Klimaschutz durch Tempolimit ; Tempolimit 130: Von “purer Ideologie” bis “zentraler Baustein für Vision Zero”

(, UmweltBundesAmt, Original : hier )

Klimaschutz durch Tempolimit

Wirkung eines generellen Tempolimits auf Bundesautobahnen auf die Treibhausgasemissionen

Ein generellen Tempolimits auf Bundesautobahnen kann zum ⁠Klimaschutz⁠ im Verkehrs beitragen. Mit aktuellen Daten zu den Geschwindigkeiten von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen auf Bundesautobahnen und detaillierten Werten zu deren Kohlendioxid-Emissionen in Abhängigkeit der Geschwindigkeit wurde die Wirkung eines generellen Tempolimits auf Bundesautobahnen auf die Treibhausgasemissionen des Verkehrs berechnet.

Die Vorgehensweise, Berechnungsschritte, verwendeten Eingangsdaten und getroffenen Annahmen werden in der vorliegenden Kurzstudie detailliert beschrieben. Als Ergebnis werden für ein generelles Tempolimit von 100 km/h, 120 km/h und 130 km/h auf Autobahnen die ⁠Treibhausgas⁠-Minderungen bestimmt. Downloaden


(12.07.21, von heise , Original : hier )

Von “purer Ideologie” bis “zentraler Baustein für Vision Zero”

heise online hat bei verschiedenen Unternehmen und Organisationen nachgefragt, die mit dem Straßenverkehr auf Autobahnen zu tun haben.

So unterschiedlich können die Sichtweisen auf einen Fakt sein. Ein allgemeines Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen sei kein Allheilmitteln, denn die Zahl der Verunglückten in Ländern mit einem Limit hebten sich nicht pauschal positiv von der Zahl in Deutschland ab, schreibt das Institut für Zweiradsicherheit (IFZ) in einer Stellungnahme für heise online. “Deutschland liegt hinsichtlich der Getötetenzahlen pro 1000 Autobahnkilometer im europäischen Vergleich im Mittelfeld.” Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) versah in einem Beschluss vom 11. Mai 2020 diesen Umstand mit einem anderen Unterton: “Im Vergleich aller EU-Staaten auf Basis der OECD-Daten liegt Deutschland in der Verkehrssicherheit auf Autobahnen nur im Mittelfeld.”

Der DVR, in dem sich unter anderem Vertreter von Verkehrsministerien, Verkehrsclubs, Versicherer und Wirtschaftsverbände versammeln, hatte sich vor einem Jahr für generelle Tempolimits auf Bundesautobahnen (BAB) ausgesprochen.

Ein generelles Tempolimit sei “pure Ideologie”, meint der AvD, der gegenüber heise online auf seine allgemeinen Standpunkte verweist. Darin schreibt er, mehrspurige Fahrstraßen, also Autobahnen seien statistisch gesehen die sichersten. So sei es 2014 pro 1 Milliarde Kilometer kumulierter Fahrleistung zu 1,6 unfallbedingten Sterbefällen gekommen, Lkw- und Bus-Unfälle eingeschlossen.

Ähnlich sieht es das IFZ; es erklärte, “trotz höherer möglicher Geschwindigkeiten sind Autobahnen in Deutschland hinsichtlich der gefahrenen Kilometer ein vergleichsweise sicherer Verkehrsbereich”. Der Anteil der dort verunglückten Verkehrsteilnehmenden sei relativ gering. “Der detaillierte Blick auf die Gruppe der Motorradfahrenden zeigt, dass von allen verunglückten Kraftradnutzern rund 3 Prozent auf Autobahnen verunglücken. Bei den getöteten Motorradfahrenden ist es ein Anteil von 5,6 Prozent”.

Volkswagen-Chef Herbert Diess, der Autobahnen mit Freiheit in Verbindung bringt, geht ebenfalls auf “Disharmonie” auf Autobahnen ein: “Heute stellen große Geschwindigkeitsunterschiede zwischen einem Lkw mit 80 km/h und einem Pkw mit 250 km/h noch eine Gefahrenquelle dar.” Er meint aber, dass diese in Zukunft leicht vermieden werden könne, und zwar mit intelligenten Verkehrsleitsystemen und autonomem Fahren. Diess kann sich nicht vorstellen, “dass wir in zehn oder 15 Jahren noch in nennenswertem Umfang größere Autobahnunfälle haben werden”.

