Parken
Einfach und genial: Bei einem Einkauf von über zehn Euro in der Bochumer Innenstadt parken alle in der Zeit vom 11. Mai bis zum 30. Juni für bis zu drei Stunden kostenlos in den Parkhäusern der Bochumer Wirtschaftsentwicklung.
Wie funktioniert das?
Das Parkticket wird entweder direkt vom Händler oder …
Besonderes Bonbon für alle, die lieber mit dem Fahrrad kommen: Sie können sich gegen Vorlage des Kassenbons in Höhe von mindestens zehn Euro eine kostenlose Fahrradwäsche in der Waschanlage auf dem Husemannplatz gönnen.
Von der Seite : https://wodaswirnochzaehlt.de/
und : https://www.parken-in-bochum.de/parkenaktion
und : https://www.bochum.de/Pressemeldungen/Alle-Pressemeldungen-zum-Corona-Virus/10-Punkte-Programm-fuer-Bochum-Impulse-fuer-Handel-und-Gastronomie
Und ist die Fahrrad-Wäsche nicht der Hohn ?
Ein wenig Kritik gibt’s wenigstens schon auf bo-alternativ.de :
Einseitiger Zehn-Punkte-Plan der Stadtverwaltung:
Marketing statt sozialer Perspektive 2
Werbung des Oberbürgermeisters und Kritik der Linksfraktion
Die Bochumer Linksfraktion kritisiert, dass die Stadtverwaltung in der Corona-Krise zu viele Entscheidungen an den demokratisch gewählten Gremien vorbei trifft. „Der Zehn-Punkte Plan zur Unterstützung von Handel und Gastronomie ist einseitig an den Interessen der Arbeitgeber ausgerichtet und damit sozial unausgewogen“, kritisiert der Fraktionsvorsitzende der Bochumer Linken Horst Hohmeier die von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch vorgestellte Initiative. „Zum Handel und zur Gastronomie gehören aber auch die Interessen der Beschäftigten.“ Ein Grund für die falsche Schwerpunktsetzung sei die fehlende öffentliche Beratung der Pläne. „Als Linksfraktion haben wir unsere Vorschläge für ein Corona-Maßnahmenpaket in öffentlichen Sitzungen zur Diskussion gestellt“, sagt Horst Hohmeier. „Oberbürgermeister Thomas Eiskirch dagegen hat Gespräche über sein Paket hinter den Kulissen mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber geführt. Die Ratsfraktionen wurden lediglich im nicht-öffentlichen Ältestenrat informiert. Anschließend wurde das Paket gleich der Presse vorgestellt und am selben Tag in Kraft gesetzt. mehr…
Bitte um Eure Kommentare ….
Inhalte dieser Seite :
Hallo zusammen,
ich versuche mich mal daran die Lage etwas unemotional darzustellen [Anm.: Es ist mir nicht gelungen]. Ich will nicht die Entscheidungen der Stadt Bochum verteidigen, sondern versuchen sie für mich nachzuvollziehen.
Ausgangspunkt ist wie von Thomas aufgeführt die Webseite des Wir-Gefühls [1]. Hier wird deutlich, dass es sich vorrangig um eine Solidaritäts- und Marketingkampagne handeln soll. Mit Fotowettbewerb und Stickerkampagne möchte man die Allgemeinheit als Ganzes auf den wir-stehen/halten-zusammen Standpunkt einschwören.
Wem die Solidarität primär gelten soll, zeigt sich in der Pressemitteilung zum 10-Punkte-Plan [2], nämlich der Stärkung des Einzelhandels und der Gastronomie in der Innenstadt. Solidarität ist also standortabhängig, denn wer nicht in der Innenstadt Umsätze erwirtschaftet fällt durchs Raster [Anm.: stimmt so nicht ganz, dazu später mehr].
Die WAZ [3] berichtet von einer Investitionssumme von 2,2 Mio. Euro. Wie sich die Summe zusammensetzt, steht in Teilen in [2] und [3].
