titionen – langfristig machen sich diese aber bezahlt. Auch der umstrittene CO2-Preis kann so gestaltet werden, dass er Menschen nicht zu sehr belastet.
Sektor 1: Energieversorgung
Wir brauchen Energie: Für Steckdosen zu Hause und Industrie-Anlagen, zum Antrieb von Fahrzeugen und Heizungen. Heute werden dafür Kohle, Öl und Gas verbrannt. Zukünftig beruht das Energiesystem auf „grünem Strom“, der umweltverträglich produziert wird. Autos und Heizungen funktionieren elektrisch. Brennstoffe werden nur noch verwendet, wenn sie aus grünem Strom hergestellt wurden. Obwohl dadurch Energie einspart werden kann, brauchen wir drei- bis viermal so viel Strom wie heute. Dazu ist ein schneller Ausbau der Sonnen- und Windenergie nötig. Zusätzlich werden auch weiterhin Energie-Importe nötig sein. Ein Problem ist, dass das neue Energiesystem stärkeren Schwankungen ausgesetzt ist, als das alte. Jedoch können neue Netze und Speicher-Technologien und eine Abstimmung von Stromerzeugung und -verbrauch die Schwankungen ausgleichen.
Sektor 2: Hauswärme
Bisher heizen wir unsere Häuser vor allem mit Erdgas und Öl sowie Fernwärme aus fossilen Kraftwerken. Um Wärme zukünftig klimaneutral zu erzeugen, müssen die Fernwärmesysteme und die Heizungen vor Ort auf neue Heizsysteme umgestellt werden. Dies sind vor allem elektrische Wärmepumpen, die aus grünem Strom hocheffizient Wärme erzeugen. Ergänzt werden diese um Solarthermie-Anlagen, die Sonnenenergie in Wärme umwandeln und Blockheizkraftwerke, in denen grüner Wasserstoff, grünes Methan und Reststoffe aus der Landwirtschaft verbrannt werden. Da der Strombedarf im Wärmesektor stark wächst, müssen künftig neunzig Prozent aller Gebäude gut gedämmt sein – dies kann den Energiebedarf mehr als halbieren. Dieses Vorhaben gehört zu den teuersten und schwierigsten Aufgaben der bevorstehenden Umstellung.
Sektor 3: Verkehr
Der Treibhausgas-Ausstoß des Verkehrs ist seit Jahrzehnten nicht gesunken, denn das Verkehrsaufkommen steigt ständig an. Das gilt für Personen- und Güterverkehr – auf den Straßen, auf dem Wasser und in der Luft. Dieser Trend muss sich umkehren. Städte brauchen attraktive Radwege und einen guten öffentlichen Nahverkehr. Damit so viel Verkehr wie möglich von Autos und LKW auf die Bahn verlagert werden kann, müssen die Bahnstrecken ausgebaut und in dichterem Takt befahren werden. Der künftige Verkehr muss klimaneutrale Antriebe nutzen: das Elektroauto ersetzt daher die Verbrenner. Autobahnen werden mit Oberleitungen versehen, damit auch LKW elektrisch fahren können. Schiffe und Flugzeuge werden mit E-Brennstoffen betankt.
Sektor 4: Industrie
Die Industrie verursacht 22 Prozent der Emissionen in Deutschland. Zwei Drittel davon stammen aus dem Energieverbrauch und können durch Elektrifizierung und Verwendung grüner Brennstoffe vermieden werden. Problematisch sind Emissionen, die durch chemische Prozesse entstehen: Die Stahlproduktion kann nach Umbaumaßnahmen klimaneutral erfolgen. Die Emissionen bei der Zement-Herstellung können aber nur vermieden werden, wenn weniger davon verbaut wird. Die Chemieindustrie verbraucht bisher große Mengen an fossilen Rohstoffen, die durch elektrisch erzeugte grüne Rohstoffe ersetzt werden müssen. Die notwendigen Investitionen für die Umstellung werden aber nur erfolgen, wenn verlässliche politische Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu zählen ein Treibhausgas-Preis und je nach Branche eine Umstellungsförderung.
Sektor 5-7: Landwirtschaft, Bodennutzung und Abfälle
Die Produktion von Nahrung verursacht Emissionen, vor allem die Tierhaltung und die Düngung von Feldern. Insbesondere die Rinderhaltung und somit der Fleisch- und Milchkonsum müssen um mindes-tens die Hälfte zurückgehen. Auch der Einsatz von Stickstoffdünger muss stark reduziert werden. Mit der Landwirtschaft hängt die Bodennutzung im In- und Ausland eng zusammen. Je nach Nutzung können Flächen Treibhausgas verursachen – oder reduzieren. Wald entzieht der Luft Kohlendioxid. Trockengelegte Moore hingegen dünsten viel Treibhausgas aus. Der ineffiziente Anbau von Energiepflanzen (Mais und Raps) wird eingestellt. Dafür werden unter anderem Moore wieder vernässt und neue Wälder gepflanzt. Im Abfall-Sektor müssen die Emissionen der Altdeponien beendet werden.
