( 30.03.21 , von Zeit.de , Original hier (mit sehr vielen Kommentaren) )
Von Stefan Schmitt
… Ammoniak ist dem chemischen Laien vom Mist- und Güllegeruch bekannt. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten Fritz Haber und Carl Bosch ein Verfahren entwickelt, um das Gas aus Elementen der Umgebungsluft zu gewinnen. Sein Stickstoffanteil machte Ammoniak zur Basis des Kunstdüngers und damit jener gewaltigen landwirtschaftlichen Produktivität, ohne die heute Milliarden Menschen nicht satt würden. Um das Klima zu schützen, interessieren sich Ingenieure jetzt für seinen anderen Bestandteil, den Wasserstoff.
Das Prinzip:
Während Wasserstoff sehr flüchtig ist, lässt sich Ammoniak leichter lagern und verflüssigen. Seine Strukturformel (NH₃) zeigt: Jedes Stickstoffatom bindet drei Wasserstoffatome an sich, die man bei Bedarf wieder herauslösen kann. Wird Energie aus regenerativen Quellen bei der Erzeugung des Ammoniaks eingesetzt, so sind seine drei H-Atome grüner Wasserstoff – von dem die Schwerindustrie Unmengen benötigt, um klimaneutral zu werden. ….
Die Technik:
Bezeichnenderweise setzte das dünn besiedelte Australien besonders früh auf Ammoniak als “erneuerbaren Brennstoff aus Sonne, Wasser und Luft” (Science). Dort sind die Potenziale für Sonnen- und Windenergie riesig, potenzielle Abnehmer wie die wasserstoffbegeisterten Japaner aber weit entfernt. Da bietet sich verflüssigtes Ammoniak als Exportgut an. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat in ihrem Szenario einer nachhaltigen Entwicklung längst große Mengen Ammoniak eingeplant. Ein erster Schritt dahin ist es, die fürs Haber-Bosch-Verfahren ….
Der Haken:
Ein genereller Vorbehalt gegenüber allen Techniken, die von Ökostrom abhängen, gilt auch hier: Es gibt (noch) viel zu wenig davon. Ein zweiter kommt beim Ammoniak hinzu. Auf konventionellem Wege hergestellt, ist er selbst eine Klimabürde. Nach Berechnungen der Royal Society entfallen rund zwei Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes auf seine Erzeugung, diese Emissionen muss man erst einmal drücken. Drittens gibt es noch die Zweifel an der Wasserstoffwirtschaft: Wo ist sie sinnvoll? Wie lange dauert der Aufbau der Infrastruktur?
Stand der Dinge:
Premiere wird der stinkende Energieträger wohl auf hoher See feiern. “Ammoniak hat viele Vorteile, unter anderen jenen, dass man es in Verbrennungsmotoren einsetzen kann”, betont die Reedervereinigung International Chamber of Shipping in einer Studie vom November. Schon 2024 könnte der Hersteller MAN, Weltmarktführer bei Schiffsdieseln, den ersten speziellen Ammoniak-Schiffsmotor auf den Markt bringen. Ein Jahr später soll ausgerechnet im Öl-Königreich Saudi-Arabien ein Ökokraftwerk zur Erzeugung grünen Ammoniaks entstehen.
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(Tip von Ingo )