Aufhänger dieses Threads ist der Individualverkehr, ÖPNV und die Fahrradwäsche – Punkt 2 “Mobilitätspaket” in [2]. Zur Erinnerug, 10-Punkte-Plan ist eine Solidaritäts- und Marketingkampagne, also werden durch Marketingmaßnahmen (fast) alle Kundenströme in die Innenstadt bedacht, wenn auch nicht gleichberechtigt. Die Freistellung der Parkgebühr in Höhe von max. 4,20 EUR [4] von jetzt an bis Ende Juni und danach von 1,40 EUR bis Ende August ist ein Zuschuss, eine Entlastung, welche sofort beim Verbraucher greift. Man möge jetzt kritisieren, der PKW Verkehr würde dadurch gefördert, andererseits kann man argumentieren, hier wird präventiver Infektionsschutz gefördert, da Personen, welche das Auto nutzen, nicht den übervollen ÖPNV nutzen – man könnte so argumentieren. Die Fahrradwaschung ist ebenfalls ein “Marketinginstrument” (z. B. [5], ohne Anspruch darauf, dass dieser Anbieter hier konkret von der Stadt Bochum angefragt wurde) – da lacht sogar werblich effektiv der Grünen-Cem in die Kamera. Wie lange diese Aktion läuft (auch bis Ende August) wird nicht kommuniziert. Ein Unterschied zum “kostenlosen” Parken ist, dass die Fahrradwaschung erst aktiv zusätzlich durchgeführt werden muss, wohingegen die Parkgebührbefreiung unmittelbar vollzogen wird. Hierin liegt also eine Ungleichbehandlung zwischen diesen Verkehrsteilnehmern. Noch drastischer zeigt sich diese “Diskriminierung” bei den Nutzern des ÖPNV. Hier werden an nur vier ausgewählten Samstagen zwischen Oktober und Dezember die kostenfreie Nutzung des ÖPNV angeboten – völlig offen ist, ob die kostenfreie Nutzung für den gesamten BOGESTRA Bereich gilt, auch wenn man gar nicht die Innenstadt anfährt. Laut WAZ belaufen sich die Kosten dieser vier Tage auf 240.000 EUR. Ein 24h-Ticket für Bochum (Stufe A3) kostet derzeit 7,20 EUR [6]. Wie und ob hier ein Gewichtung der eingepreisten Ausgaben fürs freie Parken, die Fahrradwäsche (Einzelpreis unbekannt) und die freie Fahrt im ÖPNV stattfand, ist nicht bekannt. Eine Personengruppe profitiert nicht von dieser Art des solidarischen Marketings – die reinen Fußgänger. Hier hätte man automatische Schuhputzstationen aufstellen sollen, damit ein Fußgänger ab einem Einkaufswert von 10 Euro hier kostenlos einmal die Schuhe blank poliert bekommt.
Weitere Punkte des 10-Punkte Plans:
Punkt 1: BonusApp – eine Art Apothekentaler oder PayBack Funktion, die mir eine Rückvergütung bei Nutzung lokale Geschäfte verspricht. Dieses Projekt wird bereits vom Land NRW gefördert. Hier sollen zusätzliche Anbieter/Geschäfte für die App angelockt werden, indem ihnen (den ersten 200 die sich melden) von der zu entrichtenden “Grundgebühr” bis Ende des Jahres pro Monat 50 Euro erlassen werden. Bislang nutzen diese Plattform/App rund zwei Dutzend Teilnehmer. Fazit: Reines Marketing (und vermutlich eine Datensammelwut innerhalb der App).
Punkt 3: Hygieneberatung – Hier wird die IHK finanziell unterstützt, die ihre Mitarbeiter auf Anfrage in Geschäfte entsendet, um dort beratend bei der Schaffung von angemessenen und individuellen Hygieneregeln zu unterstützen. [Wohl in Anlehnung an die Energieberater, der LEDs und Schalter an Steckdosen empfehlen.] Kosten hierzu werden nicht benannt. Fazit: Übernahme von Personalkosten bei der IHK Mittleres Ruhrgebiet.