Herausgegeben von: Deutsches Klima-Konsortium (DKK), Deutsche Meteorologische Gesellschaft (DMG), Deutscher Wetterdienst (DWD), Extremwetterkongress Hamburg, Helmholtz-Klima-Initiative, klimafakten.de — Stand: September 2020
Einige Spurengase in der Lufthülle der Erde sorgen dafür, dass ein Teil der Energie, die über die Sonneneinstrahlung ankommt, nicht wieder vollständig in Form von Infrarotstrahlung abgestrahlt wird. Stattdessen verbleibt ein Teil als Wärmeenergie in der Atmosphäre. Die Gase werden „Treibhausgase“ genannt, ihre Wirkung „Treibhauseffekt“. Die wichtigsten Treibhausgase sind Wasserdampf, Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O).
Ohne Treibhausgase (aber bei ansonsten gleichbleibenden Bedingungen) wäre es auf der Erdoberfläche im Mittel etwa minus 18 Grad Celsius kalt. Durch den Treibhauseffekt wird die Erde also überhaupt erst bewohnbar, die Temperatur steigt um circa 32 Grad Celsius auf rund plus 14 Grad Celsius. Diese grundsätzlichen Zusammenhänge sind seit mehr als 150 Jahren bekannt. Sie sind in der Wissenschaft unumstritten und durch zahlreiche Experimente und Messungen belegt.2
Seit Beginn der Industrialisierung am Ende des 18. Jahrhunderts, also seit mehr als 200 Jahren, nimmt die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre zu. Bei Kohlendioxid ist die Ursache hauptsächlich das Verbrennen kohlenstoffhaltiger Energieträger, die im Laufe der Erdgeschichte entstanden sind („fossile Energieträger“) — vor allem Kohle, Erdöl und Erdgas. Bei Methan zählen zu den Hauptquellen die intensive Landwirtschaft (insbesondere die Nutztierhaltung) und die Nutzung fossiler Energieträger (unter anderem aus Lecks an Erdgas-Bohrlöchern oder -Leitungen). Auch Lachgas wird vor allem in der Landwirtschaft freigesetzt (beispielsweise durch den Einsatz großer Mengen Kunstdünger).3
Zugleich wurden und werden große Waldflächen abgeholzt oder abgebrannt, Moore trockengelegt, die Nutzungen von Böden verändert. Dadurch werden einerseits weitere Treibhausgase freigesetzt; andererseits gibt es dann weniger Wälder, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und binden können.
Die Konzentration von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre lag 2019 im Jahresmittel bei 411 ppm (Teilchen pro Million Luftmoleküle, gemessen an der Referenzstation Mauna Loa auf Hawaii und repräsentativ für die Nordhalbkugel).4 Dies bedeutet eine Zunahme um fast 50 Prozent gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung. Die CO2-Konzentration liegt damit viel höher als jemals in den zurückliegenden 800.000 Jahren, wahrscheinlich sogar höher als seit drei Millionen Jahren.5
Bei Methan war 2019 mit im Jahresmittel 1.866 ppb (Teilchen pro Milliarde Luftmoleküle, globaler Durchschnitt) bereits rund das Zweieinhalbfache des vorindustriellen Niveaus erreicht.6 Weil die Treibhauswirkung von Methan pro Molekül etwa 25-mal so stark ist wie jene von Kohlendioxid, hat auch dieser Anstieg einen erheblichen Klimaeffekt. Die Konzentration von Lachgas (auch Distickstoffmonoxid genannt) in der Atmosphäre hat seit Beginn der Industrialisierung von 270 ppb auf mehr als 330 ppb zugenommen.7
3. URSACHEN VON KLIMAÄNDERUNGEN – INTERNE SCHWANKUNGEN
Das Klimasystem der Erde ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Elemente, von Atmosphäre, Biosphäre, Landmassen, Ozeanen und Eismassen. Die einzelnen Komponenten tauschen ständig Energie aus, Zirkulationsmuster in Atmosphäre und Ozeanen verändern sich stetig. Wegen solch interner Umverteilungen von Wärme kommt es natürlicherweise zu kurzfristigen Schwankungen auf Zeitskalen von Monaten bis zu Jahrhunderten.
Durch den menschenverstärkten Treibhauseffekt ist im gesamten Klimasystem der Erde zusätzliche Energie vorhanden. Diese Überschuss-Energie verteilt sich aus der Atmosphäre auch in die anderen Teile des Klimasystems. Nur rund ein Prozent der Überschuss-Energie verbleibt in der Lufthülle der Erde, etwa 93 Prozent fließt in die Weltmeere.8 Stagniert oder sinkt zum Beispiel die Temperatur der Atmosphäre (wie es immer mal wieder und auch über einige Jahre hinweg vorkommt) und steigt gleichzeitig die Temperatur der Ozeane, dann erwärmt sich das Klimasystem dennoch insgesamt weiter. Der Wärmeinhalt der Ozeane ist damit ein besserer Indikator für die Klimaerwärmung als die stark und kurzfristig schwankende Lufttemperatur.
Durch die internen Wechselwirkungen im Klimasystem entstehen im globalen Mittel in der Regel nur Schwankungen von wenigen Zehntelgrad. Diese kurzfristigen Schwankungen wie auch natürliche äußere Klimaeinflüsse (siehe Punkt 4) überlagern den langfristigen Erwärmungstrend infolge menschengemachter Treibhausgase. Die Kurve der globalen Mitteltemperatur ist deshalb eine ansteigende Zickzack-Linie.
