Aufzeichnung der 85. Ausgabe von Europe Calling, dem digitalen Veranstaltungsformat von Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament.
( Youtube Link : hier )
die Europawahl war die erste Klima-Wahl überhaupt. Millionen Menschen sind auf die Straße gegangen. Ihre Forderung an die Politik: Nehmt die Klimakrise und die Wissenschaft endlich ernst! Doch nun zeigt sich: Diese Rufe wurden nur vermeintlich gehört. Die neue EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen brachte zwar den “European Green Deal” auf den Weg. Der Deal sollte Europas “Man on the Moon”-Moment werden. Aber nun da es an die Umsetzung geht, fallen die großen Ankündigungen in sich zusammen. Die EU-Staaten, allen voran die deutsche Bundesregierung, blockieren jedes einzelne Vorhaben des Green Deals und schwächen die großen Ambitionen bis zur Unkenntlichkeit ab. Vom Klima-Champion ist weit und breit keine Spur, sondern die Errungenschaften werden nach und nach abgebaut. → Bei der EU-Landwirtschaftspolitik werden rund 400 Milliarden Euro verplant, die dem Klima noch mehr schaden, anstatt dass dieser klimaschädliche Sektor endlich zum Klimaschutz beiträgt. → Bei der EU-Regelung für nachhaltige Finanzprodukte (EU-Taxonomie) drohen klimaschädliches Gas und tödliche Atomkraft als “nachhaltige Investition” beworben werden. → Beim EU-Klimaziel, dem zentrale Orientierungspunkt des Green Deals, kommen statt der vom EU-Parlament geforderten 60 Prozent Treibhausgasreduktion nur 52,8 Prozent Reduktion raus. Ein Ende der klimaschädlichen Subventionen? Fehlanzeige! Das Europäische Klimagesetz, der Pfeiler des Green Deals, steht auf Sand und versinkt gerade. Unter dem Druck ihrer nationalen Regierungen scheren nun Sozialdemokraten und Liberale aus der progressiven Klima-Allianz im Europaparlament aus und akzeptieren die schmutzigen Deals der Christdemokraten, der EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission. Es reicht! Wir lassen uns nicht länger abspeisen. Die EU Kommission, die Bundesregierung und die EU-Staaten müssen ihre Verantwortung für den Planeten und die junge Generation endlich ernst nehmen. Während die USA unter Präsident Biden beim Klimaschutz mit einem Klimaziel von 57 Prozent Treibhausgas-Minderung auf die internationalen Bühne zurückkehren, blockiert Deutschland – unter der Federführung von Verkehrsminister Andreas Scheuer und Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Deshalb sagen wir: #SaveTheGreenDeal! |
Denn noch ist das möglich! Es ist noch nicht vorbei. Auch wenn wir jetzt Rückschläge erleiden und die Gegner*innen von ambitionierter Klimapolitik es ausnutzen, dass niemand auf die Straße gehen kann. Wir kommen wieder. Im Sommer wird das größte Klimagesetzespaket vorgestellt, das es je in der EU gab. Dann werden die Klimaregeln für Autos, Energieeffizienz von Gebäuden und der entscheidende CO2-Preis festgelegt. Dieses Paket muss Europa auf den 1,5 Grad-Pfad bringen. Hier setzen wir an, den Europäischen Green Deal zu retten. Wir fordern: Ein EU-Kohleausstieg muss bis spätestens 2030 durch einen europäischen CO2-Preis in Europa von weit über 100 Euro geschehen.Keine neuen Autos mit Verbrennungsmotoren ab spätestens 2030.Alle Kräfte mobilisieren für 100 Prozent Erneuerbare Energien. Hier entscheidet sich der Europäische Green Deal in der Umsetzung und hier werden wir kämpfen. Das bedeutet, wir werden Druck auf die Bundesregierung ausüben und alle Mitgliedstaaten und die EU Kommission. Rettet Europas Green Deal! Unterschreibt gleich hier und teilt den Link mit anderen: https://www.change.org/save-the-green-deal Mit entschlossenen europäischen Grüßen, Michael Bloss MdEP & Sven Giegold MdEP |
( Tip von Ingo )
Weitere Links:
Michael Bloss EU
( orginal : hier )
21.04.2021
Jetzt erst recht: #SaveTheGreenDeal!