Punkt 4: Befreiung von der Freisitz-Gebühr für Gastronomen – hier wurde angeblich zunächst nur das Bermudadreieck von einer Befreiung der Gebühren für Sitze im Außenbereich bedacht, ehe man diese Entscheidung nun auf alle Bochumer Gastrobetriebe ausweitete. Laut WAZ sind das 190.000 Euro. Fazit: Eine Hilfe ausschließlich für Gastrobetriebe mit Außenbereich.
Punkt 5: Business Check – “Fachexperten beraten Unternehmen und Selbstständige kostenlos im One-on-One-Video”, die Frage ist, wer dieses Angebot nutzen wird. Auch soll eine Plattform zum gegenseitigen Austausch aufgebaut werden. Wer bietet das an – Bochumer Wirtschaftsentwicklung? Was ist der “echte” Hintergedanke an dieser Aktion? Kosten hierzu werden nicht benannt. Fazit: Eine Finanzhilfe für den Anbieter dieser Beratung und somit eine Wettbewerbsverzerrung, da freiberufliche Unternehmensberater oder in dieser Branche tätige Unternehmen von der Finanzhilfe nicht profitieren. Das Prinzip der staatlich geförderten Beratungsgutscheine gibt es bereits in der “freien Wirtschaft”, weshalb man dieses Modell nicht adaptiert ist also fraglich. So bleibt der Eindruck, man wolle diese Finanzhilfen lieber “kontrolliert in der Nähe” belassen (und ggf. die Bochumer Wirtschaftsentwicklung weiter ausbauen).
Punkt 6: Aufbau eines Marketingfonds City Bochum – Für die Zeit nach(!) Corona wird bei den Unternehmen jetzt schon Geld für einen Marketingfonds zur Imagepflege der Innenstadt gesammelt. Aus den erwähnten 2,2 Mio Euro sind dafür bis zu 375.000 Euro vorgesehen, sofern die Unternehmen mindestens 125.000 Euro dazugeben. Fazit: Sammelaktion und unschlüssige Angaben zum Zeitpunkt der steuergeldlichen Finanzspritze (wann genau werden die 375.000 Euro gezahlt), damit später “Marketing” betrieben werden kann.
Punkt 7: Open-Air Galerie in der Innenstadt – Bochumer Bürger*:innen fotografieren ihre maskentragenden Kuscheltiere vor dem Kuhhirten oder dem Bergbaumuseum oder sonst einem Platz der des Bochumer*:innen Herzs im Steigerlied-Takt schlagen lässt. Ab Mitte Juni ist dann eine mit 180 Leinwänden / Aufstellpunkten große Schnitzeljagd in der Innenstadt geplant. Kosten werden nicht beziffert. Fazit: Solidaritätskampagne
Punkt 8: Integriertes Stadtentwicklungskonzept der Innenstadt – Bisher bewilligte das Land NRW für Stadtentwicklungskonzepte bereits Landesmittel in Höhe von 900.000 Euro (diese zählen nicht zu den 2,2 Mio. EUR hinzu). Hier will man “auf dem kurzen Dienstweg” schnell an mehr Zuschüsse kommen und weiterhin mit eigenen Mitteln u. a. den Husemannplatz umbauen und zwei vorübergehende Spielplätze in der Innenstadt errichten. Die WAZ berichtet hier von Ausgaben in Höhe von 2,7 Mio Euro, welche nicht zu diesem 10-Punkte-Plan gehören. Fazit: Punkt 8 gehört eigentlich nicht zum 10-Punkte-Plan und 9-Punkt-Plan klang wohl irgendwie doof.