4. URSACHEN VON KLIMAÄNDERUNGEN – ÄUSSERE EINFLÜSSE
Das Klima hat sich über die Jahrmillionen der Erdgeschichte vielfach verändert. Die wesentlichen Ursachen dafür sind wissenschaftlich weitgehend geklärt. Erdgeschichtliche Warm- und Kaltzeiten wurden vor allem hervorgerufen durch Änderungen in der Erdbahn um die Sonne und durch die Verschiebung von Kontinenten. Die dadurch verursachten Veränderungen der globalen Temperatur laufen allerdings im Vergleich zur aktuellen Erwärmung extrem langsam ab – der kürzeste der Erdbahnzyklen hat eine Dauer von 23.000 Jahren.
Erkenntnisse über das Klima der Vergangenheit (dieser Forschungszweig heißt „Paläoklimatologie“) werden durch Auswertung natürlicher Klimaarchive wie beispielsweise Sedimentablagerungen am Grund von Ozeanen und Seen gewonnen. Bohrungen auf Grönland und der Antarktis fördern Eis zutage, das Luftbläschen aus der Atmosphäre enthält, die bis zu 800.000 Jahre alt sind. So können bis weit in die Vergangenheit die Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre und die Temperaturen auf der Erde rekonstruiert werden. Dabei stellt sich unter anderem heraus, dass sich die erdhistorischen Klimaschwankungen nur erklären lassen, wenn man auch den Treibhauseffekt einbezieht. Über die jüngere Vergangenheit geben zum Beispiel Baumringe und Korallen Auskunft.9
Die vielfältigen Forschungen haben natürliche Ursachen für den aktuellen, sehr schnellen und steilen Temperaturanstieg seit Beginn der Industrialisierung ausgeschlossen. Er ist nur durch die menschengemachte Verstärkung des Treibhauseffekts erklärbar.10
Die Sonne zum Beispiel kann nicht die Ursache der aktuellen globale Erwärmung sein, denn seit etwa 50 Jahren nimmt ihre Leuchtkraft leicht ab – während in diesem Zeitraum der stärkste Temperaturanstieg gemessen wurde. Selbst ein künftiges absolutes Aktivitätsminimum der Sonne würde wenig am Klimawandel ändern: In einem solchen (hypothetischen) Fall würde sich die Erdmitteltemperatur nur um wenige Hundertstel- oder Zehntelgrad verringern – doch der Anstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit beträgt bereits jetzt etwa ein Grad Celsius.11
Ein weiterer natürlicher Klimafaktor sind starke Vulkanausbrüche. Dabei gelangen Schwefelgase in die Atmosphäre, aus denen dort Schwefelteilchen entstehen – sogenannte Aerosole. Diese reflektieren dann einen Teil des Sonnenlichts, was zu einer gewissen Abkühlung der Erde führt. Dieser Effekt hält aber nur wenige Jahre an. Der bisher letzte klimawirksame Vulkanausbruch war der Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991. Auch Vulkanaktivität hat deshalb keinen signifikanten Einfluss auf die aktuelle globale Erwärmung.12
Ein wichtiger Erkenntnisweg in den Naturwissenschaften ist es, komplexe Prozesse dadurch zu verstehen, dass man sie in Computermodellen nachbildet. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Klimaforschung immer detailliertere Modelle des Klimasystems der Erde entwickelt. Diese haben bereits in den 1970er und 1980er Jahren die derzeit ablaufende Erwärmung korrekt vorhergesagt.
Der weltweite Temperaturanstieg bewegt sich heute in dem Korridor, den der Weltklimarat (IPCC) in seinem ersten Sachstandsbericht 1990 erwartet hat. Auch andere Aussagen früherer Klimamodelle wurden später durch die Realität bestätigt, zum Beispiel zu Gletscherschmelze, Meeresspiegelanstieg oder der Zunahme von Dürren.13 Hingegen ist es Klimamodellen nicht möglich (und dafür wurden sie auch nicht entwickelt), exakte Wettervorhersagen für die ferne Zukunft zu liefern.
Es hat sich also vielfach gezeigt, dass moderne Klimamodelle reale Klimaentwicklungen zutreffend abbilden können. Deshalb sind Schlussfolgerungen für die künftige Klimaentwicklung, die wir heute aus den Ergebnissen von Modellrechnungen ziehen können, eine verlässliche Grundlage für politische Entscheidungen.