Liebe Alle,
Vor ca 30 Jahren war die erste Weltklimakonferenz. Damals war ich noch zu jung, um die Konsequenzen zu verstehen. Aber schrittweise dämmerte es mir. Ich engagierte mich in der Greenpeace Jugend und kam darüber in die Politik. Auch wenn Armin Laschet nicht das Warum verstand, war 2019 die erste Klima-Wahl überhaupt. Dank Euch, die ein Zeichen setzen wollten. Dass es dazu überhaupt kommen musste, ist natürlich ein Politikversagen, dass wir jetzt reparieren müssen.
Die Europawahl in Deutschland war ein Weckruf, für Armin Laschet, aber auch die gesamte Politik. Der jetzige CDU-Vorsitzende und frisch gekürte Kanzlerkandidat der CDU ließ damals tief in die Ratlosigkeit der Klima-Politik der Bundesregierung blicken. Was dann folgte, waren viele neue “Empty Promises.”
Denn trotz des Wahlergebnisses wurden auch auf europäischer Ebene diese Rufe nur vermeintlich gehört. Die neue EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) versprach den “European Green Deal” – Europas “Man on the Moon”-Moment. Viele blumige Worte, die jetzt aber im stillen Hinterzimmer-Kämmerlein von ihrer eigenen Partei zerpflückt wurden.
Das EU Parlament schritt voran
Aber beginnen wir vorne. Vor gut einem Jahr stellte die Kommission mit dem EU-Klimagesetz das Herzstück des Green Deals – die Rahmengesetzgebung, die mit ihren Emissionsminderungszielen die Richtschnur für die Klima-Ambitionen für die nächsten 30 Jahre festlegt. Zielmarke: Klimaneutralität 2050 und Klimaziel 2030 von 50 – 55 Prozent. Der Gesetzentwurf war eine Farce. Greta Thunberg nannte es eine Kapitulation vor der Realität. Der Green Deal von Kommissionspräsident Ursula von der Leyen bröckelte und doch blieb noch Zeit, es zu korrigieren.
Im Oktober legte dann das EU Parlament seinen Beschluss vor:
- Ein Klimaziel von 60 Prozent bis 2030 – ohne Rechentricks.
- Ein Treibhausgas-Budget
- Ein unabhängiger EU Klimarat
- Das Aus für fossile Subventionen
- Ein Recht auf Klimaschutz
- Die 2050 Klimaneutralität für alle EU-Staaten
Das war ein Meilenstein und ein wirklicher Klima-Hammer, den wir gegen Widerstände von Konservativen, den Rechten und in Teilen der Liberalen durchsetzen konnten. Das Parlament schritt voran und dafür habe ich gemeinsam mit euch über ein Jahr lang gekämpft.
Der EU Rat blieb stehen
Dann sollten die Verhandlungen mit dem EU Rat losgehen, aber der ließ auf sich warten. Wertvolle Wochen verstrichen und erst Ende Dezember legten sich die Mitgliedsstaaten auf ein unambitioniertes Ziel von minus 55 Prozent netto fest – also mit jeder Menge Rechentricks.
Rechentrick? Ja, weil die Senken nichts anderes bedeuten als Wälder, Moore und Co mit einzubeziehen, die im alten Klimaziel außen vor gelassen wurden. Und das aus gutem Grund. Denn brennt ein Wald ab oder gibt es eine schwere Dürre, verschiebt sich die Rechnung massiv. Ein Senkenziel birgt große Unbekannte und sollte vermieden werden.
Anfang 2021 begannen dann die Verhandlungen schrittweise um erste Punkte des EU-Parlamentsvorschlages, aber der Rat weigerte sich über das Klimaziel 2030 zu sprechen. Wieder verstrichen wertvolle Wochen und Monate, ohne dass wir irgendwie voran kamen.