So wie sich Volkswagen in Sachen Elektromobilität als Vorreiter sieht, durch die auch nach Meinung des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet das Argument Umweltschutz für ein Tempolimit entkräftet wird, sieht sich Mercedes-Benz als “Pionier von Sicherheitstechnologien”. Systeme wie aktive Geschwindigkeitsassistenten würden von den Kunden sehr akzeptiert, schreibt das Unternehmen heise online. “Aus unserer Sicht sollte die Entscheidung der Geschwindigkeitsvorgaben nicht allgemein, sondern zielgenau und angepasst an die Situation erfolgen. Digitale Lösungen können dabei eine intelligente Steuerung des Verkehrs ermöglichen und dynamisch auf Faktoren wie Witterung, Uhrzeit oder Verkehrslage reagieren.” Künftig werde das Thema durch Elektromobilität und autonomes Fahren ohnehin eine andere Relevanz haben.

So passen auch für den Verband der Automobilindustrie (VDA) “analoge Blechschilder” nicht in das digitale Zeitalter, wie der VDA gegenüber heise online erläutert. Eine starre Verkehrsregelung sei nicht mehr zeitgemäß, das Tempo müsse digital an die Verkehrssituation und die Wetterbedingung angepasst werden können.

“Auf einer leeren Autobahn bei trockener Fahrbahn und guter Sicht eine generelle Tempobegrenzung vorzusehen, wird von den Menschen zu Recht als nicht sinnvoll empfunden”, meint der VDA. Dynamische Limits, die sich an der jeweiligen Lage orientieren, fänden unter den Verkehrsteilnehmern nachweislich viel höhere Akzeptanz.

Diesem Tenor folgt auch der BGL, der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung. Er spricht sich gegenüber heise online für eine intelligente Verkehrsführung aus, bei der dynamische Verkehrszeichen die vorgegebene Höchstgeschwindigkeit der jeweiligen Verkehrssituation anpassen. “Die Praxis zeigt zudem, dass die Akzeptanz dynamischer Geschwindigkeitsanzeigen deutlich höher ist als die von stationären Verkehrsschildern.”

Der VDA meint – im Gegensatz zum ACE –, auf Strecken ohne Tempolimit des deutschen Autobahnnetzes gebe es durchschnittlich nicht mehr Unfälle mit Personenschäden als auf gebremsten Strecken. Auch sei der Klimaeffekt durch ein generelles Tempolimit gering. Die CO2-Emissionen in Deutschland ließen sich durch ein Tempolimit von zum Beispiel 120 km/h um etwa 0,3 Prozent senken. Ein Tempolimit von 130 km/h hätte einen entsprechend noch geringeren Klimaeffekt.

Für den AvD erscheint “wenig plausibel, dass die Einführung einer generellen Tempobeschränkung auf weiteren 1,4 Prozent des deutschen Straßennetzes einen relevanten Effekt auf die CO2-Emissionen und damit auf den Klimaschutz haben soll”. Bei der Angabe des Einsparungspotenzials werde offensichtlich von der falschen Annahme ausgegangen, dass auf Autobahnabschnitten ohne Tempolimit alle Autofahrer permanent mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs seien. Nicht selten sei die Verkehrsdichte auf solchen Strecken so hoch, dass ohnehin kaum mehr als Richtgeschwindigkeit gefahren werden könne. Lasse die Verkehrslage es doch zu, auch schneller zu fahren, werde dies nur von einem Teil der Autofahrer genutzt.

Der ACE, der ein Tempolimit von 130 km/h hervorhebt als “zentralen Baustein, um die Vision Zero zu erreichen”, sieht die Geschwindigkeitsbegrenzung als Antrieb für die deutsche Automobilindustrie, sich durch Innovationen in die Verkehrssicherheitstechnik im weltweiten Wettbewerb zu behaupten. “Insbesondere für den enormen Exportanteil der in Deutschland gefertigten Fahrzeuge ist Höchstgeschwindigkeit weniger ein Verkaufsargument als technischer Fortschritt in Sicherheit sowie in nachhaltigen Antriebsformen mit dem Gütesiegel ‘Made in Germany’. Unter “Vision Zero” versteht der ACE wie die Bundesregierung, möglichst wenige Tote im Straßenverkehr zu erreichen. Die Regierung erwähnte in ihrem Verkehrssicherheitsprogramm allerdings kein Tempolimit für Autobahnen.

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