Globaler Klimawandel
6. WELTWEITE ERWÄRMUNG
Alle Komponenten des Klimasystems, also Ozean, Land, Atmosphäre, Biosphäre und Eismassen, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich erwärmt – und diese Erwärmung fand praktisch überall auf der Erde statt. (Die einzige Ausnahme, die Abkühlung des subpolaren Atlantiks, wurde von Klimamodellen seit langem korrekt vorhergesagt und geht offenbar auf eine Abschwächung des Golfstromsystems zurück.14) Das rasante Tempo und die weltweite Gleichzeitigkeit des Temperaturanstieges unterscheiden den heutigen menschengemachten Klimawandel von vorherigen natürlichen Veränderungen wie den Eiszeit-Warmzeit-Zyklen oder der sogenannten Mittelalterlichen Warmzeit.15
Die Luft an der Erdoberfläche hat sich gegenüber der vorindustriellen Zeit im globalen Mittel bereits um rund ein Grad Celsius erwärmt.16 Ein solches Temperaturniveau gab es laut den verfügbaren paläoklimatischen Daten noch nie während der vergangenen 2.000 Jahre und sehr wahrscheinlich auch nie während der gegenwärtigen Warmzeit (dem Holozän), die vor knapp 12.000 Jahren begann – also noch nie im Laufe der menschlichen Zivilisation.17
7. BEISPIELLOSE HÄUFUNG VON REKORDEN
Seit den 1980er Jahren war jede Dekade wärmer als die vorherige und wärmer als alle vorangegangenen Jahrzehnte seit 1850.18 Die bisherigen Daten für das laufende Jahrzehnt deuten darauf hin, dass auch die Dekade 2011 bis 2020 einen neuen Höchststand markieren wird. Alle zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen traten seit 1998 auf (siehe Kasten).19 2019 war nach Daten der US-Behörden NASA und NOAA weltweit das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und bereits das 43. Jahr in Folge, in dem die Mitteltemperatur an der Erdoberfläche über dem Durchschnitt des 20. Jahrhunderts lag.20
Das Meereis rund um den Nordpol schrumpft. Sowohl das Eisvolumen in der Arktis als auch die dort mit Eis bedeckte Ozeanfläche (die Maximalausdehnung am Ende des Winters ebenso wie das Minimum am Ende des Sommers) sind seit Beginn der Satellitenmessungen 1979 stetig zurückgegangen – um durchschnittlich mehr als zehn Prozent pro Dekade. Betrug die Ausdehnung des arktischen Meereises zwischen 1980 und 1989 noch rund 7,3 Millionen Quadratkilometer, so lag dieser Wert im Zeitraum 2001 bis 2019 nur noch bei rund 4,2 Millionen Quadratkilometern. Sehr stark schwindet das mehrjährige und damit besonders dicke Eis, weshalb die verbleibende Eisfläche zusehends empfindlicher auf die Erwärmung reagiert.21
Am Südpol zeigt die Ausdehnung des Meereises rings um den antarktischen Kontinent für den Zeitraum seit 1979 keinen statistisch signifikanten Trend. In den letzten Jahren wurden Rückgänge beobachtet, aber gesicherte Aussagen sind noch nicht möglich.22
9. FESTLAND-EIS UND SCHNEEDECKE SCHRUMPFEN
Der Eispanzer auf Grönland schwindet jedes Jahr um mehr als 250 Milliarden Tonnen. Dies trägt seit 2006 mit mehr als 7 Millimetern pro Jahrzehnt zum Anstieg der durchschnittlichen globalen Meeresspiegelhöhe bei.23 Das Tempo des Eisverlusts auf Grönland hat sich in den vergangenen Jahren stark beschleunigt. Zwischen 1981 und 2010 schmolz es im Juni und Juli an rund 15 Prozent der grönländischen Eisoberfläche, im Juni und Juli 2020 bereits an rund 25 Prozent.24 Teile des antarktischen Eispanzers zeigen ebenfalls starke Verluste, dort gehen seit 2006 etwa 150 Milliarden Tonnen Eismasse pro Jahr verloren (Beitrag zum Meeresspiegelanstieg: rund 4 Millimeter pro Jahrzehnt).25
Auch die meisten Gebirgsgletscher schrumpfen. Obwohl wenige Gletscher aufgrund regionaler Besonderheiten wachsen, hat die globale Gesamtmasse der Gebirgsgletscher seit 1980 deutlich abgenommen – im Durchschnitt verschwand seitdem eine Eisschicht von mehr als 20 Metern Dicke.26 Eine derartige Entwicklung, so Glaziologen, hat es seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie gegeben.27
Während ein Teil des Gletscherschwunds noch eine Nachwirkung der Erwärmung im Anschluss an die Kleine Eiszeit auf der Nordhalbkugel zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert sein dürfte, ist seit einigen Jahrzehnten der menschengemachte Klimawandel die Hauptursache.28 Auch die Dauer der Schneebedeckung ist in vielen Regionen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen.29
10. DIE MEERESSPIEGEL STEIGEN – UND ZWAR IMMER SCHNELLER
Seit dem Jahr 1900 sind die Meeresspiegel im weltweiten Durchschnitt bereits um rund 16 Zentimeter gestiegen, allein seit Beginn globaler Messungen per Satellit 1993 nahmen sie um etwa 9 Zentimeter zu. Seit 2006 beträgt die Anstiegsrate jährlich rund 3,6 Millimeter (also rund 3,6 Zentimeter pro Jahrzehnt), mehr als doppelt so viel wie zuvor. Ursache dieser Beschleunigung ist die immer stärkere Schmelze der Eispanzer in Grönland und der Antarktis.30