Und dann musste auf einmal alles ganz schnell gehen. Bis zum 22. April 2021 sollte alles stehen, weil der Rat und die Kommission beim Earth Day zusammen vor den USA im Rampenlicht stehen wollten. Es ging um eine Show, obwohl sich nichts änderte. Denn Vizekommissar Frans Timmermans und der EU Rat bewegten sich beim Klimaziel noch immer nicht. Keinen Millimeter. Was bedeutete das? Nichts gutes fürs Klima. Wir endeten mitten in der Nacht bei 52.8 Prozent und einem Senkenziel, dass mehr Magie verspricht als wirklich konkret zu sein.
Auch bei den fossilen Subventionen ging der Rat nicht mit. Die sollen weiter in Diesel, Benzin, Kerosin und Co fließen. Das Recht auf Klimaschutz wurde fallen gelassen. Alles, was unbequem für die Regierungen ist, wird einfach blockiert. Oder anders gesagt: alles was tatsächlich Emissionen senkt, wurde gekürzt. Stattdessen verlässt man sich jetzt auf ein Russisch-Roulette-Klimaziel mit vielen Senken.
Immerhin konnten wir einen Klimarat und ein Treibhausgas-Budget etablieren – letzteres ist aber deutlich abgeschwächt und hat wenig Aussagekraft.
Der Green Deal löst sich auf
Diese Entwicklung im Green Deal ist systematisch. Erst wurde die Landwirtschaftsreform zur Lachnummer auf Kosten der Klimakrise, dann finden sich unfassbare fossile Schlupflöcher für Gas und Atomkraft in der EU Taxonomie für nachhaltige Finanzen und jetzt verkümmert das Klimagesetz in der Ecke. Ja, der Green Deal wurde groß angekündigt. Es wurden auch einige Fortschritte gemacht. Ich glaube sogar, Ursula von der Leyen will wirklich was bewegen. Und allein Dank Eures Drucks, meines Teams und der Arbeit meiner Parlamentskolleg*innen, konnten wir einiges retten. Aber ich bin ehrlich: das ist noch lange nicht genug. Weder für das Klima, noch für die Wirtschaft oder für ein gutes Leben auf einem lebendigen Planeten.
Der vormalige Klima-Champion, der die EU sein wollte, ist nicht zu sehen. Die Union, im EU-Parlament unter der EPP-Fraktion vertreten, scheint gemeinsam mit Rechten und teilen der Liberalen beschlossen zu haben, den Green Deal zu bekämpfen, anstatt der Klima-Realität in die Augen zu blicken.
#SaveTheGreenDeal
Das ist alles sehr bitter. Ich habe von der Leyens Worten geglaubt. Ich wollte ihnen glauben. Denn als Grüne im Parlament stellen wir nur keine Mehrheit und wir brauchen starke Verbündete in allen Reihen, die gegen die massive Lobbyarbeit der Öl- oder Gas-Industrie antritt, aber auch gegen Politiker*innen mit zweifelhaften Verbindungen in die fossile Industrie.
Jetzt aber reicht es für mich. Ich will mich nicht länger abspeisen lassen. Die EU Kommission und die Bundesregierung muss ihre Verantwortung für den Planeten und die junge Generation endlich ernst nehmen. Das macht mich wütend, aber es gibt mir auch Ansporn. Nach den heutigen Verhandlungen und dem schwachen Deal für das EU Klimagesetz, dürfen wir nicht aufgeben und müssen in die nächste Runde. Noch ist nichts verloren. Das EU-Parlament muss den Kompromiss noch einmal absegnen. Hier können wir ansetzen und die Klima-Wende schaffen.
Denn der nächste Dürresommer kommt bestimmt. Das nächste Extremwetter durch die Klimakrise kommt bestimmt. Und dann darf es nicht heißen, wir hätten von nichts gewusst.
Deshalb ist für mich klar: #SaveTheGreenDeal und unterschreibe die Petition, die ich gemeinsam mit meinem Kollegen Sven Giegold im Parlament aufgesetzt habe.
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