19. KlimaNotstandsBrief (KNB): Einige gute Ansätze, aber unterm Strich leider doch noch unbefriedigend!

(17.06.24, Aktualisierung der Fragen für die Fragehalbestunde s.u.)

An unseren Oberbürgermeister Herrn Thomas Eiskirch, die Mitglieder des
Rates und der Ausschüsse sowie die zuständigen Ämter der
Stadtverwaltung Bochums

Einige gute Ansätze, aber unterm Strich leider doch noch unbefriedigend!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung und der politischen Gremien,

am heutigen Donnerstag, dem 6. Juni, jährt sich die Ausrufung des Klimanotstandes für unsere Stadt zum fünften Mal. Denn am 6. Juni 2019 ging der Rat folgende Selbstverpflichtung ein:

Die Kommune wird die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaft-liche und ökonomische Nachhaltigkeit bei jeglichen davon betroffenen Entscheidungen berücksichtigen und wenn immer möglich jene Entscheidungen prioritär behandeln, welche den Klimawandel oder dessen Folgen abschwächen.“

Vor diesem Hintergrund nehmen wir hiermit zum Bebauungsplanentwurf 0862 – Markstraße / Stiepeler Straße – wie folgt Stellung:

Das Bochumer Klimaschutzbündnis begrüßt zukunftsfähige Festsetzungen im vorgenannten Bebauungsplanentwurf ausdrücklich, sieht aber auch viele Kritikpunkte, neben verschiedenen Details vor allem die geplante Entfernung des Baumbestandes betreffend:

So begrüßen wir die Gründachvorgabe, gerade in Verbindung mit solartechnischen Anlagen, die hier keinen Ausnahmetatbestand darstellen sollen. Beide Zusatzfunktionen sind nicht nur möglich, sondern machen in der Kombination, auch ästhetisch, Sinn:
Foto: Bundesverband GebäudeGrün e. V.

Weniger nachvollziehbar ist dagegen die Vorgabe, nach der Anlagen zur Nutzung von Sonnenenergie einen Mindestabstand von 2,0 m zu allen Dachrändern einhalten müssen. Diese Vorgabe halten wir für unnötig und kontraproduktiv. Wirklich notwendige Abstände zum Dachrand ergeben sich für Revisionsarbeiten und zur Vermeidung übermäßiger Windkräfte planerisch von selbst. Durch Staffelgeschosse verkleinern sich die Dachflächen ohnehin, zudem beanspruchen hier weitere Aufbauten Platz (Aufzugsüberfahrten etc.), sodass die solar nutzbare Fläche sehr schnell, sehr klein wird. Das gilt es unbedingt zu vermeiden! In dem Zusammenhang leuchtet uns auch das Verbot von Dachüberständen nicht ein, die das Dachflächenangebot vergrößern würden.

Die Formulierungen über die Unzulässigkeit von Steinschüttungen (Schotter, Kies, Splitt oder Ähnlichem) bei der Gartengestaltung sind unseres Erachtens überarbeitungsbedürftig. Nachteilige Schottergärten können nicht mit vorteilhaften Kiesbeeten oder Granulatschüttungen gleichgesetzt werden.
Foto: BoKlima (Pflanzbeet der Stadt Bochum in Weitmar-Mark)

Auch die Vorgaben zur Bepflanzung sollten nach unserem Dafürhalten überarbeitet werden:
Vogelnährgehölze und Bienenweiden werden benötigt, Kirschlorbeer ist überflüssig. Doch genau das geben die Festsetzungen in der Form nicht her!

Warum sich unsere Stadt bei der Begrünung der Gebäudefassaden bei den „Sportanlagen Universität und Schule” bereits mit 30 % zufrieden geben will, leuchtet uns nicht ein. Wo liegt das Problem weitergehender Begrünungen?