Allerdings steigen die Pegel an den Küsten der Welt nicht überall gleich stark, es gibt regionale Abweichungen von bis zu plus oder minus 30 Prozent. Ursachen sind unter anderem verschiedene Ozeanströmungen, Landsenkungen durch lokal starke Grundwasserentnahme oder noch immer andauernde, langsame Landhebungen nach dem Ende der letzten Eiszeit.31
11. OZEANE VERSAUERN, KORALLEN STERBEN
Der Säuregrad von Flüssigkeiten wird durch den pH-Wert angegeben – je kleiner der pH-Wert, desto saurer die Flüssigkeit. Der pH-Wert des oberflächennahen Meerwassers liegt aktuell im weltweiten Mittel bei etwa 8,1 und ist gegenüber der vorindustriellen Zeit bereits um rund 0,1 gesunken. Diese Veränderung mag gering klingen, bedeutet jedoch (weil die pH-Skala logarithmisch ist) eine Zunahme des Säuregrades um 26 Prozent. Die Entwicklung bedroht unter anderem zahlreiche kalkbildende Meereslebewesen wie Korallen, Muscheln oder Krebse.32
Grund dieser sogenannten „Versauerung“ der Meere sind die vom Menschen verursachten Emissionen von Kohlendioxid; seit den 1980er Jahren haben die Ozeane etwa 20 bis 30 Prozent davon aufgenommen.33
Wenn CO2 sich in Meerwasser löst, reagiert es mit Wasser und bildet Kohlensäure. Sinkt der menschengemachte der Ausstoß von Kohlendioxid nicht, könnte der pH-Wert bis Ende des Jahrhunderts auf Werte fallen, wie sie seit mehr als 50 Millionen Jahren nicht mehr in den Ozeanen vorkamen.34 Korallen leiden außerdem sehr stark unter den steigenden Temperaturen des Meerwassers.35
Bestimmte Typen von Extremwetter-Ereignissen haben weltweit deutlich zugenommen. Die bereits beobachtete Erwärmung hat in den meisten Gebieten an Land bereits zu einer erhöhten Häufigkeit, Intensität und Dauer von Hitzewellen geführt. In manchen Gegenden sind auch Dürren häufiger und heftiger geworden, etwa im Mittelmeerraum, in Westasien, vielen Teilen Südamerikas sowie eines Großteils Afrikas und Nordostasiens. Zudem wurden lokale Starkniederschläge weltweit noch intensiver.36 In Nordwest-Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten das Risiko von Flusshochwassern zugenommen.37 Bei tropischen Stürmen stieg zwar nicht die Gesamtzahl, wohl aber sind die stärksten Tropenstürme häufiger geworden: Der Anteil der von Satelliten bestimmten Hurricanstärken der stärksten Kategorien 3, 4 und 5 an allen Stürmen von Hurricanstärke stieg von 1979 bis 2017 um ein Viertel, von 32 Prozent auf 40 Prozent.38
Der Temperaturanstieg, veränderte Niederschlagsmuster und die Zunahme mancher Wetterextreme beeinträchtigen bereits die Sicherheit der Lebensmittelversorgung. In vielen äquatornahen Regionen sind die Erträge etwa von Mais und Weizen gesunken (in Regionen höherer Breiten dagegen gab es bessere Ernten). In Afrika schadet der Klimawandel bereits der Viehzucht.39
Klimawandel in Deutschland
13. BEREITS KNAPP 2 GRAD ERWÄRMUNG – DEUTLICH MEHR ALS DER WELTWEITE DURCHSCHNITT
Seit Beginn der systematischen, flächendeckenden Wetteraufzeichnungen 1881 hat sich die mittlere Temperatur der bodennahen Luft in Deutschland bereits deutlich erwärmt. Laut Daten des Deutschen Wetterdienstes war das aktuelle Jahrzehnt rund 1,9 Grad Celsius wärmer als die ersten Jahrzehnte (1881-1910) der Aufzeichnungen. Die Temperaturen in Deutschland sind damit deutlich stärker gestiegen als im weltweiten Durchschnitt.
Das Tempo des Temperaturanstiegs hat in Deutschland (wie auch weltweit) in den vergangenen 50 Jahren deutlich zugenommen: Über den Gesamtzeitraum 1881-2019 gerechnet wurde es jedes Jahrzehnt um 0,11 Grad Celsius wärmer, für die letzten 50 Jahre (1970-2019) lag die Erwärmungsrate mit 0,37 Grad pro Dekade mehr als dreimal so hoch. Seit den 1960er Jahren war hierzulande jedes Jahrzehnt deutlich wärmer als das vorherige.40
14. BEISPIELLOSE HÄUFUNG VON WÄRME-REKORDJAHREN
Neun der zehn wärmsten Jahre seit 1881 in Deutschland sind nach dem Jahr 2000 aufgetreten (siehe Kasten). Sechs Jahre waren bereits mehr als zwei Grad Celsius wärmer als der langjährige Durchschnitt zu Beginn der Aufzeichnungen (1881-1910), drei Jahre sogar 2,5 Grad Celsius oder mehr. Eine derart außergewöhnliche Häufung von Rekordjahren der Temperatur ist nur durch die menschengemachte globale Erwärmung erklärbar; statistische Zufälle oder natürliche Ursachen (interne Schwankungen im Klimasystem oder natürliche Einflüsse von außen) fallen als Erklärung aus.41
15. MEHR HITZE, WENIGER FROST
In den 1950er Jahren gab es im bundesweiten Mittel pro Jahr etwa drei sogenannte „Heiße Tage“ (so bezeichnen Meteorologen Tage, an denen die Temperatur auf 30 Grad Celsius oder höher steigt). Im Zeitraum 1991-2019 stieg die Anzahl „Heißer Tage“ bereits auf durchschnittlich 8,8 Tage pro Jahr.