Punkt 9: Gastro Fahrplan – Ausgelegt am Muster des Bermudadreiecks hat der Rat zum 30.04. eine Resolution auf den Weg gebracht, die Land und Bund auffordert Perspektiven für die Gastronomie zu entwickeln. “In der ISG Bermuda Dreieck wurden erste Überlegungen für einen Fahrplan zur Öffnung der Gastro Szene aufgestellt. Die BoWe gestaltet gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der ISG, der DeHoGa und weiteren Gastronomen ein Konzept für Bochum, das den Weg zur Wiedereröffnung und den Weiterbetrieb der Gastro-Szene ermöglicht.” Fazit: Obwohl speziell für das Bermudadreieck entwickelt, soll das Konzept für alle bochumer Gastronomiebetriebe gelten. Einen Link zum Konzept gibt es leider nicht.
Punkt 10: Entwicklung und Vertrieb/Ausgabe einer Wort-/Bild-Marke, mit der man online und als Sticker auch offline seine Solidarität zeigen kann. Die ganze Werbekampagne läuft zunächst über sechs Wochen. Keine Angaben zu den Kosten und ob diese Kampagne mit der unspezifischen Phrase “Hier wo das WIR noch zählt” nicht schon in der Vor-Corona-Zeit entwickelt wurde. Fazit: Solidaritätskampagne ohne konkreten Corona-Bezug.
Gesamtfazit: Da hier hauptsächlich BO-Marketing und die Wirtschaftförderung als treibende und ausführende Kraft zu erkennen ist, müsste geklärt werden, ob die hier nicht einfach nur ihr normales Jahresbudget “umdeklarieren” und es als große Corona Hilfsaktion verkaufen. Die Förderung von Handel und Gastronomie ist marginal bzw. wird über sekundäre Effekte wie dem Anreiz der kostenlosen Fahrradwäsche erzeugt [Anm.: Nein, das ist keine Satire]. Wohin welche Gelder fließen, bleibt größtenteils ungenannt.
[1] https://wodaswirnochzaehlt.de/
[2] https://www.bochum.de/Pressemeldungen/Alle-Pressemeldungen-zum-Corona-Virus/10-Punkte-Programm-fuer-Bochum-Impulse-fuer-Handel-und-Gastronomie
[3] https://www.waz.de/staedte/bochum/corona-bochum-schnuert-millionenprogramm-zur-wiederbelebung-id229092883.html
[4] https://www.parken-in-bochum.de/parkhaeuser/parkhaus/p1-husemannplatz/
[5] https://clean-your-bike.com/
[6] https://www.bogestra.de/fileadmin/dam/pdf/Tickets_2020/VRR_Preise_2020.pdf
Alle Seitenaufrufe am 12.05.2020
Dies ist ein Schlag ins Gesicht! Radspuren als Testung in Corona-Zeiten werden abgelehnt; stattdessen soll man mit dem Auto in die Stadt fahren. Wie wäre es mit kostenlosem ÖPNV auf den letzten 2 Kilometern um die Stadt Autofrei und für den Radverkehr attraktiver zu gestalten. Seitdem die Geschäfte wieder geöffnet haben , ist wieder ein starkes Verkehrsaufkommen zu verzeichnen; Tempolimit und Abstand zu Radfahrern werden ignoriert;
Falls der Bogestra das “Defizit” und Bochum der schiefe Modal Split vorgehalten werden soll – hier ist ein Grund, woran das liegt !
Gut, der ÖV ist derzeit in der Defensive [warum überhaupt ?], aber das, was euer ‘Thomas Eiskalt’ da fährt, ist doch allzu durchsichtig. Immerhin wurde mit der Gratiswäsche auch ans Bike gedacht – und mir fiele ferner nicht einmal das adäquate Zückerle für die BusundBahn-Nutzerschaft ein. Das Netz 2020 startete doch so zuversichtlich …
Monetär bin ich sowieso fein raus – “Django hat Freufahrkarte” (Sbeh-Ausw.)