Auch können wir nicht nachvollziehen, weshalb Tore von Tiefgaragenzufahrten blickdicht auszuführen sind. Tiefgaragen sollten wenn irgend möglich mit freier Lüftung, d.h. ohne eine mechanische Lüftungsanlage, ausgeführt werden. Dies spart entsprechende Ressourcen beim Bau wie beim Betrieb. Dafür sind Torkonstruktionen mit größtmöglichem freien Querschnitt von großem Vorteil, da hierdurch die Anordnung der weiteren notwendigen Lüftungsquerschnitte für die Tiefgaragen erleichtert wird.

Dagegen begrüßen wir ausdrücklich die Vorgaben zur Beleuchtung der Flächen mittels insektenfreundlicher Leuchtmittel, der Abstrahlungsbeschränkung in den unteren Halbraum sowie der Temperaturbegrenzung.

Bei den Maßnahmen gegen Vogelschlag vermissen wir eine konkrete Vorgabe. Es genügt u.E. nicht, wenn hier lediglich die Hinweise aus einer Broschüre „Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht“ berücksichtigt werden sollten.

Wir begrüßen die Unzulässigkeit von Lichtwerbeanlagen mit bewegtem, laufendem, blendendem oder in zeitlichem Wechsel aufleuchtendem Licht. Wir haben jedoch Zweifel an der Eindeutigkeit der Beschränkung des Umfangs der Werbeanlagen. Wie viele in den genannten Größen dürfen es am Ende maximal sein? Zudem sollten die Betriebszeiten der elektrisch beleuchteten Werbeanlagen sinnvoll eingeschränkt werden.


Und nun zum wichtigsten Aspekt, den Bestandsbäumen:

Der aus 750 Bäumen mit mittlerem und hohem ökologischem Wert bestehende Baumgürtel entlang der Markstraße und der Stiepeler Straße ist ein nicht hoch genug zu bewertender Standortvorteil für das Bebauungsplangebiet 0862.

Foto: BoKlima (750 Bäume entlang Markstraße und Stiepeler Straße)

Es bedurfte nicht erst des von der NRW.URBAN beauftragten Umweltgutachtens zu dieser Fläche, in dem wieder und wieder auf die erhebliche Bedeutung der Bäume für die Stadtplanung hingewiesen wird! Auch nicht der seit mehr als einem Jahrzehnt bekannten Zone 1 – Einstufung der Fläche als “Gebiet mit einer Hitzebelastung im Ist-Zustand”.

Bochums Bürger:innen wissen seit langem, wie wichtig Bäume für unser Stadtklima sind. Deshalb müssen die im nördlichen Grundstücksbereich angedachten Nutzungen (Eckgebäude und Parkplätze) an den vorhandenen Baumbestand angepasst werden, und nicht umgekehrt!Es darf kein Sakrileg sein, wenn Baumbestände Ausnutzungsgrade von Grundstücken schmälern, denn

ohne Bäume
und saubere Luft
ist alles nichts.

Bäume, bei den Bürger:innen beliebte Schattenspender, hier im Bereich des ehemaligen Grundstückszugangs von der Markstraße aus (Foto: BoKlima)

Ob die Bezirksverwaltungsstelle Süd unbedingt auf diesem Grundstück angesiedelt werden und diese Bäume verdrängen muss, ist ohnehin fraglich: warum werden die bisherigen Räumlichkeiten nicht saniert? Warum wird nicht irgendwo aufgestockt oder überbaut, z.B. die Sportgebäude entlang des östlichen Planabschnitts? Wurde eine solche Möglichkeit untersucht? Welche alternativen Standorte wurden geprüft?

Und wozu die zahlreichen Parklätze, wo doch umfangreiche Tiefgaragen entstehen sollen?

Hinzu kommt, dass der Ausnutzungsgrad des Grundstücks ohnedies schon sehr hoch ist. Sogar viel zu hoch, wie ortskundige Anrainer wegen des erwartbaren zusätzlichen Fahrzeugaufkommens auf der bereits hochfrequentierten Markstraße in ihren Stellungnahmen bereits zum Ausdruck gebracht haben.