Demgegenüber nahm die mittlere Zahl der sogenannten „Eistage“ (Tage, an denen die Temperatur den ganzen Tag unter 0 Grad Celsius bleibt) im gleichen Zeitraum von 28 auf 19 Tage pro Jahr ab.42 In Hamburg zum Beispiel gab es im Winter 2019/2020 erstmals seit Aufzeichnungsbeginn keinen einzigen Eistag.43
Auch die Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen in Deutschland hat sich verändert, in vielen Regionen kommt es seit den 1990er Jahren zu einer massiven Häufung. 14-tägige Hitzeperioden mit einem mittleren Tagesmaximum der Lufttemperatur von mindestens 30 Grad Celsius traten zum Beispiel in Hamburg vor 1994 überhaupt nicht auf – danach gab es dort allerdings schon fünf solcher Ereignisse. Bei ungebremstem Treibhausgasausstoß wird für den Zeitraum 2021 bis 2050 eine weitere Zunahme um fünf bis zehn Heiße Tage in Norddeutschland und um zehn bis 15 Heiße Tage in Süddeutschland erwartet.44
16. MEHR STARKREGEN – UND ZUGLEICH LÄNGERE TROCKENZEITEN
Eine Folge des Klimawandels in Deutschland ist die Zunahme von Starkregenereignissen.45 Andererseits nimmt vor allem im Sommer auch die Zahl aufeinanderfolgender Trockentage zu. Beide Vorgänge haben zur Folge, dass sich hydroklimatische Gefahren wie Dürren und Überschwemmungen erhöhen46 – ein Trend, der auch für die Zukunft prognostiziert wird.47 Laut Daten des Deutschen Wetterdienstes hat die Zahl von Tagen mit niedriger Bodenfeuchte seit 1961 bereits deutlich zugenommen; besonders betroffen von der zunehmenden Bodentrockenheit sind der Nordosten sowie das Rhein-Main-Gebiet.48
Die trockenen Jahre 2018/19 sind beispiellos für die vergangenen 250 Jahre. Seit 1766 hat es in Mitteleuropa keine zweijährige Sommer-Dürre dieses Ausmaßes gegeben, mehr als 50 Prozent des Ackerlandes waren davon betroffen.49 Darüber hinaus zeigt der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig, dass der Gesamtboden bis in eine mittlere Tiefe von 1,80 Meter in Deutschland das dritte Trockenjahr in Folge während der Vegetationsperiode erlebt.50
Zahlreiche Wirtschaftsbranchen bekommen die Auswirkungen von Dürren zu spüren, etwa Energieerzeugung und Industrie. Während der extrem trockenen Jahre 2018 und 2019 sanken zum Beispiel die Wasserstände von Rhein und Elbe so stark, dass Binnenschiffe über Wochen oder gar Monate nur eingeschränkt oder gar nicht fahren konnten. Wegen der Verkehrseinschränkungen mussten am Rhein zum Beispiel Raffinerien und Chemiewerke ihre Produktion reduzieren.51 Weil es an Kühlwasser mangelte, wurden Kohle- und Atomkraftwerke zeitweise in ihrer Leistung gedrosselt.52 Die wirtschaftlichen Schäden für die betroffenen Branchen betrugen hunderte Millionen von Euro.53
Geht der Klimawandel ungebremst weiter, wird mit einer starken Risikozunahme in Bezug auf Trockenheit und deren Folgen gerechnet. Eine globale Erwärmung um weitere drei Grad Celsius würde zum Beispiel für Teile Südwestdeutschlands gegenüber dem Zeitraum 1971 bis 2000 eine Verdoppelung der Zeiten unter Dürre bedeuten.54
17. PFLANZEN UND TIERE REAGIEREN SENSIBEL AUF DIE ERWÄRMUNG
Weltweit hat der Temperaturanstieg bereits zu einer Verschiebung von Klimazonen geführt und damit zu teils tiefgreifenden Veränderungen der Verbreitungsgebiete von Pflanzen und Tieren.55 Auch in Deutschland ist schon zu beobachten, dass sich verschiedene Pflanzen weiter ausbreiten, etwa das ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammende Affen-Knabenkraut nach Norden oder die schon länger im Westen Deutschlands heimische Stechpalme nach Norden und Osten. Dasselbe ist auch bei krankheitsübertragenden Insekten wie der Asiatischen Tigermücke zu beobachten. Der Klimawandel verändert zudem Entwicklungsphasen von und Wechselbeziehungen zwischen Organismen: Zugvögel kommen früher zurück. Bei Fischen wurde eine frühere Laichzeit nachgewiesen. Blühzeitpunkte von Pflanzen verschieben sich, sodass sie nicht mehr zum Lebenszyklus der sie bestäubenden Insekten passen.56
Daten des Deutschen Wetterdienstes belegen, wie sich insgesamt die Vegetationsphasen verändert und verschoben haben: Der sogenannte phänologische Frühling beginnt heute im Mittel schon rund zwei Wochen früher als vor einigen Jahrzehnten. Der phänologische Herbst beginnt früher und dauert dadurch länger. Hingegen hat sich der phänologische Winter von durchschnittlich 120 Tagen pro Jahr auf nur noch 102 Tage verkürzt.57
Der Klimawandel bedroht auch die Artenvielfalt. Eine Analyse von 500 ausgewählten heimischen Tierarten im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz ergab, dass der Klimawandel für 63 von ihnen ein hohes Risiko darstellt; am stärksten betroffen sind Schmetterlinge, Weichtiere (z. B. Schnecken) und Käfer.58
18. LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT LEIDEN BEREITS UNTER DEM KLIMAWANDEL
Im Vergleich zu den 1970er Jahren blühen zum Beispiel Apfelbäume heute rund 13 Tage zeitiger – doch weil es so früh im Jahr nachts häufig noch sehr kalt wird und die Blüten sehr frostempfindlich sind, haben Obstbauern häufiger schwere Frostschäden zu beklagen (wie es etwa im Frühjahr 2017 der Fall war).59 Die Trockenheit der vergangenen Jahre führte regional zu deutlichen Ernteeinbußen – zum Beispiel lagen im Dürrejahr 2018 die Erträge bei Getreide um 18 Prozent unter dem Mittel, am stärksten betroffen waren Schleswig-Holstein (-31 Prozent), Brandenburg (-27 Prozent) und Sachsen-Anhalt (-26 Prozent).60 Auch fehlender Frost wird für die Landwirtschaft ein Problem: Viele Ackerkulturen, etwa Winterweizen, brauchen in einer bestimmten Wachstumsphase (dem „Schossen“) einen Kältereiz – fehlt dieser, leiden die Ernten.
Trockenstress durch geringere Sommerniederschläge und durch einen erhöhten Wasserbedarf aufgrund der höheren Temperaturen, die beschleunigte Entwicklung von Schadinsekten und die zunehmende Gefahr von Waldbränden bedrohen die Forstwirtschaft. Nach den Trockenjahren 2018 und 2019 waren bundesweit mindestens 285.000 Hektar Wald abgestorben – das entspricht mehr als der fünffachen Fläche des Bodensees.61
19. DIE WALDBRANDGEFAHR NIMMT ZU
Wärmere Sommer und längere Trockenphasen verstärken das Risiko von Waldbränden. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der Tage mit hoher Waldbrandwarnstufe bereits gestiegen: Deutschlandweit gemittelt gab es im Zeitraum 1961 bis 1990 rund 27 Tage pro Jahr mit hohem oder sehr hohem Waldbrandrisiko. Im Zeitraum 1981 bis 2010 waren es rund 33 Tage pro Jahr, im Zeitraum 1991 bis 2019 schon rund 38 Tage.62
20. BINNENSEEN IN DEUTSCHLAND SIND DEUTLICH WÄRMER GEWORDEN
Die Erwärmung betrifft die Seen in den Alpen und im Alpenvorland ebenso wie die Seen in den Mittelgebirgen oder im Norddeutschen Tiefland. Wegen des Temperaturanstiegs verändert sich die Artenvielfalt in den Seen, und es kommt häufiger zu Fischsterben und Algenblüten, die auch für badende Menschen eine Gesundheitsgefahr darstellen können.63
21. AUCH DIE TEMPERATUREN VON NORD- UND OSTSEE NEHMEN ZU
Die mittlere Oberflächentemperatur der Nordsee in der Deutschen Bucht hat sich zwischen 1969 und 2017 im Durchschnitt um etwa 1,3 Grad Celsius erhöht. Vor der deutschen Ostseeküste wurde seit 1982 ein Anstieg der Wassertemperaturen um rund 1,6 Grad Celsius gemessen. Die genauen Werte variieren je nach Ort und Wassertiefe teils erheblich.64
22. DIE MEERESSPIEGEL STEIGEN AUCH AN DEN DEUTSCHEN KÜSTEN VON NORD- UND OSTSEE
In Cuxhaven zum Beispiel hat der relative Meeresspiegel seit Mitte des 19. Jahrhunderts bereits um gut 40 Zentimeter zugelegt, am Pegel Travemünde um rund 20 Zentimeter.65 Folgen sind unter anderem höher auflaufende Sturmfluten.