Neben der wünschenswerten Reduzierung der Grundstücksausnutzung stellt sich aber auch hier wieder die Frage, weshalb sich unsere Stadt nicht endlich einmal eine wirklich autofreie Siedlung erlauben möchte. Zumal an einem Ort wie diesem, mit bester ÖPNV-Anbindung? An einer Straße wie der Markstraße, an der weiterer Autoverkehr vermieden werden sollte!

Foto: Autofreie Siedlung Weissenburg e.V.

Viele Menschen verzichten bereits auf ein eigenes Auto und suchen Wohnraum, in dem sie ein paar Früchte des Verzichts ernten können: ein autofreies Grundstück, entsprechend gefahrfrei für kleine und große Kinder und gleichzeitig günstigeren Wohnraum, da Aufwendungen für Tiefgaragen, Parkplätze etc. erst gar nicht in die Baukosten einfließen!

In Erwartung Ihrer geschätzten Rückäußerungen und in der Hoffnung auf einen konstruktiven Austausch verbleiben wir für heute

Bochum, den 6. Juni 2024 , Gez.: Ihre Bürger*innen des Bochumer Klimaschutzbündnisses
Mailkontakt: boklima@boklima.de Homepage: www.boklima.de
Kopien: Presseverteiler, Bündnisverteiler


Anlage zum 19. Klimanotstandsbrief:
(17.06.24, aktualisiert) Fragen für die Fragehalbestunde des Rates (pdf) : hier

Quellen:
Bebauungsplanentwurf 862
https://www.o-sp.de/bochum/plan?L1=4&pid=28397

Fragen für die Fragehalbestunde des Rates

(17.06.14, aktualisiert )

Nach der Beobachtung einiger Mitglieder des Bochumer Klimaschutzbündnisses, die durch zwei beigefügte Luftbilder aus 2020 und aus 2022 gestützt werden, wurde der Baumbestand entlang der Markstraße und der Stiepeler Straße (Bebauungsplangebiet 0862) in den letzten Jahren reduziert.

Deshalb möchten wir hiermit um Beantwortung folgender Fragen im Rahmen der Fragehalbestunde des Rates bitten:

  1. Ist es zutreffend, dass der Baumbestand entlang der Markstraße und der Stiepeler Straße im Bereich des Bebauungsplanentwurfs 0862 vor, bei oder nach dem Abriss der EKGS bereits reduziert wurde?
  2. Falls ja, auf welche Veranlassung und aus welchen Gründen geschah das?
  3. Falls ja, wann genau und durch wen erfolgten die Maßnahmen?
  4. Falls ja, welchen genauen Umfang hatten diese Fällungen?
  5. Falls ja, wie und wo wurde die bereits beseitigte Waldfläche kompensiert?
  6. Wie und wo ist eine Kompensation des verbliebenen Baumbestandes geplant, sollte diese Waldfläche entgegen unserer dringenden Empfehlung zum Bebauungsplan-entwurf ebenfalls gefällt werden?
  7. Aus welchen Gründen fehlt in der Veröffentlichung ein landschaftsplanerischer Begleitplan?
  8. W arum enthält das Baumfäll- und Baumpflanzkataster unserer Stadt hierzu keine Angaben?
    (Bildquelle abgerufen am 6.6.2024: https://www.bochum.de/Umwelt–und-Gruenflaechenamt/Baumfaell–und-Baumpflanzkataster)
  9. Wird das Baumfäll- und Baum-pflanzkataster unserer Stadt regelmäßig gepflegt?


Für die Beantwortung unserer Fragen bedanken wir uns schon im Voraus ganz herzlich.

Bochum, den 12. Juni 2024 (Überarbeitungsdatum)

Dr. I. Franke (Sprecher von BoKlima), AkU e.V., Alsenstraße 27, 44789 Bochum, Mailkontakt: boklima@boklima.de






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