Die weltweit zu beobachtende Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs zeigt sich auch an den deutschen Küsten: Für die Nordsee zum Beispiel wurde für den Gesamtzeitraum 1900 bis 2015 ein Langzeittrend von 1,7 Millimeter jährlicher Zunahme ermittelt; betrachtet man nur die letzten Jahrzehnte, beträgt der Trend jedoch (1992 bis 2015) bis zu vier Millimeter.66
Künftige Entwicklung
23. DAS 1,5-GRAD-LIMIT WIRD BEI GEGENWÄRTIGER POLITIK VERFEHLT
Bei ungebremsten Emissionen könnte bis Ende des Jahrhunderts die Erwärmung im weltweiten Durchschnitt mehr als vier Grad Celsius betragen.67 Auf dem UN-Klimagipfel von Paris im Jahr 2015 wurde beschlossen, dass der globale Temperaturanstieg auf „deutlich unter zwei Grad Celsius“ gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt werden soll möglichst sogar auf 1,5 Grad. Setzt sich der bisherige Erwärmungstrend fort, so könnte diese Grenze jedoch bereits in gut einem Jahrzehnt überschritten werden.68
Wollen sie das Übereinkommen von Paris umsetzen, müssen die Staaten weltweit ihre Klimaschutzanstrengungen schnell und drastisch verstärken. Die aktuelle Politik würde bis Ende des Jahrhunderts immer noch einen Anstieg um rund drei Grad Celsius ergeben. Selbst alle Zusagen für Emissionsminderungen, die bisher von den Regierungen gemacht wurden, genügen lediglich für eine Begrenzung der Erwärmung auf rund 2,8 Grad.69 Daran ändern auch die kurzzeitigen Verringerungen der Treibhausgas-Emissionen während der Covid19-Pandemie nichts.70
Das vom Menschen ausgestoßene Kohlendioxid bleibt sehr lange in der Lufthülle der Erde. Je nach freigesetzter Menge verbleiben zwischen 15 und 40 Prozent bis zu 2.000 Jahre in der Atmosphäre.71
Die Erwärmung, die bereits durch menschengemachte Emissionen von Treibhausgasen verursacht wurde, wird deshalb für Jahrhunderte bis Jahrtausende bestehen bleiben. Sie wird langfristige Änderungen im Klimasystem bewirken, wie zum Beispiel weiteren Meeresspiegelanstieg oder Verluste an Artenvielfalt – und damit verbundene, schwerwiegende Folgen für den Menschen.72
24. STARKE EMISSIONSSENKUNGEN SIND MÖGLICH
Auch wenn es zweifellos eine große Herausforderung ist: Schnelle und drastische Minderungen der Treibhausgas-Emissionen sind möglich, das zeigen zahlreiche Studien und auch praktische Erfahrungen. Viele der dafür notwendigen Technologien existieren und sind teilweise bereits unter den heutigen politischen Rahmensetzungen finanziell konkurrenzfähig.73
Etliche Staaten haben in den vergangenen Jahren ihren Ausstoß an Treibhausgasen stärker gesenkt als Deutschland. So gelang es beispielsweise Dänemark oder Großbritannien, zwischen 2005 und 2017 die Emissionen um mehr als ein Drittel zu mindern.
Auch beim Ausstieg aus der Kohleverstromung sind zahlreiche EU-Staaten schneller als Deutschland: Belgien und Schweden zum Beispiel haben ihn bereits vollzogen, bis 2025 wollen Großbritannien, Irland und Italien folgen. Insgesamt planen nach Angaben der EU-Kommission bereits acht Mitgliedsstaaten ein Ende der Kohleverstromung vor dem Jahr 2030.74
25. UNUMKEHRBARE VERÄNDERUNGEN DROHEN
Einige Elemente im Klimasystem der Erde ändern sich bei steigender Temperatur nicht allmählich, sondern sprunghaft. Die Wissenschaft hat mehr als ein Dutzend solcher sogenannten Kipp-Elemente identifiziert: Bei bestimmten Temperaturschwellen (die von der Wissenschaft aber noch nicht genau quantifiziert werden können) „kippen“ sie, und eine Rückkehr zum vorherigen Zustand ist dann praktisch unmöglich.75
Ein Beispiel ist der Eispanzer auf Grönland: Er ist gegenwärtig kilometerdick, so dass die Oberfläche in einer Höhe liegt, in der es (wie im Gebirge) deutlich kühler ist. Schmilzt er, sinkt die Oberfläche in wärmere Luftschichten und schmilzt immer schneller. Damit die Eismasse wieder wachsen könnte, müssten die Temperaturen auf der Erde erst auf ein Niveau wie während der letzten Eiszeit sinken (und damit im globalen Mittel um rund vier Grad Celsius gegenüber heute). Als weitere Kipp-Elemente gelten das Schmelzen des Antarktischen Eisschildes, die Vernichtung des Amazonas-Regenwalds oder das Absterben tropischer Korallenriffe. Manche Kipp-Elemente verstärken die globale Erwärmung zusätzlich, weil sie weitere Treibhausgase freisetzen. Dies gilt etwa für das Tauen von Permafrostböden, wodurch riesige Mengen Methan oder Kohlendioxid freigesetzt werden könnten.76
Daher ist das Tempo des Klimaschutzes extrem wichtig: Um Kipp-Punkte nicht zu überschreiten, müssen die Treibhausgasemissionen schnell sinken. Denn selbst wenn die Menschheit in ferner Zukunft das Klima wieder auf vorindustrielles Niveau abkühlen könnte, würde das nichts mehr am Verlust von Grönlandeis, Amazonas-Regenwald, Korallenriffen etc. und dessen Konsequenzen wie drastischer Meeresspiegelanstieg, massenhaftes Artensterben usw. ändern.77
26. JEDES ZEHNTELGRAD ZÄHLT
Selbst scheinbar geringe Beträge bei der globalen Erwärmung können schwerwiegende Folgen haben. Wenn sich die Erde zum Beispiel um 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmt, werden voraussichtlich 70 bis 90 Prozent der weltweiten Korallenriffe absterben – bei zwei Grad praktisch alle (98 bis 99 Prozent).78 Ein zeitweise eisfreier Nordpol ist bei 1,5 Grad Celsius Erwärmung rund alle 40 Jahre zu erwarten – bei zwei Grad jedoch alle drei bis fünf Jahre.79 Eine Sturmflut, wie sie bisher an der Nordseeküste bei Cuxhaven statistisch alle 500 Jahre auftritt, wird bei 1,5 Grad Celsius Erwärmung einmal in hundert Jahren erwartet – bei zwei Grad jedoch alle 33 Jahre.80